»Ein weiterer ereignisloser Tag in einem ereignislosen Leben. Ein Unspektakel jagt das nächste, und wenn ich nicht aufpasse, kaufe ich mir morgen einen Gartenzwerg und sortiere meine Tassen nach Farben.« Ben Schneider ist erst 29, hat aber schon genug vom Leben im Hamsterrad: aufstehen, arbeiten, Sorgen machen, sterben. Seinen Job bei einer Wirtschaftsprüfungskanzlei hasst er mindestens so sehr wie seinen Vorgesetzten. Der Kontakt zu seiner Familie ist größtenteils abgerissen, für die Liebe oder Freunde hat er schon lange keine Zeit mehr. Wenn ihm das Leben also nichts mehr zu bieten hat, findet Ben, könnte er doch zumindest über einen coolen Abgang nachdenken. Einfallsreich und überraschend sollte der sein. Sein Dealer Tobi hat die perfekte Lösung: Er kann ihm im Darknet einen Auftragskiller besorgen. Ben ist einverstanden, will aber noch 50 Tage Zeit haben bis zum großen Finale. Doch wie lebt es sich, wenn der eigene Todestag immer näher rückt?
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.05.2022Leben nach dem
Schlussstrich
Der Debütroman des Münchner
Comedian Max Osswald
München – Ben Schneider hat sich verrannt. Und das, obwohl er alles so gemacht hat, wie es richtig war. Er ist 29 Jahre alt, Wirtschaftsprüfer und gut in dem, was er tut. Aber glücklich ist er nicht. Um diesem „Kreislauf beschwerlicher Scheiße“ zu entfliehen, zieht er einen Entschluss: Er will sein Leben beenden.
„Ben hat sich in ein Leben manövriert, von dem er dachte, dass er es zu wollen hat“, sagt Max Osswald. Ben ist die Hauptfigur in Osswalds Buch, das er im Literaturhaus sowie im Substanz vorstellt: seinen Debütroman „Von hier betrachtet sieht das scheiße aus“ (dtv). Das ernste Thema ist vielleicht erstaunlich. Osswald ist Comedian, sein Roman aber nicht auf Pointe geschrieben. Stattdessen schreibt er aus der Sicht eines Menschen, der vom Leben nichts mehr erwartet. Spitzzüngig, mit klugen Vergleichen lässt Osswald seinen Protagonisten Ben jede Situation zerpflücken. Die manchmal bitterbösen Gedanken bringen den Leser zum Schmunzeln (wenn Ben Netflix-Serien zerreißt) und zum Nachdenken (wenn er vor dem Grab eines Freundes steht und feststellt: „Das bleibt also von uns: zwei Fakten und zwei Quadratmeter“). Ben möchte sterben. Sich selbst umbringen will er aber nicht. Wenn sein Leben schon nicht besonders war, soll es wenigstens sein Tod sein: Er engagiert einen Auftragsmörder.
Kennt man Osswalds Vita, wirkt der Roman etwas autobiografisch. Der Autor ist 29 Jahre alt, genau wie Ben, und auch er hat in der Wirtschaftsprüfung gearbeitet. Spricht man Osswald darauf an, witzelt er: „Ich habe keinen Auftragsmörder auf mich angesetzt.“ Die Ähnlichkeiten erklärt er mit Pragmatismus: Er kennt die Welten, in denen Ben sich bewegt. Sie sind einfacher zu beschreiben. Eines gibt er bei allem Witz doch zu: „Hätte ich nicht irgendwann einen anderen Weg eingeschlagen, hätte das ich sein können.“
Anders als Ben entschied sich Osswald auszubrechen. Während seines dualen BWL-Studiums verlor er die Lust an der Arbeit mit Zahlen. Durch Freunde, die am Theater arbeiteten, drang er ein in die Kunstwelt, sah, wie glücklich die Leute dort waren. Das wollte er auch – und begann ein Volontariat im Story-Department einer Daily Soap. 2017 führte ihn das nach München. Geschrieben hat Osswald, der aus Ostfildern in der Nähe von Stuttgart stammt, schon immer, Gedichte und Kurzgeschichten. Nun verdiente er mit seiner Leidenschaft Geld.
2018 entdeckte er Poetry Slam für sich, trat bei der „Kiezmeisterschaft“ im Stragula an oder beim „Isar Slam“ im Ampere. Seinen ersten Auftritt hatte Osswald aber bei der Comedy-Bühne „Ja und Weiter“. Das passte: Osswald schrieb für die Bühne vor allem lustige Texte. 2019 schaffte er es ins Finale des „NightWash Talent Award“. Da war klar: Er möchte sich auf Stand-up konzentrieren. Seitdem tingelt er auf den Comedy-Bühnen Münchens umher.
Die Literatur blieb immer im Hinterkopf. Drei Jahre schrieb Osswald an seinem Debütroman. Der mutet mit seiner zynischen und einsamen Hauptfigur fast popliterarisch an und erzählt im Kern auch von Vergänglichkeit. Darüber hat Osswald oft nachgedacht: dass sich in ein paar hundert Jahren niemand mehr an ihn erinnern wird. „Das ist so ein Punkt, der hat mich zeitweise fertig gemacht.“ Inzwischen hat er sich vom Druck befreit, unsterblich werden zu müssen.
Sein Name steht jetzt auf einem Roman. Ist das nicht schon ein kleines Denkmal? Osswald ist da bescheiden. Er klingt wie jemand, der nicht zu träumen wagt. Stattdessen erzählt er, wie viele Bücher jedes Jahr erscheinen, wie klein die Chance ist, dass seines ein Bestseller wird. Osswald möchte weiter schreiben. Bücher, aber auch ein Comedy-Soloprogramm, mit dem er auf Tour gehen kann. Ob er irgendwann unsterblich wird, ist nebensächlich, sagt er: „Mir muss das Schreiben mehr Spaß machen als das Geschrieben-Haben.“
PEGAH MEGGENDORFER
Max Osswald, „Read For Peace“, So., 15. Mai, 18 Uhr, Literaturhaus, boersenverein-bayern.de; Book-Release-Party, Di., 17. Mai, 20 Uhr, Substanz, Ruppertstr. 28, substanz-club.com
Drei Jahre schrieb der
Stand-up-Comedian am Roman
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Schlussstrich
Der Debütroman des Münchner
Comedian Max Osswald
München – Ben Schneider hat sich verrannt. Und das, obwohl er alles so gemacht hat, wie es richtig war. Er ist 29 Jahre alt, Wirtschaftsprüfer und gut in dem, was er tut. Aber glücklich ist er nicht. Um diesem „Kreislauf beschwerlicher Scheiße“ zu entfliehen, zieht er einen Entschluss: Er will sein Leben beenden.
„Ben hat sich in ein Leben manövriert, von dem er dachte, dass er es zu wollen hat“, sagt Max Osswald. Ben ist die Hauptfigur in Osswalds Buch, das er im Literaturhaus sowie im Substanz vorstellt: seinen Debütroman „Von hier betrachtet sieht das scheiße aus“ (dtv). Das ernste Thema ist vielleicht erstaunlich. Osswald ist Comedian, sein Roman aber nicht auf Pointe geschrieben. Stattdessen schreibt er aus der Sicht eines Menschen, der vom Leben nichts mehr erwartet. Spitzzüngig, mit klugen Vergleichen lässt Osswald seinen Protagonisten Ben jede Situation zerpflücken. Die manchmal bitterbösen Gedanken bringen den Leser zum Schmunzeln (wenn Ben Netflix-Serien zerreißt) und zum Nachdenken (wenn er vor dem Grab eines Freundes steht und feststellt: „Das bleibt also von uns: zwei Fakten und zwei Quadratmeter“). Ben möchte sterben. Sich selbst umbringen will er aber nicht. Wenn sein Leben schon nicht besonders war, soll es wenigstens sein Tod sein: Er engagiert einen Auftragsmörder.
Kennt man Osswalds Vita, wirkt der Roman etwas autobiografisch. Der Autor ist 29 Jahre alt, genau wie Ben, und auch er hat in der Wirtschaftsprüfung gearbeitet. Spricht man Osswald darauf an, witzelt er: „Ich habe keinen Auftragsmörder auf mich angesetzt.“ Die Ähnlichkeiten erklärt er mit Pragmatismus: Er kennt die Welten, in denen Ben sich bewegt. Sie sind einfacher zu beschreiben. Eines gibt er bei allem Witz doch zu: „Hätte ich nicht irgendwann einen anderen Weg eingeschlagen, hätte das ich sein können.“
Anders als Ben entschied sich Osswald auszubrechen. Während seines dualen BWL-Studiums verlor er die Lust an der Arbeit mit Zahlen. Durch Freunde, die am Theater arbeiteten, drang er ein in die Kunstwelt, sah, wie glücklich die Leute dort waren. Das wollte er auch – und begann ein Volontariat im Story-Department einer Daily Soap. 2017 führte ihn das nach München. Geschrieben hat Osswald, der aus Ostfildern in der Nähe von Stuttgart stammt, schon immer, Gedichte und Kurzgeschichten. Nun verdiente er mit seiner Leidenschaft Geld.
2018 entdeckte er Poetry Slam für sich, trat bei der „Kiezmeisterschaft“ im Stragula an oder beim „Isar Slam“ im Ampere. Seinen ersten Auftritt hatte Osswald aber bei der Comedy-Bühne „Ja und Weiter“. Das passte: Osswald schrieb für die Bühne vor allem lustige Texte. 2019 schaffte er es ins Finale des „NightWash Talent Award“. Da war klar: Er möchte sich auf Stand-up konzentrieren. Seitdem tingelt er auf den Comedy-Bühnen Münchens umher.
Die Literatur blieb immer im Hinterkopf. Drei Jahre schrieb Osswald an seinem Debütroman. Der mutet mit seiner zynischen und einsamen Hauptfigur fast popliterarisch an und erzählt im Kern auch von Vergänglichkeit. Darüber hat Osswald oft nachgedacht: dass sich in ein paar hundert Jahren niemand mehr an ihn erinnern wird. „Das ist so ein Punkt, der hat mich zeitweise fertig gemacht.“ Inzwischen hat er sich vom Druck befreit, unsterblich werden zu müssen.
Sein Name steht jetzt auf einem Roman. Ist das nicht schon ein kleines Denkmal? Osswald ist da bescheiden. Er klingt wie jemand, der nicht zu träumen wagt. Stattdessen erzählt er, wie viele Bücher jedes Jahr erscheinen, wie klein die Chance ist, dass seines ein Bestseller wird. Osswald möchte weiter schreiben. Bücher, aber auch ein Comedy-Soloprogramm, mit dem er auf Tour gehen kann. Ob er irgendwann unsterblich wird, ist nebensächlich, sagt er: „Mir muss das Schreiben mehr Spaß machen als das Geschrieben-Haben.“
PEGAH MEGGENDORFER
Max Osswald, „Read For Peace“, So., 15. Mai, 18 Uhr, Literaturhaus, boersenverein-bayern.de; Book-Release-Party, Di., 17. Mai, 20 Uhr, Substanz, Ruppertstr. 28, substanz-club.com
Drei Jahre schrieb der
Stand-up-Comedian am Roman
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Suizid durch einen Auftragskiller? Die Story klingt verrückt, trifft aber einen wunden Punkt. Jolie 20220810