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«Sehr geehrte Damen und Herren, vor Ihnen steht eine ‹verstimmbare, haltlose, geltungsbedürftige und moralisch schwachsinnige Psychopathin mit neurotischen Zügen und einem starken Hang zur Selbstüberschätzung, was ihr Wunsch, Schriftstellerin zu werden, beweist. In Erwägung ihrer hereditären Belastung – die Probandin gehört zur dritten Generation einer degenerierten Vagantenfamilie – kann eine dauernde Einweisung in eine Psychiatrische Klinik nicht aus geschlossen werden›.» Mit diesem Zitat aus einem psychiatrischen Gutachten über sich beginnt Mariella Mehrs Rede anlässlich der…mehr

Produktbeschreibung
«Sehr geehrte Damen und Herren, vor Ihnen steht eine ‹verstimmbare, haltlose, geltungsbedürftige und moralisch schwachsinnige Psychopathin mit neurotischen Zügen und einem starken Hang zur Selbstüberschätzung, was ihr Wunsch, Schriftstellerin zu werden, beweist. In Erwägung ihrer hereditären Belastung – die Probandin gehört zur dritten Generation einer degenerierten Vagantenfamilie – kann eine dauernde Einweisung in eine Psychiatrische Klinik nicht aus geschlossen werden›.» Mit diesem Zitat aus einem psychiatrischen Gutachten über sich beginnt Mariella Mehrs Rede anlässlich der Ehrendoktorwürde der Universität Basel. Sie erzählt von ihren Gutachtern, einem, der nur so lange Schach mit ihr spielte, wie er gewann, oder einem, der seine Doktorarbeit abgeschrieben hatte. Sie erzählt von ihren Akten, die noch immer herumgereicht werden, auch privat, und sie fragt, was mit diesen Akten geschehen wird, wenn die Menschenverachtung mal wieder Oberhand gewinnt. Und sie appelliert an die Wissenschaft, Verantwortung zu übernehmen für ihre Begriffe, mit denen sie Menschen bezeichnet und zeichnet fürs Leben.
Autorenporträt
Mariella Mehr, 1947 in Zürich geboren, wurde als jenisches Kind früh von der Mutter getrennt und wuchs in Heimen, bei Pflegeeltern, in Erziehungsanstalten auf, als ein Opfer des so genannten «Hilfswerks für die Kinder der Landstrasse». Mariella Mehr wurde mit der Ehrendoktorwürde der Universität Basel für ihr publizistisches Engagement für unterdrückte Minderheiten geehrt. Sie erhielt ausserdem mehrere Auszeichnungen, unter anderem den Bündner Literaturpreis und den Anna-Göldi-Menschenrechtspreis. Ihr literarisches Lebenswerk wurde 2012 mit dem Pro-Litteris-Preis und erneut im Jahr 2017 mit dem Anerkennungspreis der Stadt Zürich gewürdigt.