Schonungsloser Blick in die Abgründe des Menschen
Da ist die Bankchefin, die nicht „Nein“ sagen kann und irgendwann anfängt, ihren armen Kunden Geld von den Konten der Reichen zu überweisen. Da ist Sascha B., der als Neunjähriger entführt, missbraucht und fast drei Monate eingesperrt wurde, und
da ist die Geschichte der Familie H., deren Sohn Olaf den kleinen Mirco getötet hat. Das sind drei…mehrSchonungsloser Blick in die Abgründe des Menschen
Da ist die Bankchefin, die nicht „Nein“ sagen kann und irgendwann anfängt, ihren armen Kunden Geld von den Konten der Reichen zu überweisen. Da ist Sascha B., der als Neunjähriger entführt, missbraucht und fast drei Monate eingesperrt wurde, und da ist die Geschichte der Familie H., deren Sohn Olaf den kleinen Mirco getötet hat. Das sind drei der 18 Schicksale, die der renommierte Journalist und Autor Bruno Schrep in „Vor unser aller Augen“ erzählt. Er berichtet von unterschiedlichsten und oft schwer auszuhaltenden Lebensschicksalen oder führt uns an Orte des Niedergangs. Das Buch erscheint jetzt im S. Hirzel Verlag.
Ein Blick in die Abgründe der Menschen, die Abgründe der Gesellschaft
Schrep zeigt in seinen Geschichten, wie schnell ein „normales“ Leben entgleisen kann – ob durch Schicksalsschläge, Straftaten oder familiäre Umstände. Er berichtet von Tätern, die einen Menschen umgebracht haben, denen aber auch wirklich niemand jemals so eine Tat „zugetraut“ hätte, Tätern wie Jörg B. Er wurde nach über 20 Jahren seiner Tat überführt – damals wurde in seinem Dorf eine junge Frau in ihrer Wohnung ermordet. Alle Männer gerieten in Verdacht, alle verdächtigten sich gegenseitig, die Atmosphäre im Dorf war vergiftet. Doch Jörg B. verdächtigte niemand, keiner konnte sich vorstellen, dass der nette, damals 18 Jahre alte Fußballer so etwas hätte tun können.
„Das Haus der begrabenen Träume“
Neben den Einzelschicksalen widmet sich der Autor Orten des Scheiterns wie einem Leihhaus in Berlin-Wedding oder dem „Haus der begrabenen Träume“ in Hamburg: die Vorderfront des Hauses strahlt frisch verputzt, doch in den Wohnungen bröckelt der Putz und tropft das Wasser von der Decke. Hier leben die, die sonst keine Chance auf eine Wohnung haben. Dem Besitzer der Appartements wird vorgeworfen, Geschäfte mit der Not der Menschen zu machen und Wuchermieten zu verlangen. Gekonnt verschränkt der Autor in seinen Texten Aussagen des Eigentümers mit den Schicksalen der Bewohner, lässt alle zu Wort kommen und erzählt genau von seinen eigenen Beobachtungen. Dieses Konzept zieht sich durch alle Reportagen, fast immer hört Schrep viele Stimmen zu einem Schicksal, einer Tat, einem Ort – und schafft es so höchst glaubwürdig und vielschichtig, den Menschen, denen er Raum geben will, gerecht zu werden.
Fazit: Ein absolut lesenswertes und wichtiges Buch.