Walter Ulbricht ging in die deutsch-deutsche Geschichte, ja sogar in die Weltgeschichte als der Mann ein, der die Berliner Mauer hat bauen lassen. Doch über seine Biografie, sein Privatleben, seine Kindheit war bislang so gut wie gar nichts bekannt. Wer war der Mann, dessen berühmtester Satz wohl in
jedem deutschsprachigen Geschichtsbuch zu finden ist? Und wer ist die Familie hinter diesem Mann?…mehrWalter Ulbricht ging in die deutsch-deutsche Geschichte, ja sogar in die Weltgeschichte als der Mann ein, der die Berliner Mauer hat bauen lassen. Doch über seine Biografie, sein Privatleben, seine Kindheit war bislang so gut wie gar nichts bekannt. Wer war der Mann, dessen berühmtester Satz wohl in jedem deutschsprachigen Geschichtsbuch zu finden ist? Und wer ist die Familie hinter diesem Mann? Florian Heyden gibt Antworten in seinem Buch "Walter Ulbricht - Mein Urgroßvater".
Nach dem vor allem durch die Süddeutsche Zeitung bekannt gewordenen Streit mit dem ersten Verlag konnte Heyden das Buch nun endlich nach seinen Vorstellungen herausbringen und erläutert diese glaubhaft im "Vorwort zur Neuauflage". Im anschließenden Prolog werden die Beweggründe Heydens, überhaupt dieses Buch geschrieben zu haben, noch deutlicher. Das "gut gehütete" Familiengeheimnis "Walter Ulbricht", über das nicht gesprochen werden sollte, nicht gesprochen werden durfte und doch zeitweise wie ein Schatten über dieser Familie lag. Es ist ein bemerkenswert ehrlicher Prolog, so berührend wie offenherzig und emotional. Umso bedauerlicher erscheint es, dass Florian Heyden diese Emotionalität im Buch selbst so gut wie möglich verstecken will. Dabei handelt es sich doch um so viel mehr als ein gewöhnliches Sachbuch.
"Walter Ulbricht - Mein Urgroßvater" liest sich in den erklärenden Texten nahezu emotionslos, fast nüchtern. Die Ereignisse und Figuren aus Walter Ulbrichts Leben rauschen an den Leser:innen vorbei, man nimmt sie wahr, doch im nächsten Moment sind sie schon wieder verschwunden. Man muss die emotionalen Stellen, die im Prolog noch so deutlich werden, förmlich mit der Lupe suchen. In einer Bildunterschrift auf S. 392 bezeichnet Heyden seinen Urgroßvater als "emsigen Einheitsapostel", an anderer Stelle macht der Autor deutlich, dass Ulbricht die Partei immer näher war als die eigene Familie. Dann gibt es wiederum Passagen, in denen Heydens Respekt vor Walter Ulbricht erkennbar ist - vor diesem Mann, der sich auch als Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus auszeichnete und als Kommunist oder Sozialist nahezu ständig behördlicher Verfolgung ausgesetzt war. Doch leider gibt es diese Stellen zu selten.
Umso erfrischender und erhellender wirken im Kontrast dazu die Originalquellen, die den Menschen Walter Ulbricht mit all seinen Stärken und Schwächen präsentieren. Die jugendlichen Klagen darüber, "nur ein Prolete" zu sein, ein zärtlich-verspielter und liebevoller Brief an die Tochter, dazu die Fotos, die Walter Ulbrichts Leben von früher Kindheit an begleiten - hier beweist der Autor, welch großes Potenzial dieses Buch hat und wie spannend es ist, seinem Urgroßvater zu folgen. Ein besonders beeindruckendes Bild zeigt Walter Ulbricht als jungen Sozialdemokraten am Vorabend des Ersten Weltkriegs. "Gebildet, kultiviert und selbstbewusst", urteilt Heyden und verlässt hier noch einmal die ansonsten vorherrschende Nüchternheit.
Leider weist das Buch jedoch auch formale Mängel auf. Zwingend fehlt ein Namensregister, denn es tauchen so viele Personen auf, dass ich mich manchmal fragte, wer denn nun beispielsweise "Jacob Herzog" nun wieder ist und ich erst mühsam zurückblättern musste, um in ihm einen Jugendfreund Walters wiederzuerkennen. Die textlich so beeindruckenden "Familienerinnerungen im Besitz des Autors" werden nicht näher erläutert, so dass ich manchmal nicht einmal wusste, von wem das Zitat gerade stammt. Historische Figuren werden zudem zu häufig als bekannt vorausgesetzt. Vielleicht kann man als Autor erwarten und hoffen, dass wirklich ein jeder Leser gleich weiß, wer bei der Ersterwähnung mit "Liebknecht" gemeint ist, doch man kann es eben nicht voraussetzen. Hier hätte Florian Heyden häufiger eine kurze Erläuterung und in jedem Fall bei der Ersterwähnung den Vornamen verwenden müssen.
Dennoch ist "Walter Ulbricht - Mein Urgroßvater" ein lesenswertes Buch geworden. Vor allem die erwähnten Originalzitate und Fotos, aber auch