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«Umweltkritik», sagt Hochhuth, «hat in Deutschland nach dem Krieg, schon vor über sechzig Jahren, zuerst Adorno durch die wieder aufleben lassen.» Doch Hochhuths Aphorismen gründen, anders als die Adornos, nicht auf Ethik - sie sind notwendigerweise eher amoralisch-erotisch, da sie Verhaltensforschung in den drei Lebensbereichen versuchen, die jeden Menschen formen: das Private, das Politisch-Historische und das Künstlerisch-Kulturelle. Tatsächlich hat Hochhuth, seit mit dem «Stellvertreter» die Frage in die Welt kam: Warum schwieg der Papst zum Holocaust?, und seit seine «Soldaten» die Frage…mehr

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Produktbeschreibung
«Umweltkritik», sagt Hochhuth, «hat in Deutschland nach dem Krieg, schon vor über sechzig Jahren, zuerst Adorno durch die wieder aufleben lassen.» Doch Hochhuths Aphorismen gründen, anders als die Adornos, nicht auf Ethik - sie sind notwendigerweise eher amoralisch-erotisch, da sie Verhaltensforschung in den drei Lebensbereichen versuchen, die jeden Menschen formen: das Private, das Politisch-Historische und das Künstlerisch-Kulturelle. Tatsächlich hat Hochhuth, seit mit dem «Stellvertreter» die Frage in die Welt kam: Warum schwieg der Papst zum Holocaust?, und seit seine «Soldaten» die Frage umkreisten: Ermordete Churchill den polnischen Ministerpräsidenten Sikorski?, in allen weiteren Dramen und Komödien, auch oft in Essays und Gedichten sich diesen drei Themengruppen besonders verschrieben: Seine Aphorismen sind komprimierte, pointierte, doch auch ebenso detaillierte Skizzen zum Studium von menschlichen Beziehungen wie von Geschichte und Kunst. Sie sind eine Art Fazit seines Denkens, reine Essenz.

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Autorenporträt
Fritz J. Raddatz nannte ihn einen «Kaltnadelradierer der Poesie, schmucklos, scharf ritzend, aber nicht ätzend ... ein besessener Aufklärer, wo er die Täter am Werk sieht, ob Diktatoren oder Shareholder.» Rolf Hochhuth war einer der erfolgreichsten Dramatiker des heutigen Theaters - mit sicherem Gespür für brisante Stoffe und Themen. Am 1. April 1931 in Eschwege geboren, erzielte er mit dem «christlichen Trauerspiel» Der Stellvertreter Internationalen Erfolg. Es thematisiert die Rolle der katholischen Kirche, speziell die von Papst Pius XII., im Zweiten Weltkrieg. Als rigoroser «Moralist und Mahner» setzte sich Hochhuth mit aktuellen politisch-sozialen Fragen auseinander; in einer Vielzahl offener Briefe plädierte er für die «moralische Erneuerung» der Politik. Er verfasste ein umfangreiches dramatisches, essayistisches und lyrisches Werk. Ausgezeichnet wurde er u.a. mit dem Kunstpreis der Stadt Basel (1976), dem Geschwister-Scholl-Preis (1980), dem Lessing-Preis der Freien Hansestadt Hamburg (1981), dem Elisabeth-Langgässer-Preis (1990) und dem Jacob-Grimm-Preis für Deutsche Sprache (2001). Hochhuth starb am 13. Mai 2020 in Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dem neuen, nun unter dem Titel "Was vorhaben muss man" erschienenen Aphorismen-Band Rolf Hochhuths kann Rezensent Friedmar Apel nun wirklich gar nichts abgewinnen. Mehr als "peinliches Bramarbasieren" kann der Kritiker hier leider nicht entdecken - etwa: "Wo du nicht bist, hast du nicht recht." Neben zahlreichen sprachlichen Fehlgriffen ärgert sich Apel auch über Hochhuths "grobschlächtige" politische Ansichten: Wenn der Autor etwa schreibe, dass "faule und listige" Völker von fleißigen ihre Rettung durch "Betrug erzwängen", fühlt sich der Rezensent an das Niveau von "Stammtischen" erinnert. Zu guter Letzt bekommt auch Uta Ranke-Heinemann ihre Abreibung: Ihr Nachwort setze der "Peinlichkeit" des Bandes das "verdiente Quarkhäufchen" auf, stellt der vergrätzte Kritiker fest.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.10.2012

Nur nicht schweigen
Rolf Hochhuth führt immer etwas im Schilde

Der Aphorismus setzt von jeher ein selbstgewisses Subjekt voraus. Noch die skeptisch, ironisch oder sprachkritisch relativierte moderne Ausprägung entkommt dem Anspruch nicht, aus der individuellen Erfahrung allgemeine Lehren zu ziehen. Es gehört geschichtsphilosophischer Takt und sprachliche Sensibilität dazu, heute noch Aphorismen zu schreiben, ohne in peinliches Bramarbasieren zu verfallen.

An Selbstbewusstsein hat es Rolf Hochhuth noch nie gefehlt. So lässt er auch in seinen ausgewählten Aphorismen von vornherein keinen Zweifel daran, dass er sich für einen souveränen Nonkonformisten hält, erhaben über alle Spießer. "Mißtrauen gegen alles, was alle denken!" Dennoch sind viele seiner Weisheiten erstaunlich banal. "Willst du gelten, mach dich selten. Doch ebenso wahr: Wo du nicht bist, hast du nicht recht." Hochhuth hält sich für einen großen Menschenkenner, besonders für einen Frauenversteher, doch geht auch in dieser Beziehung so manches gedanklich wie sprachlich in die Hose. "Sieht Anna Brigittes Einfahrt zwischen den Brüsten als eindrucksvoller als ihre, ist schon die Abneigung unüberwindbar."

Wer Hochhuths politische Einlassungen schon immer grobschlächtig fand, wird in den entsprechenden Aphorismen keines Besseren belehrt. Sein Blick auf die Geschichte der Politik ist der einer säkularen psychopathologischen Totale, die folglich nur grobe Unterschiede kennt. "Stalin, Churchill, Roosevelt waren Realisten, die nur Erreichbares anzielten. Dagegen haben Jesus, Mohammed und Mao und ausnahmslos alle Religionsstifter Welteroberungspläne ,nur' gehegt, weil sie verrückt waren. Politik ist überhaupt die Sphäre, in der Leute früher oder später den Verstand verlieren." Das kann auch ganzen Staaten passieren. So in der "Unterwerfung Westeuropas durch eine EU getaufte Behörde in Brüssel". Es gebe nur "zwei intelligente Völker", die Briten und die Schweizer, weil sie den Unfug nicht mitmachten, während "so faule wie listige Völker von fleißigen wie gutgläubigen" durch Betrug ihre Rettung erzwängen. Das ist vermutlich an vielen Stammtischen schon genau so gesagt worden.

In seinen kulturkritischen Aphorismen zeigt sich Hochhuth als ein Verächter der Tradition, der eine Differenz zwischen Ideologie und Ästhetik nicht gelten lässt. Hegel habe eine Methode in die Welt gesetzt, mit der "dichterische Texte von den Schreibtischzuhältern totalitärer Systeme dem Blick durch die Parteibrille wohlgefällig gemacht werden". Gegen solches Wohlgefallen langt der Aphoristiker gewohnt kräftig hin. Dante: der "Chefpropagandist des Christentums", als Dichter "ungenießbar", kein Poet, sondern "ein Fanatiker, ein Ideologe!". Leonardo da Vinci: "der "als Tugendkommissar Ekelerregendste". Hölderlin: der "Heuchler als Beschöniger" des napoleonischen Imperialismus.

Obwohl Hochhuth selbst fortwährend mit nationalen Stereotypen hantiert, wirft er Theodor W. Adorno postum vor, ein "eingefleischter Rassist" gewesen zu sein. Da fragt sich der Leser nicht zum ersten Mal, was in den Autor gefahren sein mag. Zum Beweis zitiert er einen überspitzten, aber ziemlich witzigen Aphorismus Adornos: "Im 19. Jahrhundert haben die Deutschen ihren Traum gemalt, und es ist allemal Gemüse daraus geworden. Die Franzosen brauchten nur Gemüse zu malen, und es war schon ein Traum."

Offenbar soll hier eine alte Rechnung beglichen werden. Hochhuth hatte Adorno 1965 in einem Aufsatz zum achtzigsten Geburtstag von Georg Lukács als "modischen Cheftheoretiker" bezeichnet und wie als Sprachrohr des notorisch doppelzüngigen ungarischen Marxisten dem "massenfeindlichen Snob" gedroht, er solle nicht lamentieren, wenn er selbst der Anonymität und Numerierung überantwortet werde. Adorno hatte sein Entsetzen in einem erstaunlich höflichen Offenen Brief verborgen, in dem er allerdings Hochhuth zum Schluss vorhielt, er nähere sich, zugestanden um der Humanität willen, dem Inhumanen.

Hochhuths elftes Gebot lautet: "Du sollst nicht schweigen!" Als tapferer Kämpfer gegen die Macht hat er sich damit um die Bundesrepublik vielfach verdient gemacht, in der heiklen Form des Aphorismus aber zeigt sich deutlich, dass er mehr denn je ein Wirrkopf ist und ein furchtbarer Stilist dazu. Das Nachwort von Uta Ranke-Heinemann setzt der Peinlichkeit des Bandes das verdiente Quarkhäubchen auf.

FRIEDMAR APEL.

Rolf Hochhuth: "Was vorhaben muß man". Aphorismen.

Mit einem Nachwort von Uta Ranke-Heinemann. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2012. 138 S., geb., 16,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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