Kirchliche Ehenichtigkeitsprozesse bieten nach der Ansprache von Papst Johannes Paul II. an die Richter der Rota Romana vom 18. Januar 1990 den "besten Weg zur Lösung von für die Kirche sehr wichtigen Fragen". Gleichzeitig lösen sie aber nicht selten bei Betroffenen großes Unbehagen aus: Zu langsam, immenser Aufwand, kaum zumutbar, beantworten nicht die Fragen der Leute etc. Hinzu kommen anscheinend antiqiuerte Verfahrensmodalitäten wie Schriftlichkeit, kommissarische Vernehmungen, Urteilsfällung auf Aktenbasis, Bindung des Richters durch gesetzliche Beweisregeln, um nur einige zu nennen. Die Arbeit bietet eine Darstellung der wichtigsten Aspekte des kodikarischen Prozessrechts für das ordentliche Ehenichtigkeitsverfahren, das den Anspruch erhebt, ein wahres und gerechtes Urteil zu ermöglichen. Die Untersuchung schließt eine wissenschafftliche Lücke und behebt das Desiderat einer Überprüfung der Passgenauigkeit des kodikarischen Prozessrechts auf das Ehenichtigkeitsverfahren. Sie beleuchtet zunächst die richterliche Entscheidungsfindung in ihrer geschichtlichen Entwicklung und deren erkenntnistheoretische Dimension. In sachlicher Hinsicht kommen bei der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit sodann nützliche Verfahrensgrundsätze und Maßnahmen zur Sprache, aber auch kontraproduktive oder fehlende Regelungen im Recht. Die richterliche Entscheidungsfindung hat freilich auch eine personale Dimension, die als Pflicht zur Wahrhaftigkeit der Aussagenden ebenso thematisiert wird wie unter dem Stichwort Glaubhaftigkeitsbeurteilung. Zur sachgerechten Würdigung einer Aussage als der Grundlage jeder richterlichen Überzeugungsbildung liefert die Studie unter Heranziehung der Erkenntnisse der Aussagenforschung eine integrative Kriteriologie, die mitunter in deutlichem Kontrast steht zur Praxis der kirchlichen Richter in Deutschland, die anhand einer empirischen Umfrage erhoben wurde.
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