Was von den Träumen übrigbleibt Lyrik voll zärtlicher Melancholie und selbstironischem Übermut Mario Wirz hat oft und eindrucksvoll über sie geschrieben, die »Zonen der Verzweiflung und Einsamkeit« (Marko Martin). Nun aber ist es, als würde mit einer neuen Lakonie, mit einer sinnlichen Bildhaftigkeit, einer präzise hingetupften Leichtigkeit ein weicherer Ton entstehen. Ohne dass Gefühle von Verlorensein oder Gefährdung fortgeschoben würden, trifft er erneut jene »transzendenten Momente, die auf das Wunder verweisen«, auf das zu hoffen man nie aufhört. »Ohne die Verdammnis zu leugnen, haben die Jahre dem Dichter ein Lächeln ins Knopfloch gezaubert.« Was Michael Sollorz vor einiger Zeit über Mario Wirz schrieb, gilt umso mehr für seine neuen Gedichte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2010Aus Elefanten Mücken
Mit Mario Wirz (geboren 1956) verlor das Theater einen Mann an die Literatur. Außer Erzählungen erschienen von ihm mehrere Gedichtbände. Im neuen, "Vorübergehend unsterblich", probiert er schon einmal die Rolle des Klassikers. In seinem Element ist er, wenn seine Lyrik kleine Szenen arrangiert. Die halbnackten Bauarbeiter, die er in der Frühe vor seinem Schlafzimmerfenster entdeckt, werden ihm für einen Moment lang zu fensterlnden Burschen des bayerischen Heimatfilms. Der ehemalige Schauspielerberuf, mit dem immer neuen Wechsel der Rollen, hat für Identitätsprobleme besonders empfänglich gemacht. Und kein Wunder, dass der Bühnenerprobte im Naturschauspiel der im Meer untergehenden Sonne das Theatralische wahrnimmt. In nicht eben neuer Typologie, aber mit neuen poetischen Bildern führt sich das Ich dieser Sammlung ein, in der Rolle des Nomaden, als Treibgut, als heimatlos: "Mit den Wolken / heimwärts / für einen Schlaf / Ankunft überall". Als hintergründig enthüllt sich die Sprache im Gedicht "Revanche": "Teile ich / jetzt und hier / meinen Apfel / mit dem Wurm / hat er mich / eines Tages / vielleicht / zum Fressen / gern". Eine der neuen Domänen Wirzscher Lyrik ist das Gedicht von epigrammatischer oder aphoristischer Kürze. So werden sprichwortartige Redewendungen durch Verkehrung verfremdet: "Aus jedem Elefanten / mache ich eine Mücke / die sticht / außer sich / drauflos." "Mit der Feder der Nachtigall / lassen sich heute keine Bestseller / mehr schreiben." Dieser Erkenntnis folgt der Seitenhieb auf den anachronistischen Kollegen, der sich dem Internetanschluss verweigert und immer noch auf alte Weise den Mond bedichtet. Aber Wirz argumentiert nicht eindimensional und bedenkt, dass eine Flucht ins Internet Symptom für das sein kann, was dieser Aphorismus andeutet: "Weil wir wissen / dass unser Ende / mit dem Anfang / beginnt / wissen wir / dazwischen / nichts / mit uns / anzufangen." (Mario Wirz: "Vorübergehend unsterblich". Gedichte. Aufbau Verlag, Berlin 2010. 160 S., geb., 17,95 [Euro].) WHi
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mit Mario Wirz (geboren 1956) verlor das Theater einen Mann an die Literatur. Außer Erzählungen erschienen von ihm mehrere Gedichtbände. Im neuen, "Vorübergehend unsterblich", probiert er schon einmal die Rolle des Klassikers. In seinem Element ist er, wenn seine Lyrik kleine Szenen arrangiert. Die halbnackten Bauarbeiter, die er in der Frühe vor seinem Schlafzimmerfenster entdeckt, werden ihm für einen Moment lang zu fensterlnden Burschen des bayerischen Heimatfilms. Der ehemalige Schauspielerberuf, mit dem immer neuen Wechsel der Rollen, hat für Identitätsprobleme besonders empfänglich gemacht. Und kein Wunder, dass der Bühnenerprobte im Naturschauspiel der im Meer untergehenden Sonne das Theatralische wahrnimmt. In nicht eben neuer Typologie, aber mit neuen poetischen Bildern führt sich das Ich dieser Sammlung ein, in der Rolle des Nomaden, als Treibgut, als heimatlos: "Mit den Wolken / heimwärts / für einen Schlaf / Ankunft überall". Als hintergründig enthüllt sich die Sprache im Gedicht "Revanche": "Teile ich / jetzt und hier / meinen Apfel / mit dem Wurm / hat er mich / eines Tages / vielleicht / zum Fressen / gern". Eine der neuen Domänen Wirzscher Lyrik ist das Gedicht von epigrammatischer oder aphoristischer Kürze. So werden sprichwortartige Redewendungen durch Verkehrung verfremdet: "Aus jedem Elefanten / mache ich eine Mücke / die sticht / außer sich / drauflos." "Mit der Feder der Nachtigall / lassen sich heute keine Bestseller / mehr schreiben." Dieser Erkenntnis folgt der Seitenhieb auf den anachronistischen Kollegen, der sich dem Internetanschluss verweigert und immer noch auf alte Weise den Mond bedichtet. Aber Wirz argumentiert nicht eindimensional und bedenkt, dass eine Flucht ins Internet Symptom für das sein kann, was dieser Aphorismus andeutet: "Weil wir wissen / dass unser Ende / mit dem Anfang / beginnt / wissen wir / dazwischen / nichts / mit uns / anzufangen." (Mario Wirz: "Vorübergehend unsterblich". Gedichte. Aufbau Verlag, Berlin 2010. 160 S., geb., 17,95 [Euro].) WHi
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»Von den unterm Unstern ihrer Krankheit Schreibenden ist Mario Wirz einer der Tapfersten und zu Recht Bewunderten... Es sollte nicht wundern, käme der Autor bald im Haiku an. In dessen Vorhof befindet er sich schon, mit seiner lebensphilosophisch tiefen, staunbereiten und warmherzigen Schlichtheit.« Richard Pietraß Der Tagesspiegel 20110529