Als ersten Satz lese ich: „Der Markt ist kein Modellgeber der Demokratie.“ Prof. Korte korrigiert von dieser Metaebene in die soziale Marktwirtschaft und am besten sei der Wochenmarkt als Vergleichsmaßstab zu betrachten. Weil dort Gespräche stattfinden würden. Er sei ein gelerntes Forum der
Begegnung und des Austauschs, ein Modellgeber für Demokratie. Aktuell höre ich dort allerdings nur Hinweise…mehrAls ersten Satz lese ich: „Der Markt ist kein Modellgeber der Demokratie.“ Prof. Korte korrigiert von dieser Metaebene in die soziale Marktwirtschaft und am besten sei der Wochenmarkt als Vergleichsmaßstab zu betrachten. Weil dort Gespräche stattfinden würden. Er sei ein gelerntes Forum der Begegnung und des Austauschs, ein Modellgeber für Demokratie. Aktuell höre ich dort allerdings nur Hinweise auf zu hohe Preise und eine hohe Unzufriedenheit mit ideologisch motivierten Politikern. Auch sehe ich, dass immer weniger Menschen auf die romantischen Wochenmärkte in Innenstädten gehen, sondern beim Discounter einkaufen müssen.
Im Buch erfahren wir Grundlegendes zur Wähler und Wahlforschung, Zielgruppen, Motivationen usw. - sehr gut und verständlich aufbereitet. Dem Deutschen ist alles Polarisierende fremd, er strebt zum mittigen Ausgleich, so könne man ganz allgemein sagen. Faktoren für die Wahlentscheidung sind u.a.:
Parteipräferenzen
Wirtschaftliche Faktoren
Soziale und demographische Faktoren
Medienpräsenz
Aktuelle Ereignisse
Regierungspolitik
Mir fehlen hier kulturell-religiöse Aspekte, die m.E. heute ganz wesentlich zu Wahlentscheidungen beitragen.
Fast die Hälfte aller Wähler hat 2021 per Briefwahl abgestimmt, ein Verhalten, das Korte eher kritisch sieht: „Die Urnenwahl sichert die Grundsätze der Allgemeinheit und des Geheimen.“ Um dies sicherzustellen, müsste der Zeitraum der Briefwahl deutlich verkürzt werden.
Der deutsche Wähler ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern deutlich sicherheits- und stabilitätsorientierter, fasst Korte zusammen und skizziert die aktuelle Parteienentwicklung bis hin zum neuen BSW.
Wir leben in einem Zeitalter des Gewissheitsschwunds und müssen auch in Deutschland mit geänderten Parteienlandschaften leben lernen. „Als Unmutsaufsauger profitiert die AfD von diffusen Ängsten der Entgrenzung und Entsicherung, wie sie mit der Modernisierung von Gesellschaften einhergehen. Das Unbehagen richtet sich gegen kulturelle Entfremdung.“ Ich würde hier allerdings nicht von diffusen Ängsten, sondern sehr konkreten Tatsachen reden, die man beobachten kann. Aber eben auch ausführlich studieren sollte, wie z.B. Frauen im Islam behandelt werden. Ilhan Arsel, ein türkischer Verfassungsrechtler, hat hier ein wichtiges Buch geschrieben: „Frauen sind Eure Äcker.“
Dass die AfD mit Fake-News vorgeht, wäre mir zudem neu. Sie sei ein populistischer Volksbelauscher, schreibt Korte. Ist das nicht jede Partei? Korte bleibt in diesem Bereich so vage wie alle Altparteien, nur keine Diskussion über kulturell-religiöse Unpässlichkeiten. Hier stochert dieses Buch im Nebel, schade, denn es war in weiten Teilen lesbar, hier wird es schwammig und ausgrenzend.
Man lese zum Beispiel das laut: „Die Dynamik der AfD ist schwer einzuschätzen. Aber viele Wähler finden sich auch dort, weil dort offenbar alles ausgesprochen wird, was sie selbst bedrückt und weil sie gleichermaßen auch alles verstehen, was dort propagiert wird. Diese Erfolgsformel von Populisten muss man nicht imitieren, aber strukturell verstehen.“ Am Ende setzt Korte sogar diesen Satz: „Es gibt viele Auswege, um den Durchmarsch von Demokratieverächtern zu verhindern.“
Mein Gefühl ist, dass der Wochenmarkt keine gute Metapher für Demokratieausformung ist. Dort scheinen nur noch die oberen Gesellschaftsschichten mit hohem Einkommen zu verkehren, die weniger von der Inflation betroffen sind. Und die sich weitgehend einig sind in ihrem Demokratieverständnis bzw. der Ausgrenzung von Demokratieverächtern wie oben von Korte skizziert. Vielleicht sollte das nächste Buch nicht den Wochenmarkt-Diskussionskreis zum Vorbild nehmen, sondern Menschen, die beim Discounter einkaufen müssen.