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Ladenkollektive, Raubdrucke und politische Agitation: Ein spannendes Stück Kulturgeschichte der alten Bundesrepublik. Aus den Aufbrüchen der 1968er Jahre heraus entstanden bundesweit unzählige linke Verlage und Buchläden. Mit Klassikern des Marxismus und Schlüsseltexten der Studentenbewegung prägten sie in den 1970er Jahren wesentlich die politische Kultur der alten Bundesrepublik. Uwe Sonnenberg untersucht Entstehung, Charakter und Wandel dieses Buchhandels. Dabei nimmt der Autor mit dem Verband des linken Buchhandels (VLB) einen wenig bekannten, bislang einzigartigen Zusammenschluss in den…mehr

Produktbeschreibung
Ladenkollektive, Raubdrucke und politische Agitation: Ein spannendes Stück Kulturgeschichte der alten Bundesrepublik. Aus den Aufbrüchen der 1968er Jahre heraus entstanden bundesweit unzählige linke Verlage und Buchläden. Mit Klassikern des Marxismus und Schlüsseltexten der Studentenbewegung prägten sie in den 1970er Jahren wesentlich die politische Kultur der alten Bundesrepublik. Uwe Sonnenberg untersucht Entstehung, Charakter und Wandel dieses Buchhandels. Dabei nimmt der Autor mit dem Verband des linken Buchhandels (VLB) einen wenig bekannten, bislang einzigartigen Zusammenschluss in den Fokus. Gegründet 1970 vereinigte er parteiunabhängige, kollektiv betriebene Verlage, Druckereien, Vertriebe und Auslieferungen. Er besetzte Begriff und Praxis dieses Bewegungsbuchhandels und bildete ein eigenes politisch-literarisches Feld und einen eigenständigen ökonomischen Sektor. Bundesweit waren zwischen 150 und 200 Projekte im VLB engagiert. Sonnenberg zeigt, wie die von den linken Buchhandelsunternehmen produzierte und vertriebene Literatur Weltbilder und Denkweisen ihrer Produzenten und Rezipienten prägte. Damit gelingt es dem Autor, Buchhandels- und Zeitgeschichtsforschung auf innovative Weise miteinander in Verbindung zu bringen.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Uwe Sonnenberg, geb. 1976, Historiker.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Uwe Sonnenbergs Studie über die Entwicklung des linken Buchhandels seit den späten 60ern liest Rezensent Carlos Spoerhase mit Interesse. Der Autor vermag ihm zu zeigen, wie sich dieser Buchhandel ausgehend von den Büchertischen der Unis etablierte, während der Studentenbewegung mit ihren Raubdrucken von vergriffenen Texten der linken Theorie florierte und schließlich unter dem gesellschaftlichen Druck Mitte der 70er zusammenbrach. Worin das Selbstverständnis und das Wirken der linken Buchhandlungen abgesehen vom Handel mit Texten noch bestand (Opposition gegen das Urheberrecht, Mitbestimmungsmodelle) kann Sonnenberg dem Rezensenten gleichfalls erschließen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.2016

Ein Markt für Marx
Uwe Sonnenberg erzählt vom linken Buchhandel

Der spätere serbische Ministerpräsident Zoran Djindjic wollte in den späten siebziger Jahren im Karl-Marx-Antiquariat in Frankfurt am Main die vergriffene "Verfassungslehre" von Carl Schmitt erwerben. Der damalige Philosophiestudent versuchte, den Gründer des Antiquariats, Joschka Fischer, zu einem Preisnachlass zu bewegen: "Es kostete 80 Mark. Das war viel Geld für mich. Ich habe versucht, den Preis nach unten zu drücken. Ich dachte, in einer linken Buchhandlung lässt sich darüber reden."

Fischers Antiquariat und die ihm assoziierte Frankfurter Karl-Marx-Buchhandlung waren zweifellos linke Buchhandlungen. Ihr Unternehmensziel war klar definiert: "Handel mit Büchern und sonstigen Druckerzeugnissen, insbesondere der Werke von Karl Marx und der an dessen Theorie orientierten sozialwissenschaftlichen Literatur". Sie waren Teil einer breiten Bewegung: Seit den späten sechziger Jahren etablierte sich im deutschsprachigen Raum ein eigenständiger linker Buchhandel, der von dem Zeithistoriker Uwe Sonnenberg nun erstmals umfassend untersucht worden ist. Sonnenbergs wegweisende Studie verfolgt den Wandel des linken Buchhandels von der Mitte der sechziger Jahre bis in die Mitte der achtziger Jahre. Die Aufbruchsphase in den späten sechziger Jahren war die Zeit der Büchertische vor universitären Mensen, die in erster Linie Raubdrucke von linken Theorietexten feilboten. Die Studentenbewegung war eine von Theoriegier angetriebene Lesebewegung, deren Bedarf an linker Theorie vom etablierten Buchhandel nicht gedeckt wurde. Vertrieb und Verkauf von Raubdrucken sollten deshalb vergriffene gesellschaftskritische Literatur von Benjamin, Lukács, Adorno und anderen preiswert verfügbar machen. Anfang der siebziger Jahre wurden aus den mobilen Mensaständen eigenständige linke Buchhandlungen.

Linke politische Theorie wurde weiterhin so stark nachgefragt, dass sie ökonomisch äußerst erfolgreich vertrieben werden konnte; das bemerkten auch die etablierten Verlage, die nunmehr linke Theorie in ihre Programme aufnahmen. Ab Mitte der siebziger Jahre erhöhte sich der politische und gesellschaftliche Druck auf den linken Buchhandel. Im "Deutschen Herbst" kam es zu einer massiven Ausweitung der Strafverfolgung linker Publizisten, Verleger und Buchhändler. Darüber hinaus war die Nachfrage nach linker Theorie rückläufig: Sonnenberg spricht sogar von einem Zusammenbruch des "Markts für Marx". Dieser Trend setzte sich Anfang der achtziger Jahre fort. Das Aufkommen alternativer Bewegungen führte zwar zu einem Gründungsboom von Buchhandlungen; für diese stand nun aber nicht mehr der klassische Theoriekanon des Sozialismus im Zentrum, sondern Titel zu Feminismus, Ökologie und Pazifismus.

Sonnenberg zeigt, dass sich der kulturelle Anspruch der linken Buchhandlungen nicht auf die Bereitstellung von linkem Lektürestoff beschränkte. Es ging auch darum, gegen die etablierte "Kulturindustrie" und gegen ein als "bürgerlich" charakterisiertes Urheberrecht zu opponieren. Schließlich zielte der linke Buchhandel auch darauf ab, eine von staatlichen und ökonomischen Imperativen freie "Gegenöffentlichkeit" zu installieren: Die Buchhandlungen fungierten deshalb oft als linksalternative Versammlungsorte, Informationsbüros und Schlafplätze.

Darüber hinaus sollten auch alternative Arbeitspraktiken und Beziehungsmodelle erprobt werden: Mitarbeiter experimentierten mit neuen Mitbestimmungsmodellen; Buchhandlungen wurden als "Arbeits- und Wohnkollektiv" organisiert. Nicht selten ging das mit einer unbändigen Diskussionslust einher, der sich auch die regulären Ladenöffnungszeiten unterzuordnen hatten - an der geschlossenen Ladentür informierte dann ein Schild: "Das Kollektiv tagt". Innerhalb des linken Buchhandels galten die anspruchsvollsten theoretischen Auseinandersetzungen der Ökonomie. Dem "bürgerlichen" Buchhandel wurde vorgeworfen, dass er das Buch zwar als Kulturgut anpreise, es letztlich aber bloß als Instrument für ökonomischen Profit benutze. Eine den Warencharakter des Buches unterlaufende "Gegenökonomie" sollte deshalb streng dem Grundsatz folgen, dass man keine privaten Gewinne erzielen dürfe. Ob die Gewinne in linke politische und soziale Arbeit oder in die Buchhandlung investiert werden müssten, blieb allerdings heftig umstritten.

Die Frankfurter Karl-Marx-Buchhandlung stellte sich in dieser Kontroverse wohl auf den "realistischen" Standpunkt, dass auch ein von Linken geführter Buchladen ein der kapitalistischen Logik gehorchender Betrieb bleibt. Hätte Djindjic diese Debatte gekannt, hätte er vermutlich gar nicht erst den Preis der "Verfassungslehre" zu drücken versucht. Ob Fischer ihm denn damals einen Preisnachlass gewährt habe? "Kein bisschen. Er hat gesagt: ,Das ist ein guter Preis'. Ich habe dann noch argumentiert. Aber er dachte sehr marktorientiert. Er hat nicht nachgegeben."

CARLOS SPOERHASE

Uwe Sonnenberg: "Von Marx zum Maulwurf".

Linker Buchhandel in

Westdeutschland in den 1970er Jahren.

Wallstein Verlag, Göttingen 2016.

568 S., geb., 44,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»eine wahre Fundgrube« Knud von Harbou, Frankfurter Rundschau, 02.11.2016 »ein Grundlagenwerk« (Jürgen Lentes, Der Romanfabrik Kulturbrief, April 2016) »ein beeindruckend recherchiertes Buch« (PAPER NEWS, April-Juni 2016) »umfassend und quellengesättigt« (taz. am wochenende, 30.04./01.05.2016) »ein Meilenstein in der Forschung« »sehr ansprechend und lebendig geschrieben und wunderbar zu lesen« (Bernd Hüttner, Rosa Luxemburg Stiftung, 08.05.2016) »ein Standardwerk (...), das das linke Lesen der 1970er-Jahre gründlich erforscht« (Detlef Siegfried, H-Soz-Kult, 22.06.2016) »Nach den überaus gut zu lesenden 550 Seiten hätte man sich noch weitere 100 gewünscht." (Markus Mohr, junge Welt, 23.06.2016) »ich habe selten ein so faktenreiches und doch gleichermaßen spannendes und auch witziges(!) Sachbuch gelesen. Chapeau Herr Sonnenberg!« (Matthias Kuhn, heinebuch.de, 05.08.2016) »Die Stärke von Sonnenbergs Studie liegt zweifellos in der Ausleuchtung bislang kaum durchdrungener Archivgänge der linken Bücherschächte.« (Jörg Auberg, literaturkritik.de, Nr 7, Juli 2016) »Ein ganz starkes Stück Aufklärung.« (Rudolf Walther, express. Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit 9/2016) »Mit »Von Marx zum Maulwurf« eröffnet Sonnenberg eine neue Perspektive auf die Geschichte linker Bewegungen in den 1970er Jahren.« (Philipp Grehn, www.kritisch-lesen.de, 04.10.2016) »Das Buch ist eine wahre Fundgrube, es schließt eine Lücke, denn die Zeitgeschichtsforschung behandelt die Buchhandelsgeschichte nur recht stiefmütterlich« (Knud von Harbou, Frankfurter Rundschau, 02.11.2016) »Dieses Buch ist ein Standardwerk zum Thema« (Werner Abel, neues deutschland, 28.10.2016) »Ein ganz starkes Stück Aufklärung« (Rudolf Walther, taz. Die Tageszeitung, 17.11.2016) »Ich fand die fünfhundert Seiten spannend, bis in die weit über tausend Fussnoten hinein.« (Hans Steiger, P.S. (Zürich), Nr. 45/16, 16.12.2016) Ein »gewichtiges Buch« (Hans Altenhein, IASLonline, 14.06.2017) »Dieses Buch wird bleiben.« (David Bebnowski, Arbeit-Bewegung-Geschichte, Mai 2018)…mehr