Warum führen Menschen Krieg gegeneinander? Was lässt sich dafür tun, dass sie ihre Rivalitäten friedlich austragen? Und wenn es doch zu einem gewaltsamen Konflikt gekommen ist – welche Auswege gibt es? Mit diesen Fragen setzt sich Christopher Blattman auseinander. Er hat Kriege und Bürgerkriege untersucht, sich mit Drogenkartellen, Straßengangs, Fußballhooligans, Mafiaorganisationen und Fanatikern beschäftigt.
Sein Buch ist die Summe jahrzehntelanger Forschungen sowie praktischer Erfahrungen in Krisengebieten. Er zeigt, dass Menschengruppen ihre Konflikte in aller Regel friedlich lösen – und Gesellschaften dies fördern können. Zu Kriegen kommt es aus fünf Gründen, und auch dann gibt es konkrete Schritte, um die Kontrahenten zu einem Kompromiss zu bewegen. Ein ebenso optimistisches wie realistisches Buch.
»Blattman bietet eine enorm wichtige neue Perspektive auf Konflikte.«
Roger Myerson, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften
Sein Buch ist die Summe jahrzehntelanger Forschungen sowie praktischer Erfahrungen in Krisengebieten. Er zeigt, dass Menschengruppen ihre Konflikte in aller Regel friedlich lösen – und Gesellschaften dies fördern können. Zu Kriegen kommt es aus fünf Gründen, und auch dann gibt es konkrete Schritte, um die Kontrahenten zu einem Kompromiss zu bewegen. Ein ebenso optimistisches wie realistisches Buch.
»Blattman bietet eine enorm wichtige neue Perspektive auf Konflikte.«
Roger Myerson, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensent Thomas Speckmann empfiehlt die Überlegungen des Politikwissenschaftlers Christopher Blattman zu den Möglichkeiten des Erlangens von Frieden in Kriegszeiten und besonders in der Ukraine. Mit Karl Popper erkennt der Autor laut Speckmann die Notwendigkeit eines "trial and error" im Namen des Friedens, das Ideen und Regeln ausprobiert, die schlechten verwirft und die guten etabliert. Vorausgesetzt wird hier die Vorstellung starker Anreize für den Frieden auf beiden Seiten, so Speckmann. Ein Standardverfahren jedoch gibt es nicht, lernt er.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.07.2023Häppchen angelesenen Wissens
Zwei Bücher über den Krieg als solchen. Auch nach Lektüre weiß man nicht, warum die Menschheit es weiterhin nicht schafft, friedlich miteinander auszukommen.
Die These, wir sollten Kriegen weniger Interesse entgegenbringen, muss im Lichte der Geschehnisse in der Ukraine irritieren. Sie ist die Ausgangsüberlegung von Christoper Blattmans neuem Buch, dessen Manuskript er vor dem russischen Einmarsch ins Nachbarland abgeschlossen hat. Die Schrift des kanadischstämmigen Politik- und Wirtschaftswissenschaftlers, der an der Universität Chicago Global Conflict Studies lehrt, wirkt gleichwohl nicht heillos veraltet. Das liegt wesentlich daran, dass in ihr ein grundsätzliches Argument entfaltet wird, ohne konkreten historischen oder gegenwärtigen Szenarien gesteigerte Aufmerksamkeit zu schenken. In dieser Schwerpunktsetzung liegen Stärke und Schwäche des Bandes zugleich. Einerseits präsentiert Blattman ein allgemeines Angebot zur Typologisierung von Gründen, die gewaltsam ausgetragene Konflikte begünstigen oder vermeiden helfen, andererseits wirkt sein breitflächiger Ansatz, sobald man Einzelfälle genauer betrachtet, häufig allzu schematisch und grobkörnig.
Blattman hält Kriege für Ausnahmephänomene, die übermäßig viel Beachtung fänden. Der Regelfall bestehe in Antagonismen, die nicht zum langfristigen Gewaltausbruch führen. Feinde zögen es stattdessen vor, so pointiert er seine Überlegung, "einander in Frieden zu verabscheuen". Frieden hält der Konfliktforscher mithin für eine überaus belastbare Angelegenheit. Es gelte daher, nicht nur die blutigen Auseinandersetzungen in Betracht zu ziehen, sondern auch jene viel häufigeren fragilen Zustände, die friedlich blieben. Der "feindselige Friede" werde Kriegen, die stets kostspielig und ruinös seien, häufiger als gedacht vorgezogen. Die Auffassung, Kriege könnten Gesellschaften auch Vorteile bringen, zählt Blattman zu den "gefährlichen Mythen". Normative Argumente spart er aber überwiegend aus. Einem spieltheoretischen Ansatz verpflichtet, sucht er das mehr oder weniger rationale Entscheidungsverhalten in Konfliktsituationen zwischen verschiedenen Akteuren zu taxieren.
Die beiden Hauptteile des Buches sind den Leitfragen gewidmet: Was sind die Wurzeln des Krieges? Und was befördert Frieden? Im ersten Fall stellt Blattman fünf Ursachen heraus, zuerst unkontrollierte Interessen, verfolgt von Führungskräften, die nicht rechenschaftspflichtig seien und sich nur wenig um die Kosten des Krieges scheren müssten. Das trifft insbesondere auf personenzentrierte Diktaturen und Militärjuntas zu, weniger auf Demokratien und institutionalisierte Autokratien. An zweiter Stelle folgen immaterielle Anreize und ideologische Motive, die von persönlichem Ruhm, Statusgewinnen und Rachsucht bis zu imperialen Obsessionen reichen könnten. Drittens nennt er die Ungewissheit, schließlich sei es eine vertrackte Angelegenheit, die relative Stärke der (potentiellen) Kombattanten ebenso wie Kosten und Nutzen eines Krieges adäquat abzuschätzen. Damit einher gehen viertens Wahrnehmungsfehler - bezogen sowohl auf den Gegner als auch auf die eigene Lage - wie auch fünftens Commitment-Probleme, die im Misstrauen zum Ausdruck kommen, sich auf eine Friedensregelung des Status quo verlassen zu können. Dies treibe dazu an, sich präventiv einen Vorteil sichern zu wollen, solange dies noch möglich erscheint. In diesem Zusammenhang zitiert Blattman ein altes irakisches Sprichwort, demzufolge es ratsam sei, den Feind bereits zum Mittagessen zu verspeisen, wolle man diesem nicht selbst zum Abendessen serviert werden.
Mit Blick auf die zweite Leitperspektive nennt Blattman vier Merkmale, die der Eskalationsvermeidung und -eindämmung dienen. Dazu zählen Interdependenz, also wirtschaftliche, soziale und kulturelle Verflechtungen zwischen potentiell verfeindeten Parteien, sowie Gewaltenteilung und -kontrolle, durch die Machthaber zu rechenschaftspflichtigen Entscheidungsträgern werden. Hinzu kommen Regelwerke, durchgesetzt mithilfe institutionalisierter Mechanismen, sowie Interventionen als Mittel, um Gewaltausbrüche rasch zu sanktionieren und zu stoppen. Auf internationaler Ebene nennt Blattman die nicht perfekten, insgesamt aber wirksamen Friedensmissionen der Vereinten Nationen.
Führt er Beispiele an, um sein Sortierangebot der bloßen Theorie zu entheben, agiert der Autor überaus freigiebig. Er widmet sich dabei nicht notwendigerweise zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen, sondern fasst seinen Kriegsbegriff weit. So bezieht Blattman Bürgerkriegsszenarien in Liberia ebenso in seinen Rundumschlag ein wie Krawalle englischer Hooligans oder das Kräftemessen von Straßengangs in Chicago und Drogenkartellen in Medellín. Das "Schachbrettmuster aus verfeindeten Combos" dieser kolumbianischen Stadt, behauptet er, "ist eine Art Sinnbild für unsere Welt im Allgemeinen". Solche Analogien wirken etwas leichthändig gewählt, die Vermengung von Gewaltdynamiken organisierter krimineller Gruppen, Bandenführer und randalierender Fußballfans mit Auswüchsen des Zweiten Weltkriegs mutet sogar skurril an.
Angesichts des generalisierenden Anspruchs springt der Autor auf der Suche nach Illustrationen von der Antike bis in die Moderne und zwischen den verschiedenen Weltgegenden munter umher. Mitunter ist es regelrecht enervierend, wenn Blattman im lockeren Plauderton Häppchen angelesenen Geschichtswissens seinen modellhaften Vorstellungen zuordnet, um sie plastischer erscheinen zu lassen. Sein mal aus eigener Anschauung, mal aus vielfältiger Literatur gewonnener Episodenvorrat wirkt unerschöpflich, trägt aber selten zu tieferem Verständnis konkreter Kriegssituationen, ihrer spezifischen Konstellationen und Kontexte bei. "Wir sollten uns die Fälle nicht nach Lust und Laune herauspicken", heißt es an einer Stelle - ohne dass Blattman die eigene Mahnung strikt befolgt hätte.
Sein Punktemodell mag anregend sein, um das Krieg-Frieden-Tableau zu ordnen. Den überzeugenden Beweis, dass dieses reduktionistisch daherkommende Erklärungsmuster sich empirisch-historisch als tragfähig erweist, bleibt Blattman allerdings schuldig. Im Angesicht dieses großen, letztlich uneingelösten Anspruchs wirkt es sympathisch, wenn er anstelle holistischer Vorstellungen zum Weltfrieden abschließend für eine ebenso langwierige wie "kleinschrittige Friedenspolitik" plädiert.
Der in Freiburg lehrende Schweizer Philosoph Andreas Urs Sommer liebt demgegenüber durchweg die große Geste. Er nennt Krieg "Möglichkeitsvernichtung", während liberale Demokratien eine "Möglichkeitskultur" eröffneten. Beides steht mithin im Widerspruch zueinander. Und doch will Sommer vom Krieg, konkret: dem Ukrainekrieg, einen positiven Effekt für unsere "Selbstbefragungsgesellschaften" ableiten. Sie, ja "wir" in ihnen sollen - Sommer appelliert an "uns" - darüber nachdenken, wie eine Demokratie aussehen kann, die zu verteidigen sich lohnt und die eine beachtliche Ausstrahlungskraft auf nichtdemokratische Gesellschaften ausübt.
Der meinungsfreudige Autor findet unsere "halb fertigen" repräsentativen Demokratien nicht richtig schlecht, aber doch stark verbesserungswürdig. Ihm schwebt stattdessen eine direkt-partizipatorische Demokratie vor. Er streitet nicht zum ersten Mal mit großer Verve für dieses Anliegen und bindet es nach "Corona" diesmal an "Krieg", ohne dass dies sein eigentliches Thema wäre. Mit intelligenter, bisweilen witzig formulierter, immer belesener und manchmal nerviger Hartnäckigkeit tritt Sommer für seine Herzensangelegenheit ein. Ob das gefällt, müssen die Leser selbst entscheiden: politisch kompetent und direkt mitwirkend, ganz frei von jeder "Glücksfremdbestimmung", vor der Sommer Seite für Seite warnt. ALEXANDER GALLUS
Christopher Blattman: Warum wir Kriege führen. Und wie wir sie beenden können.
Ch. Links Verlag, Berlin 2023. 544 S., 26,- Euro.
Andreas Urs Sommer: Entscheide Dich! Der Krieg und die Demokratie.
Herder Verlag, Freiburg 2023. 127 S., 16,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zwei Bücher über den Krieg als solchen. Auch nach Lektüre weiß man nicht, warum die Menschheit es weiterhin nicht schafft, friedlich miteinander auszukommen.
Die These, wir sollten Kriegen weniger Interesse entgegenbringen, muss im Lichte der Geschehnisse in der Ukraine irritieren. Sie ist die Ausgangsüberlegung von Christoper Blattmans neuem Buch, dessen Manuskript er vor dem russischen Einmarsch ins Nachbarland abgeschlossen hat. Die Schrift des kanadischstämmigen Politik- und Wirtschaftswissenschaftlers, der an der Universität Chicago Global Conflict Studies lehrt, wirkt gleichwohl nicht heillos veraltet. Das liegt wesentlich daran, dass in ihr ein grundsätzliches Argument entfaltet wird, ohne konkreten historischen oder gegenwärtigen Szenarien gesteigerte Aufmerksamkeit zu schenken. In dieser Schwerpunktsetzung liegen Stärke und Schwäche des Bandes zugleich. Einerseits präsentiert Blattman ein allgemeines Angebot zur Typologisierung von Gründen, die gewaltsam ausgetragene Konflikte begünstigen oder vermeiden helfen, andererseits wirkt sein breitflächiger Ansatz, sobald man Einzelfälle genauer betrachtet, häufig allzu schematisch und grobkörnig.
Blattman hält Kriege für Ausnahmephänomene, die übermäßig viel Beachtung fänden. Der Regelfall bestehe in Antagonismen, die nicht zum langfristigen Gewaltausbruch führen. Feinde zögen es stattdessen vor, so pointiert er seine Überlegung, "einander in Frieden zu verabscheuen". Frieden hält der Konfliktforscher mithin für eine überaus belastbare Angelegenheit. Es gelte daher, nicht nur die blutigen Auseinandersetzungen in Betracht zu ziehen, sondern auch jene viel häufigeren fragilen Zustände, die friedlich blieben. Der "feindselige Friede" werde Kriegen, die stets kostspielig und ruinös seien, häufiger als gedacht vorgezogen. Die Auffassung, Kriege könnten Gesellschaften auch Vorteile bringen, zählt Blattman zu den "gefährlichen Mythen". Normative Argumente spart er aber überwiegend aus. Einem spieltheoretischen Ansatz verpflichtet, sucht er das mehr oder weniger rationale Entscheidungsverhalten in Konfliktsituationen zwischen verschiedenen Akteuren zu taxieren.
Die beiden Hauptteile des Buches sind den Leitfragen gewidmet: Was sind die Wurzeln des Krieges? Und was befördert Frieden? Im ersten Fall stellt Blattman fünf Ursachen heraus, zuerst unkontrollierte Interessen, verfolgt von Führungskräften, die nicht rechenschaftspflichtig seien und sich nur wenig um die Kosten des Krieges scheren müssten. Das trifft insbesondere auf personenzentrierte Diktaturen und Militärjuntas zu, weniger auf Demokratien und institutionalisierte Autokratien. An zweiter Stelle folgen immaterielle Anreize und ideologische Motive, die von persönlichem Ruhm, Statusgewinnen und Rachsucht bis zu imperialen Obsessionen reichen könnten. Drittens nennt er die Ungewissheit, schließlich sei es eine vertrackte Angelegenheit, die relative Stärke der (potentiellen) Kombattanten ebenso wie Kosten und Nutzen eines Krieges adäquat abzuschätzen. Damit einher gehen viertens Wahrnehmungsfehler - bezogen sowohl auf den Gegner als auch auf die eigene Lage - wie auch fünftens Commitment-Probleme, die im Misstrauen zum Ausdruck kommen, sich auf eine Friedensregelung des Status quo verlassen zu können. Dies treibe dazu an, sich präventiv einen Vorteil sichern zu wollen, solange dies noch möglich erscheint. In diesem Zusammenhang zitiert Blattman ein altes irakisches Sprichwort, demzufolge es ratsam sei, den Feind bereits zum Mittagessen zu verspeisen, wolle man diesem nicht selbst zum Abendessen serviert werden.
Mit Blick auf die zweite Leitperspektive nennt Blattman vier Merkmale, die der Eskalationsvermeidung und -eindämmung dienen. Dazu zählen Interdependenz, also wirtschaftliche, soziale und kulturelle Verflechtungen zwischen potentiell verfeindeten Parteien, sowie Gewaltenteilung und -kontrolle, durch die Machthaber zu rechenschaftspflichtigen Entscheidungsträgern werden. Hinzu kommen Regelwerke, durchgesetzt mithilfe institutionalisierter Mechanismen, sowie Interventionen als Mittel, um Gewaltausbrüche rasch zu sanktionieren und zu stoppen. Auf internationaler Ebene nennt Blattman die nicht perfekten, insgesamt aber wirksamen Friedensmissionen der Vereinten Nationen.
Führt er Beispiele an, um sein Sortierangebot der bloßen Theorie zu entheben, agiert der Autor überaus freigiebig. Er widmet sich dabei nicht notwendigerweise zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen, sondern fasst seinen Kriegsbegriff weit. So bezieht Blattman Bürgerkriegsszenarien in Liberia ebenso in seinen Rundumschlag ein wie Krawalle englischer Hooligans oder das Kräftemessen von Straßengangs in Chicago und Drogenkartellen in Medellín. Das "Schachbrettmuster aus verfeindeten Combos" dieser kolumbianischen Stadt, behauptet er, "ist eine Art Sinnbild für unsere Welt im Allgemeinen". Solche Analogien wirken etwas leichthändig gewählt, die Vermengung von Gewaltdynamiken organisierter krimineller Gruppen, Bandenführer und randalierender Fußballfans mit Auswüchsen des Zweiten Weltkriegs mutet sogar skurril an.
Angesichts des generalisierenden Anspruchs springt der Autor auf der Suche nach Illustrationen von der Antike bis in die Moderne und zwischen den verschiedenen Weltgegenden munter umher. Mitunter ist es regelrecht enervierend, wenn Blattman im lockeren Plauderton Häppchen angelesenen Geschichtswissens seinen modellhaften Vorstellungen zuordnet, um sie plastischer erscheinen zu lassen. Sein mal aus eigener Anschauung, mal aus vielfältiger Literatur gewonnener Episodenvorrat wirkt unerschöpflich, trägt aber selten zu tieferem Verständnis konkreter Kriegssituationen, ihrer spezifischen Konstellationen und Kontexte bei. "Wir sollten uns die Fälle nicht nach Lust und Laune herauspicken", heißt es an einer Stelle - ohne dass Blattman die eigene Mahnung strikt befolgt hätte.
Sein Punktemodell mag anregend sein, um das Krieg-Frieden-Tableau zu ordnen. Den überzeugenden Beweis, dass dieses reduktionistisch daherkommende Erklärungsmuster sich empirisch-historisch als tragfähig erweist, bleibt Blattman allerdings schuldig. Im Angesicht dieses großen, letztlich uneingelösten Anspruchs wirkt es sympathisch, wenn er anstelle holistischer Vorstellungen zum Weltfrieden abschließend für eine ebenso langwierige wie "kleinschrittige Friedenspolitik" plädiert.
Der in Freiburg lehrende Schweizer Philosoph Andreas Urs Sommer liebt demgegenüber durchweg die große Geste. Er nennt Krieg "Möglichkeitsvernichtung", während liberale Demokratien eine "Möglichkeitskultur" eröffneten. Beides steht mithin im Widerspruch zueinander. Und doch will Sommer vom Krieg, konkret: dem Ukrainekrieg, einen positiven Effekt für unsere "Selbstbefragungsgesellschaften" ableiten. Sie, ja "wir" in ihnen sollen - Sommer appelliert an "uns" - darüber nachdenken, wie eine Demokratie aussehen kann, die zu verteidigen sich lohnt und die eine beachtliche Ausstrahlungskraft auf nichtdemokratische Gesellschaften ausübt.
Der meinungsfreudige Autor findet unsere "halb fertigen" repräsentativen Demokratien nicht richtig schlecht, aber doch stark verbesserungswürdig. Ihm schwebt stattdessen eine direkt-partizipatorische Demokratie vor. Er streitet nicht zum ersten Mal mit großer Verve für dieses Anliegen und bindet es nach "Corona" diesmal an "Krieg", ohne dass dies sein eigentliches Thema wäre. Mit intelligenter, bisweilen witzig formulierter, immer belesener und manchmal nerviger Hartnäckigkeit tritt Sommer für seine Herzensangelegenheit ein. Ob das gefällt, müssen die Leser selbst entscheiden: politisch kompetent und direkt mitwirkend, ganz frei von jeder "Glücksfremdbestimmung", vor der Sommer Seite für Seite warnt. ALEXANDER GALLUS
Christopher Blattman: Warum wir Kriege führen. Und wie wir sie beenden können.
Ch. Links Verlag, Berlin 2023. 544 S., 26,- Euro.
Andreas Urs Sommer: Entscheide Dich! Der Krieg und die Demokratie.
Herder Verlag, Freiburg 2023. 127 S., 16,- Euro.
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»Ein Buch, das jeder philosophisch Interessierte gelesen habe sollte, der über die Fragen von Krieg und Frieden nachdenkt.« Siegfried Reusch der blaue reiter. Journal für Philosophie 20240415