»Aus Erfahrung gut« - das war ab 1958 der Reklamespruch des Elektrogeräteherstellers AEG. Unternehmen wie Google oder Uber würden mit einem solchen Slogan nie werben, geht es ihnen doch gerade darum, mit der Erfahrung zu brechen und bestehende Geschäftsmodelle aufzumischen: »Disruption«. Wie »Content« oder »Kommunikation« gehört das Konzept zu jenen Motiven, die in Aktionärsprospekten, aber auch in Porträts über Elon Musk, Mark Zuckerberg & Co. häufig bemüht werden. Adrian Daub lehrt in Stanford, kennt die Tech-Branche also aus nächster Nähe. In seinem Essay verfolgt er die Lieblingsideen des Silicon Valley zu Autorinnen wie Ayn Rand, Marshall McLuhan und Joseph Schumpeter zurück und zeigt, dass dabei stets auch die Gegenkultur der sechziger Jahre mitschwingt.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Dass Geisteswissenschaftler sich auf fruchtbare Weise mit Ökonomie befassen können, beweist dem Rezensenten Fred Luks der Literaturwissenschaftler Adrian Daub mit seinem Buch über die Narrative aus dem Silicon Valley. Wie der Autor Begriffe und Slogans der Techbranche historisch kontextualisiert, scheint Luks aufschlussreich, auch wenn der Autor mitunter zu höhnischen Kommentaren neigt und den Erfolg der Branche nicht wirklich zu erfassen vermag, wie der Rezensent findet. Dass Jobs & Co Beckett falsch gelesen haben, ist für Luks nur eine der verblüffenden Erkenntnisse der Lektüre. Der Verzicht auf Kapitalismuskritik tut dem Buch gut, meint er.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.04.2021Das Dauerlob des Scheiterns
Über die Rhetorik des Silicon Valley
"Dieses Buch", so beginnt Adrian Daub seinen Text, "handelt von der Ideengeschichte an einem Ort, der gerne so tut, als hätten seine Ideen keine Geschichte." Diese Geschichte zeichnet er anhand von sieben Zentralbegriffen der "Ideologie der Techbranche" nach: Aussteigen, Inhalt, Genie, Kommunikation, Begehren, Disruption und Scheitern. Daub zeigt überzeugend, dass der Mainstream des Denkens der Technologiebranche keineswegs geschichtslos ist, sondern eine Historie und einen Kontext hat, den es zu betrachten lohnt. Denn so flach die dortige Rezeption von Figuren wie René Girard, Marshall McLuhan, Ayn Rand und Joseph Schumpeter auch ist: Diese Art des Denkens, die von Kalifornien aus buchstäblich die ganze Welt berührt, ist überaus wirkmächtig - und zwar nicht nur ökonomisch, sondern auch kulturell. Begriffe des Techsektors vereinnahmen "unsere kollektive Phantasie".
Daub zeigt anschaulich, wie aufgeblasen und am Ende konventionell die Slogans sind, die in den Wirtschaftsmedien ebenso Verwendung finden wie in Büchern über und von Technologiehelden wie Steve Jobs und Peter Thiel. Die von Daub diagnostizierte "Verachtung für den Inhalt" macht es offenbar leicht, "revolutionär zu sein, ohne irgendwas zu revolutionieren". Das mag eine Unterschätzung der Digitalisierungsindustrie sein, trifft aber mit Blick auf ihre Rhetorik den Nagel auf den Kopf.
So wird deutlich, dass das dauernde Lob des Scheiterns auf einer krassen Fehlinterpretation Samuel Becketts beruht und letztlich auf der Annahme fußt, jedes Scheitern sei nur eine Vorstufe zum strahlenden Erfolg. Genau betrachtet, hat man es hier mit einem reichlich individualistischen "Selbsthilfeethos" und einem "Errettungsnarrativ" zu tun, das seine religiösen Wurzeln kaum verleugnen kann.
Der enorme ökonomische Erfolg des Valleys wird zwar bisweilen etwas höhnisch kommentiert, bleibt aber letztlich unverstanden. Dass der Autor nicht in Wirtschaftstheorie dilettiert, tut dem Buch freilich gut. Auch verzichtet der Literaturwissenschaftler Daub - im Gegensatz zu manch anderen Geisteswissenschaftlern, die über wirtschaftliche Themen schreiben - auf steile antikapitalistische Thesen. Mit dieser Perspektive gelingt ihm ein überaus lesenswertes Buch, das sehr schön zeigt, wie produktiv eine geisteswissenschaftliche Auseinandersetzung mit ökonomischen Themen sein kann.
FRED LUKS
Adrian Daub: Was das Valley denken nennt. Suhrkamp Verlag, Berlin 2020. 159 Seiten, 16 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Über die Rhetorik des Silicon Valley
"Dieses Buch", so beginnt Adrian Daub seinen Text, "handelt von der Ideengeschichte an einem Ort, der gerne so tut, als hätten seine Ideen keine Geschichte." Diese Geschichte zeichnet er anhand von sieben Zentralbegriffen der "Ideologie der Techbranche" nach: Aussteigen, Inhalt, Genie, Kommunikation, Begehren, Disruption und Scheitern. Daub zeigt überzeugend, dass der Mainstream des Denkens der Technologiebranche keineswegs geschichtslos ist, sondern eine Historie und einen Kontext hat, den es zu betrachten lohnt. Denn so flach die dortige Rezeption von Figuren wie René Girard, Marshall McLuhan, Ayn Rand und Joseph Schumpeter auch ist: Diese Art des Denkens, die von Kalifornien aus buchstäblich die ganze Welt berührt, ist überaus wirkmächtig - und zwar nicht nur ökonomisch, sondern auch kulturell. Begriffe des Techsektors vereinnahmen "unsere kollektive Phantasie".
Daub zeigt anschaulich, wie aufgeblasen und am Ende konventionell die Slogans sind, die in den Wirtschaftsmedien ebenso Verwendung finden wie in Büchern über und von Technologiehelden wie Steve Jobs und Peter Thiel. Die von Daub diagnostizierte "Verachtung für den Inhalt" macht es offenbar leicht, "revolutionär zu sein, ohne irgendwas zu revolutionieren". Das mag eine Unterschätzung der Digitalisierungsindustrie sein, trifft aber mit Blick auf ihre Rhetorik den Nagel auf den Kopf.
So wird deutlich, dass das dauernde Lob des Scheiterns auf einer krassen Fehlinterpretation Samuel Becketts beruht und letztlich auf der Annahme fußt, jedes Scheitern sei nur eine Vorstufe zum strahlenden Erfolg. Genau betrachtet, hat man es hier mit einem reichlich individualistischen "Selbsthilfeethos" und einem "Errettungsnarrativ" zu tun, das seine religiösen Wurzeln kaum verleugnen kann.
Der enorme ökonomische Erfolg des Valleys wird zwar bisweilen etwas höhnisch kommentiert, bleibt aber letztlich unverstanden. Dass der Autor nicht in Wirtschaftstheorie dilettiert, tut dem Buch freilich gut. Auch verzichtet der Literaturwissenschaftler Daub - im Gegensatz zu manch anderen Geisteswissenschaftlern, die über wirtschaftliche Themen schreiben - auf steile antikapitalistische Thesen. Mit dieser Perspektive gelingt ihm ein überaus lesenswertes Buch, das sehr schön zeigt, wie produktiv eine geisteswissenschaftliche Auseinandersetzung mit ökonomischen Themen sein kann.
FRED LUKS
Adrian Daub: Was das Valley denken nennt. Suhrkamp Verlag, Berlin 2020. 159 Seiten, 16 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»... ein überaus lesenswertes Buch, das sehr schön zeigt, wie produktiv eine geisteswissenschaftliche Auseinandersetzung mit ökonomischen Themen sein kann.« Fred Luks Frankfurter Allgemeine Zeitung 20210419