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Gertrude Clärenore Schmidt ist seit hundert Jahren mit Jacek Wozniak liiert, dem vielleicht ältesten weißen Mann auf Erden. Ihr Weg hat beide um die Welt geführt bis ins französische Clisson, wo das eigenartige Paar von Geschichten eingeholt wird, die lange vor ihnen die Menschen bewegt haben. Starke Frauen spielen darin mit, etwa Jehanne d'Arc und Jeanne de Belleville, eine blutrünstige Piratin. Ein Roman wie ein Paralleluniversum, in dem womöglich andere Naturgesetze gelten, eine menschliche Komödie voller Witz und Wehmut, in der alles sich um die Liebe dreht in ihren vielfältigen Spielarten.…mehr

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Produktbeschreibung
Gertrude Clärenore Schmidt ist seit hundert Jahren mit Jacek Wozniak liiert, dem vielleicht ältesten weißen Mann auf Erden. Ihr Weg hat beide um die Welt geführt bis ins französische Clisson, wo das eigenartige Paar von Geschichten eingeholt wird, die lange vor ihnen die Menschen bewegt haben. Starke Frauen spielen darin mit, etwa Jehanne d'Arc und Jeanne de Belleville, eine blutrünstige Piratin. Ein Roman wie ein Paralleluniversum, in dem womöglich andere Naturgesetze gelten, eine menschliche Komödie voller Witz und Wehmut, in der alles sich um die Liebe dreht in ihren vielfältigen Spielarten.

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Autorenporträt
Helmut Krausser, geboren 1964 in Esslingen, schreibt Romane, Erzählungen, Lyrik, Tagebücher, Hörspiele, Theaterstücke, Drehbücher und komponiert Musik. Von ihm erschienen u.a. die Romane »Fette Welt« (1992), »Melodien oder Nachträge zum quecksilbernen Zeitalter« (1993), »Thanatos« (1996), »Der große Bagarozy« (1997), »UC (Ultrachronos« (2003), »Eros« (2006), »Die kleinen Gärten des Maestro Puccini« (2008), »Einsamkeit und Sex und Mitleid« (2009), »Die letzten schönen Tage« (2011), »Alles ist gut« (2015), »Geschehnisse während der Weltmeisterschaft« (2018), »Trennungen. Verbrennungen« (2019) und zuletzt »Für die Ewigkeit. Die Flucht von Cis und Jorge Jega« (2020) sowie der Lyrikband »Glutnester« (2021). Mehrere seiner Bücher wurden verfilmt und seine Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Er lebt in Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Emilia Kröger ist irritiert über das große Lob, das Helmut Kraussers neuer Roman von Daniel Kehlmann in der Zeit erntete. Denn sie selbst kann sehr wenig mit Kraussers verschrobener Mischung aus Liebesgeschichte, Phantastik und Historie anfangen, wie sie deutlich zu verstehen gibt. Ein Liebespaar aus zwei Historiker*innen, Jacek und Trudi, die magische Kräfte haben und sich halbwissenschaftlich mit Jeanne d'Arc und Jeanne de Belleville auseinandersetzen - das funktioniert für die Kritikerin eigentlich auf keiner Ebene: Für eine "lesenswerte" Liebesgeschichte ist ihr das Gefälle in der Beziehung der beiden Figuren zu  groß - Jacek gebe nur chauvinistische Kommentare von sich, Trudi dürfe darüber genervt hinwegsehen -, die magischen Passagen geraten trotz ausdrücklicher Abgrenzung von Esoterik-Broschüren zu vagem Gefasel, und zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den beiden Jeannes kommt es im Grunde auch nicht, kritisiert sie. Wobei Kröger die Passagen zur "Quellenforschung und Mythenbildung" noch für die stärksten des Romans hält. Insgesamt aber scheint ihr der Roman mit seinen "mauen Gags" und der "altbackenen" Sprache und Geschlechterhierarchie wie "aus der Zeit gefallen".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.12.2022

Die Sache mit Jeanne

Geschichtswissen, Magie und ständiges Zwinkern: Helmut Krausser nähert

sich französischen

Schwertschwingerinnen.

Zum Faszinosum der Literatur gehört, dass jede Person Romane anders liest und wahrnimmt. Diese Binsenweisheit kann allerdings noch immer für Überraschungen sorgen, wenn die Lücke, die zwischen den Leseempfindungen klafft, so groß ist, dass man kurz zweifelt, dasselbe Buch gelesen zu haben. So ging es mir auch bei Helmut Kraussers neuem Roman "Wann das mit Jeanne begann", der von Daniel Kehlmann in der "Zeit" in den höchsten Tönen gelobt wurde. Kehlmann schwärmt von einer "spielerischen Leichtigkeit" und "eigentümlichsten Heiterkeit", die im Kontrast zur Komplexität der Handlung stehe, sodass der Versuch einer Zusammenfassung gar nicht lohne. Dabei liegt in seiner Rezension bereits eine treffende Verknappung in nur zwei Wörtern vor: "Geschichtswissen und Magie". Zwar bezieht Kehlmann sie auf Kraussers Roman "Melodien", aber auch "Wann das mit Jeanne begann" beschreiben sie treffend.

Kraussers neuester Roman handelt von dem Paar Jacek Wozniak und Gertrude Clärenore Schmidt, die historischen Relikten und Quellen zu Je(h)anne d'Arc aus dem Hoch- und Jeanne de Belleville aus dem Spätmittelalter nachspüren; in der Doppelbelegung des Namens ist schon das erste Zwinkern versteckt, das auf den Umgang des Romans mit historischen Gegebenheiten hinweist. Während diese Passagen - die auch Themen wie Quellenforschung und Mythenbildung streifen - die Stärken des Romans bilden, verweist der Teil der "Magie" auf die Schwächen. Jacek und Trudi sind "Levitierte" (so die favorisierte Selbstbezeichnung, denn Magier sei ein "diffuser und missbrauchter" Begriff) und können deswegen ihrer Forschung nicht nur in Archiven nachgehen, sondern auch in "Zeitentaumeln" und Traum-Palästen. Obwohl sich beide Hauptfiguren in Bezug auf ihre Magie von "esoterischen Schwachsinnbroschüren" abgrenzen wollen, erwecken die seitenlangen und trotzdem vagen Ausführungen über ihre Fähigkeiten den Eindruck, dass sie ebensolchen Broschüre entspringen könnten: Zeit und Raum gelte es als "keine unüberwindbaren Klötze am Bein" zu begreifen und der Rest belaufe sich auf alte, vergilbte Rezepturen, die "Sekret aus Warzendrüsen von Kröten" enthalten. Auch die häufigen Vergleiche mit Rauscherfahrungen helfen da leider kaum, die magischen Talente von Trudi und Jacek greifbarer zu gestalten.

Als wäre die Herausforderung eines solchen historischen Romans, der durch die phantastischen Elemente seine eigenen Regeln außer Kraft setzt, nicht groß genug, möchte er auch noch von Liebe erzählen. Eigentlich möchte er sogar hauptsächlich von Liebe erzählen - so wie Krausser es auch in seinen beiden vorigen Romanen "Trennungen. Verbrennungen" (2019) und "Geschehnisse während der Weltmeisterschaft" (2018) getan hat. Dabei wirkt es so, als würde Liebe in "Wann das mit Jeanne begann" zwar im Zentrum stehen, sich aber immer wieder verstecken zwischen seitenlangen Zeugenprotokollen aus mittelalterlichen Gerichtsverfahren von Je(h)anne d'Arc, Traumansprachen der Jeanne de Belleville oder Ausführungen zum Magiertum.

Wenn die Liebe als "mächtigste Zauberformel" die Pointe darstellen soll, dann ist sie zudem leider etwas verfehlt, denn die beiden sich liebenden Hauptfiguren bestehen aus einer Ansammlung von Klischees. Das drückt sich schon in der Beschreibung von Jacek als "dem vielleicht ältesten weißen Mann auf Erden" aus. Diese auf dem Klappentext und auch von Krausser selbst verwendete Bezeichnung bezieht sich darauf, dass Jacek aufgrund seiner magischen Fähigkeiten schon seit ungefähr 200 Jahren am Leben ist. Aber obwohl er sich in dieser Zeit fast ausschließlich mit dem Anhäufen von Wissen beschäftigt hat und inzwischen auch im Jahr 2005 lebt - wechselt er zwischen diskriminierenden Ausdrücken und Verhalten hin und her, als spiele er "alter weißer Mann-Bingo": Die Nicht-Magier sind "Behinderte", wenn Trudi ihm nicht folgen kann, fragt Jacek, ob sie "eine lateinschwache Putzhilfe" sei. Jede unbekannte Frau wird zuerst nach ihrer Attraktivität bewertet. Trudi springt zwar teilweise halbherzig korrigierend ein, allerdings nur, damit diese Form der political correctness ins Lächerliche gezogen werden kann: "Trudi sagt, ich soll nicht länger Behinderte sagen, sondern Anderstalentierte. Wie auch immer." Darüber hinaus beschränkt sich Trudis Figur darauf, Jaceks Art zu legitimieren und ihre eigene Verletztheit beziehungsweise Genervtheit mit Coolness zu überspielen: "Ich setzte meine Kopfhörer auf und rauchte eine."

Dass diese beiden eine gelinde gesagt schwierige Beziehung führen, ergibt sich aus der Figurenkonstellation: Es gibt ständig Machtkämpfe, Trudi ist beispielsweise eifersüchtig, wenn Jaceks Besessenheit von den beiden Jeannes allumfassend wird. Allerdings zeichnen auch die positiven Beziehungsmomente der beiden kein modernes, feministisch-gleichwertiges oder schlichtweg lesenswertes Bild von Liebe - ihre Sexualität begrenzt sich beispielsweise auf Sätze wie: "Jacek bestieg mich in der Nacht, während ich schlief."

Wenn es für sie brenzlig wird, greifen beide Figuren auf ihren Humor zurück, und dies lässt sich möglicherweise auch als Stilprinzip des Romans begreifen: Witze auf Kosten sensibler Sprache, wie eine spöttisch verwendete Triggerwarnung, sind zwar milder als direkte Kritik; von ihnen geht aber eine ähnliche Wirkung aus wie von den mauen Gags, die sich ansonsten im Roman finden. Die Sprache der Figuren beschreibt sie schon selbst als "altbacken", und dieser Stil passt in gewisser Weise auch zu Jacek. In Kombination mit dem inhaltlichen Mix aus Historie, Phantastik und Liebe führt es dazu, dass Kraussers Roman aus der Zeit gefallen wirkt. Die Beschäftigung mit historischen Figuren, die weiblich sind, ein Schwert schwingen und lustigerweise denselben Vornamen tragen, könnte durchaus lohnend sein, allerdings müsste dem für die Gegenwart mehr abgewonnen werden können als kulturpessimistische Seitenhiebe. EMILIA KRÖGER

Helmut Krausser:

"Wann das mit Jeanne begann". Roman.

Berlin Verlag,

Berlin 2022.

384 S., geb., 25,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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