»Unverzichtbar für alle, die verstehen wollen, unter welchen Umständen Kunst entsteht oder verhindert wird.« Margaret Atwood
Erstmals auf Deutsch: Anhand verblüffender Aussagen von Schreibenden beleuchtet Tillie Olsen, auf welch vielfältige Weise der schöpferische Geist seit jeher unterdrückt wurde. Neben Schriftstellern wie Melville und Kafka wendet sie sich vor allem Schriftstellerinnen wie Virginia Woolf, Janet Lewis und Ann Petry zu, deren Kräfte in Häuslichkeit und Mutterschaft aufgerieben wurden, deren sexuelle Orientierung oder Hautfarbe zu Ausgrenzung und Isolation führte. Sie öffnet den Blick für jene, die überhaupt keine Sprache finden konnten und einzig als Leerstellen in der Literatur auszumachen sind. Denn erst wenn wir anerkennen, was fehlt, können wir unsere Gesellschaft und die Literatur, die sie hervorbringt, richtig verstehen.
Die Neuentdeckung einer Vorreiterin der emanzipatorischen Literatur – ein Essayband, der eine ganze Generation veränderte
»Tillie Olsens Erzählungen haben mich stark beeinflusst – ihr bahnbrechender Essay über die unterdrückten Stimmen in der Literatur hat mir die Augen geöffnet. Ich las ihn, als ich in den frühen 1970ern in Cambridge lebte, meine kleine Tochter allein aufzog und gerade um mein eigenes Schreiben kämpfte.« Alice Walker, Autorin von »Die Farbe Lila«
»Schreiben, erinnert Olsen ihre Leserschaft, erfordert Zeit, Bildung, Energie und eine wirtschaftliche Basis. All diese Dinge sind ungleich verteilt. Sie ermutigt uns zur Auseinandersetzung mit unorthodoxen Werken, die unter widrigen Umständen geschaffen wurden, und somit zu hinterfragen, was wirklich als Literatur zählt.« The New Yorker
»Tillie Olsen, Tochter von Einwanderern und berufstätige Mutter, musste sich die Zeit zum Schreiben abringen, dennoch gelang ihr ein schmales, dafür umso wirkungsmächtigeres Œuvre, das sich aus ihren persönlichen Erfahrungen speiste.« The New York Times
Erstmals auf Deutsch: Anhand verblüffender Aussagen von Schreibenden beleuchtet Tillie Olsen, auf welch vielfältige Weise der schöpferische Geist seit jeher unterdrückt wurde. Neben Schriftstellern wie Melville und Kafka wendet sie sich vor allem Schriftstellerinnen wie Virginia Woolf, Janet Lewis und Ann Petry zu, deren Kräfte in Häuslichkeit und Mutterschaft aufgerieben wurden, deren sexuelle Orientierung oder Hautfarbe zu Ausgrenzung und Isolation führte. Sie öffnet den Blick für jene, die überhaupt keine Sprache finden konnten und einzig als Leerstellen in der Literatur auszumachen sind. Denn erst wenn wir anerkennen, was fehlt, können wir unsere Gesellschaft und die Literatur, die sie hervorbringt, richtig verstehen.
Die Neuentdeckung einer Vorreiterin der emanzipatorischen Literatur – ein Essayband, der eine ganze Generation veränderte
»Tillie Olsens Erzählungen haben mich stark beeinflusst – ihr bahnbrechender Essay über die unterdrückten Stimmen in der Literatur hat mir die Augen geöffnet. Ich las ihn, als ich in den frühen 1970ern in Cambridge lebte, meine kleine Tochter allein aufzog und gerade um mein eigenes Schreiben kämpfte.« Alice Walker, Autorin von »Die Farbe Lila«
»Schreiben, erinnert Olsen ihre Leserschaft, erfordert Zeit, Bildung, Energie und eine wirtschaftliche Basis. All diese Dinge sind ungleich verteilt. Sie ermutigt uns zur Auseinandersetzung mit unorthodoxen Werken, die unter widrigen Umständen geschaffen wurden, und somit zu hinterfragen, was wirklich als Literatur zählt.« The New Yorker
»Tillie Olsen, Tochter von Einwanderern und berufstätige Mutter, musste sich die Zeit zum Schreiben abringen, dennoch gelang ihr ein schmales, dafür umso wirkungsmächtigeres Œuvre, das sich aus ihren persönlichen Erfahrungen speiste.« The New York Times
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Elena Witzeck fragt sich, wie Tillie Olsen ihr so lange verborgen bleiben konnte. Sie freut sich, dass sie nun Kurzgeschichten und Essays der Amerikanerin, die aus recht prekären Verhältnissen kam, entdecken kann. Die Essays über das weibliche Schreiben und über Frauen, die das immer nur neben der Haushaltsarbeit tun können, findet Witzeck radikal und faszinierend, gerade auch, weil sie weit spätere Diskussionen schon vorwegzunehmen scheinen. Olsens Wunsch nach mehr schreibenden Frauen kann sie nach der Lektüre nur teilen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.01.2023Argumente gegen die gute Seele im Haus
Tillie Olsens brillante Kurzgeschichten und Essays
Es gibt die Bücher, die nie entstehen, obwohl sie dringend benötigt werden. Und es gibt Bücher, die einem so spät unterkommen, dass man sich fragt, wie das denn möglich ist. Man kann froh sein, dass Tillie Olsen das eine verhindert und das letzte erreicht hat, wenn auch im Fall der deutschen Ausgaben ihrer Texte beinahe fünfzehn Jahre nach ihrem Tod - und damit unbeschreiblich spät.
Olsen, aus russisch-jüdischer Familie stammend, war neunzehn und ohne Schulabschluss, als sie schwanger wurde und über fünfzig, als 1961 ihre vier Kurzgeschichten erschienen - nach vier Kindern, der Suche nach Arbeit und nach deren Vater, der es "nicht länger ertragen konnte", die Armut zu teilen, wie er in seinem Abschiedsbrief geschrieben hatte. Es war die Zeit der Depression, vor der staatlichen Fürsorge und den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Olsen schreibt davon in "Ich steh hier und bügle", und dieser Satz, die ersten Worte ihrer ersten Kurzgeschichte, ist der Schlüssel zu ihrem Werk.
Es sind Geschichten von drei Generationen einer Familie, kleine poetische Sozialstudien. Diese Bilder: Wie die Erzählerin nach Hause rennt vom Bus zur Wohnung, in der ihr Kind liegt, weil es ihr auf jede vertane Minute ankommt. Wie der Trinker Whitey zurückkommt in "He, Seemann, wohin die Fahrt?" und noch ein letztes Mal bei der Familie klopft, die immer für ihn da war, seine Unruhe, und wie er merkt, dass es für einen wie ihn in ihrer Welt keinen Platz mehr gibt, "alle drinnen, jeder in seinem Schuhkarton von Haus, vorm flackernden Fernseher". Und Abschied nimmt.
Oder wie die kranke Frau, die nach acht Kindern nicht mehr unter Menschen gehen will, über die unerträgliche Energie ihres Mannes "mit seinen beredten Geschichten" denkt: "Essig hat er sein Leben lang über mich geträufelt. Ich bin gut mariniert. Wie kann ich jetzt Honig sein?" Und wie sie auf einmal die Enge eines Frauendaseins im Alter versteht, weil doch ein Leben mit Kindern alles aufsaugt. Was bleibt noch danach? Das Leben "zusammengeschrumpft wie ein Sarg" und "überall ungenutztes Leben".
Womit Olsen nach Jahren akribischer Teilzeit-Schreibarbeit neben Jobs, Familie und ihrem Einsatz für die Frauenbewegung zeigte, dass das, was mit dem Muttersein, dem weiblichen Körper, dem Häuslichen und seiner unerschöpflichen Arbeit zu tun hat, natürlich Teil der Literatur ist - und das große Ganze, das Politische, in ihm steckt. Es liegt eine Zärtlichkeit in ihrer Sprache, in den Beobachtungen für die Nuancen im menschlichen Zusammensein, seiner Unzulänglichkeit, eine magische Gabe der Beobachtung und hoher Anspruch: Soviel zur Ästhetik des Politischen.
Danach hielt Tillie Olsen Vorträge, bekam Stipendien. Ihre Essays, die unter dem Titel "Was fehlt - Unterdrückte Stimmen in der Literatur", jetzt auf Deutsch erschienen sind, haben den Ton von einer, die nichts zu verlieren hat. Olsen vereint die Erfahrung der schreibenden Frau mit all den Hemmnissen, die Schriftsteller im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert in ihren unproduktiven Phasen beschrieben, von Kafka über Woolf bis Rilke, in Tagebüchern und Briefen, und erklärt so am Kanon die Gründe fürs Schweigen auch derer, die mit ihren Ausgangsbedingungen nie die Möglichkeit dazu haben, deren Biographien nicht in Geschichten eingehen. Den Vortrag "Das Schweigen der Literatur" hielt sie 1962, das war, im Hinblick auf seine aufwühlenden Worte, faszinierend früh.
Katherine Mansfield schrieb: "Wenn ich zweimal hintereinander aufräumen oder außer der Reihe irgendeinen unnötigen Abwasch machen muss, macht mich das schrecklich ungeduldig, und ich möchte an meiner Schreibarbeit sein . . . Jawohl, ich hasse, hasse, hasse es, diese Dinge tun zu müssen." Rilke ging nicht zur Hochzeit seiner Tochter und erlaubte ihr nicht, ihn auf ihrer Hochzeitsreise zu besuchen; sie sollte seine dichterische Inspiration nicht stören. Gerechtfertigt findet Olsen das, er wollte seine Schaffenskraft schützen. Was umgekehrt heißt, dass die von Woolf mit dem Bild der guten Seele beschriebe Frau, die ihre Bedürfnisse unter die der anderen stellt, von der "menschenverschwendenden Fronarbeit" befreit werden muss. Solange Frauen darin Befriedigung fänden, es anderen zu ermöglichen, ihre Fähigkeiten zu bedienen, fehle Zeit und Sinn für ihr Werk.
Olsens eigene Stichprobe für "Eine von zwölf" ergab "ohne Forschungsassistenten, Sekretär, Studien und Computer", dass auf jedes veröffentlichte Buch einer Frau vier bis fünf von Männern kommen und auf jede schreibende Frau zwölf Männer, die in Besprechungen, Schullektüren und Bestenlisten vorkommen. Nahezu alle herausragenden Werke, die Frauen in diesem Jahrhundert geschrieben haben, führte Olsen 1972 aus, stammen von Kinderlosen: Gertrude Stein, Virginia Woolf, Katherine Mansfield, Dorothy Richardson, Carson McCullers, Joyce Carol Oates. Unter denen mit Kindern kämen, mal abgesehen von Ausnahmen wie Jean Rhys, Mary McCarthy, Doris Lessing, fast alle aus "jüngerer Zeit".
Olsen selbst blieb während des jahrelangen Sammelns von Gründen für das Schweigen stumm. Dass sie spät zu schreiben begonnen hat und sich nach ihren Kurzgeschichten mit literarischen Werken schwertat, hatte auch einen Grund, an dem sich bis heute wenig verändert hat: "Anders als schreibende Männer, die heiraten, werden die meisten weder das gesellschaftliche Äquivalent einer Ehefrau haben - noch in einer Gesellschaft, die heranwachsendem Leben Feind ist, irgendwen außer sich selbst, der ihren Kindern die Mutter ersetzt."
In "Eine von zwölf" gibt Olsen ihren Lesern einen Rat: Lest lebende Schriftstellerinnen, lest schreibende Frauen. "Lest uns Schriftstellerinnen in unserer ganzen unendlichen Bandbreite. Nicht nur jene, die uns von uns selbst als der 'anderen Hälfte' erzählen, sondern auch die, die von den anderen menschlichen Dimensionen, Lebenswelten schreiben."
Ihre Hoffnung, dass es vor dem Ende "unseres zweiten Schreibjahrhunderts" ebenso viele schreibende Frauen gäbe, "wie es unserer inneren Befähigung entspricht - mindestens zwölf auf jede einzelne heute Anerkannte", gilt auch für dieses Jahrhundert. ELENA WITZECK
Tillie Olsen: "Was fehlt". Unterdrückte Stimmen in der Literatur.
Aus dem Amerikanischen von Nina Frey und Hans-Christian Oeser. Aufbau Verlag, Berlin 2022. 352 S., geb., 22,- Euro.
Tillie Olsen: "Ich steh hier und bügle". Storys.
Aus dem Amerikanischen von Adelheid Dormagen und Jürgen Dormagen. Aufbau Verlag, Berlin 2022. 160 S., geb., 20,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Tillie Olsens brillante Kurzgeschichten und Essays
Es gibt die Bücher, die nie entstehen, obwohl sie dringend benötigt werden. Und es gibt Bücher, die einem so spät unterkommen, dass man sich fragt, wie das denn möglich ist. Man kann froh sein, dass Tillie Olsen das eine verhindert und das letzte erreicht hat, wenn auch im Fall der deutschen Ausgaben ihrer Texte beinahe fünfzehn Jahre nach ihrem Tod - und damit unbeschreiblich spät.
Olsen, aus russisch-jüdischer Familie stammend, war neunzehn und ohne Schulabschluss, als sie schwanger wurde und über fünfzig, als 1961 ihre vier Kurzgeschichten erschienen - nach vier Kindern, der Suche nach Arbeit und nach deren Vater, der es "nicht länger ertragen konnte", die Armut zu teilen, wie er in seinem Abschiedsbrief geschrieben hatte. Es war die Zeit der Depression, vor der staatlichen Fürsorge und den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Olsen schreibt davon in "Ich steh hier und bügle", und dieser Satz, die ersten Worte ihrer ersten Kurzgeschichte, ist der Schlüssel zu ihrem Werk.
Es sind Geschichten von drei Generationen einer Familie, kleine poetische Sozialstudien. Diese Bilder: Wie die Erzählerin nach Hause rennt vom Bus zur Wohnung, in der ihr Kind liegt, weil es ihr auf jede vertane Minute ankommt. Wie der Trinker Whitey zurückkommt in "He, Seemann, wohin die Fahrt?" und noch ein letztes Mal bei der Familie klopft, die immer für ihn da war, seine Unruhe, und wie er merkt, dass es für einen wie ihn in ihrer Welt keinen Platz mehr gibt, "alle drinnen, jeder in seinem Schuhkarton von Haus, vorm flackernden Fernseher". Und Abschied nimmt.
Oder wie die kranke Frau, die nach acht Kindern nicht mehr unter Menschen gehen will, über die unerträgliche Energie ihres Mannes "mit seinen beredten Geschichten" denkt: "Essig hat er sein Leben lang über mich geträufelt. Ich bin gut mariniert. Wie kann ich jetzt Honig sein?" Und wie sie auf einmal die Enge eines Frauendaseins im Alter versteht, weil doch ein Leben mit Kindern alles aufsaugt. Was bleibt noch danach? Das Leben "zusammengeschrumpft wie ein Sarg" und "überall ungenutztes Leben".
Womit Olsen nach Jahren akribischer Teilzeit-Schreibarbeit neben Jobs, Familie und ihrem Einsatz für die Frauenbewegung zeigte, dass das, was mit dem Muttersein, dem weiblichen Körper, dem Häuslichen und seiner unerschöpflichen Arbeit zu tun hat, natürlich Teil der Literatur ist - und das große Ganze, das Politische, in ihm steckt. Es liegt eine Zärtlichkeit in ihrer Sprache, in den Beobachtungen für die Nuancen im menschlichen Zusammensein, seiner Unzulänglichkeit, eine magische Gabe der Beobachtung und hoher Anspruch: Soviel zur Ästhetik des Politischen.
Danach hielt Tillie Olsen Vorträge, bekam Stipendien. Ihre Essays, die unter dem Titel "Was fehlt - Unterdrückte Stimmen in der Literatur", jetzt auf Deutsch erschienen sind, haben den Ton von einer, die nichts zu verlieren hat. Olsen vereint die Erfahrung der schreibenden Frau mit all den Hemmnissen, die Schriftsteller im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert in ihren unproduktiven Phasen beschrieben, von Kafka über Woolf bis Rilke, in Tagebüchern und Briefen, und erklärt so am Kanon die Gründe fürs Schweigen auch derer, die mit ihren Ausgangsbedingungen nie die Möglichkeit dazu haben, deren Biographien nicht in Geschichten eingehen. Den Vortrag "Das Schweigen der Literatur" hielt sie 1962, das war, im Hinblick auf seine aufwühlenden Worte, faszinierend früh.
Katherine Mansfield schrieb: "Wenn ich zweimal hintereinander aufräumen oder außer der Reihe irgendeinen unnötigen Abwasch machen muss, macht mich das schrecklich ungeduldig, und ich möchte an meiner Schreibarbeit sein . . . Jawohl, ich hasse, hasse, hasse es, diese Dinge tun zu müssen." Rilke ging nicht zur Hochzeit seiner Tochter und erlaubte ihr nicht, ihn auf ihrer Hochzeitsreise zu besuchen; sie sollte seine dichterische Inspiration nicht stören. Gerechtfertigt findet Olsen das, er wollte seine Schaffenskraft schützen. Was umgekehrt heißt, dass die von Woolf mit dem Bild der guten Seele beschriebe Frau, die ihre Bedürfnisse unter die der anderen stellt, von der "menschenverschwendenden Fronarbeit" befreit werden muss. Solange Frauen darin Befriedigung fänden, es anderen zu ermöglichen, ihre Fähigkeiten zu bedienen, fehle Zeit und Sinn für ihr Werk.
Olsens eigene Stichprobe für "Eine von zwölf" ergab "ohne Forschungsassistenten, Sekretär, Studien und Computer", dass auf jedes veröffentlichte Buch einer Frau vier bis fünf von Männern kommen und auf jede schreibende Frau zwölf Männer, die in Besprechungen, Schullektüren und Bestenlisten vorkommen. Nahezu alle herausragenden Werke, die Frauen in diesem Jahrhundert geschrieben haben, führte Olsen 1972 aus, stammen von Kinderlosen: Gertrude Stein, Virginia Woolf, Katherine Mansfield, Dorothy Richardson, Carson McCullers, Joyce Carol Oates. Unter denen mit Kindern kämen, mal abgesehen von Ausnahmen wie Jean Rhys, Mary McCarthy, Doris Lessing, fast alle aus "jüngerer Zeit".
Olsen selbst blieb während des jahrelangen Sammelns von Gründen für das Schweigen stumm. Dass sie spät zu schreiben begonnen hat und sich nach ihren Kurzgeschichten mit literarischen Werken schwertat, hatte auch einen Grund, an dem sich bis heute wenig verändert hat: "Anders als schreibende Männer, die heiraten, werden die meisten weder das gesellschaftliche Äquivalent einer Ehefrau haben - noch in einer Gesellschaft, die heranwachsendem Leben Feind ist, irgendwen außer sich selbst, der ihren Kindern die Mutter ersetzt."
In "Eine von zwölf" gibt Olsen ihren Lesern einen Rat: Lest lebende Schriftstellerinnen, lest schreibende Frauen. "Lest uns Schriftstellerinnen in unserer ganzen unendlichen Bandbreite. Nicht nur jene, die uns von uns selbst als der 'anderen Hälfte' erzählen, sondern auch die, die von den anderen menschlichen Dimensionen, Lebenswelten schreiben."
Ihre Hoffnung, dass es vor dem Ende "unseres zweiten Schreibjahrhunderts" ebenso viele schreibende Frauen gäbe, "wie es unserer inneren Befähigung entspricht - mindestens zwölf auf jede einzelne heute Anerkannte", gilt auch für dieses Jahrhundert. ELENA WITZECK
Tillie Olsen: "Was fehlt". Unterdrückte Stimmen in der Literatur.
Aus dem Amerikanischen von Nina Frey und Hans-Christian Oeser. Aufbau Verlag, Berlin 2022. 352 S., geb., 22,- Euro.
Tillie Olsen: "Ich steh hier und bügle". Storys.
Aus dem Amerikanischen von Adelheid Dormagen und Jürgen Dormagen. Aufbau Verlag, Berlin 2022. 160 S., geb., 20,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Ihr literarisches Werk ist schmal, doch das, was fertiggestellt und veröffentlich wurde [...] ist dem Schweigen entronnen und füllt eindrücklich eine der vielen Lücken am Kunsthimmel.« Faust Kultur Stiftung 20230319