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Ein Plädoyer für die Ethik des Erzählens und das Denken in Utopien Wie lässt sich von Gewalt erzählen? Wie lässt sich von Erfahrungen erzählen, die alle moralischen Erwartungen, was Menschen einander antun können, außer Kraft setzen? Mit welcher Behutsamkeit, welcher Diskretion und welcher Empathie muss nach einer Sprache gesucht werden im Kontext von Krieg und Gewalt? Carolin Emcke fragt nach der Ethik des Erzählens trotz allem. Für sie ist die Suche nach dem, was wahr ist, immer eine, die auch die eigene Rolle befragt. Wer über Gewalt und Trauma schreibt, muss auch über das schreiben, was…mehr

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Produktbeschreibung
Ein Plädoyer für die Ethik des Erzählens und das Denken in Utopien Wie lässt sich von Gewalt erzählen? Wie lässt sich von Erfahrungen erzählen, die alle moralischen Erwartungen, was Menschen einander antun können, außer Kraft setzen? Mit welcher Behutsamkeit, welcher Diskretion und welcher Empathie muss nach einer Sprache gesucht werden im Kontext von Krieg und Gewalt? Carolin Emcke fragt nach der Ethik des Erzählens trotz allem. Für sie ist die Suche nach dem, was wahr ist, immer eine, die auch die eigene Rolle befragt. Wer über Gewalt und Trauma schreibt, muss auch über das schreiben, was als normativer Kern unangetastet bleibt: die menschliche Würde. Wer schreiberisch über das nachdenkt, was wahr ist, wer dabei vor allem über Gewalt nachdenkt und wie sie Menschen versehrt, muss auch über die Gewalt der Klimakrise sprechen: Welche Rolle spielt faktuales Erzählen beim Erzählen von Klimadiskursen? Für Emcke muss sich die Suche nach der Wahrheit im Angesicht der Klimakatastrophe in verschiedene Richtungen aufmachen. Nach rückwärts: Was ist geschehen und wer ist dafür verantwortlich? Aber auch nach vorwärts: Diese Suche nach der Wahrheit im Kontext der Klimakrise muss auch zeigen, was sein wird, sie muss Möglichkeitsräume öffnen und kartographieren. "Was wahr ist" ist ein Plädoyer für die Ethik des Erzählens und das Denken in Utopien.

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Autorenporträt
Carolin Emcke geb. 1967, studierte Philosophie in London, Frankfurt a. M. und Harvard. Sie promovierte über den Begriff »kollektiver Identitäten«. Von 1998 bis 2013 bereiste Carolin Emcke weltweit Krisenregionen und berichtete darüber. 2003/2004 war sie als Visiting Lecturer für Politische Theorie an der Yale University. Sie ist Philosophin und Publizistin und engagiert sich immer wieder mit künstlerischen Projekten und Interventionen, u. a. die Thementage "Krieg erzählen" und "Archiv der Flucht" am Haus der Kulturen der Welt. Seit fast 20 Jahren kuratiert und moderiert Carolin Emcke die monatliche Diskussionsreihe "Streitraum" an der Schaubühne Berlin. Ihre Bücher "Gegen den Hass", "Wie wir begehren", "Ja heißt ja und ..." wurden in über 15 Sprachen übersetzt. Auszeichnungen u. a.: Merck-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung (2014), Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (2016), Carl-von-Ossietzky-Preis (2020). Christian Klein ist Professor für Neuere deutsche Literaturgeschichte an der Bergischen Universität Wuppertal. Matías Martínez, geb. 1960, ist Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Bergischen Universität Wuppertal.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Insgesamt eher unbefriedigend findet Rezensent Tobias Schweitzer, was Carolin Emcke in diesem Band über das Schreiben schreibt. Konkret geht es in den im Rahmen der Wuppertaler Poetikdozentur für faktuales Erzählen entwickelten Texten darum, wie Autoren mit ethisch schwierigen Themen wie beispielsweise Krieg und Gewalt umgehen sollen, lernen wir. Anstatt aber nach ästhetischen Richtlinien für ein solches Schreiben zu suchen, verbleibt die Autorin stets auf der Ebene der Moral, moniert der Kritiker, etwa wenn sie darstellt, wie von Gewalt Betroffenen eine eigene Stimme gegeben werden kann. Noch mehr stört sich der Rezensent an dieser Tendenz, wenn er sich dem zweiten Buchteil zuwendet, das dem Schreiben über Klimaschutzfragen gewidmet ist. Hier wird erst recht nur noch aus pauschal humanistischer Perspektive ethische Dringlichkeit beschworen, ärgert sich Schweitzer, Sprache als formbares Medium hingegen gerate Emcke nicht in den Blick.

© Perlentaucher Medien GmbH
»ein zutiefst humanistisches Manifest - gegen die vorherrschende Kultur der Oberfläche; gegen vorschnelle Gewissheiten und falsche Urteile.« (Eva Marburg, SWR2 Kultur aktuell, 18.03.2024) »Die zwei Vorlesungen sind ethische Interventionen in einer von Manipulation und Verschleierung, Agitation und Polarisierung zerrissenen Gegenwart, in der die eine Wahrheit von einer Vielzahl politischer Narrative abgelöst zu sein scheint.« (Thomas Hummitzsch, der Freitag, 18.04.2024)

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.04.2024

Transportmittel der Sehnsucht
Utopien sind unbedingt erwünscht: Carolin Emcke fragt nach der Ethik faktualen Erzählens

Dieser Tage wird viel darüber diskutiert, wie sich über kriegerische Gewalt angemessen sprechen und schreiben lässt. Wer etwa aus Krisengebieten berichtet, sollte am besten unparteilich und präzise darlegen, was der Fall ist. Doch was heißt es, sich in den Dienst der Wahrheitssuche zu stellen? Und mit welchen Mitteln nicht-fiktionaler Rede ist die Realität überhaupt einzuholen? Solche Fragen bilden den Ausgangspunkt für Carolin Emcke, die im Sommer vergangenen Jahres die Wuppertaler Poetikdozentur für faktuales Erzählen innehatte und deren im Rahmen dieser Tätigkeit entstandene Vorträge nun in einem Band veröffentlicht wurden.

Emcke, die ihre journalistische Karriere als Kriegsreporterin begann, sieht sich als Anwältin all jener entrechteten und zum Schweigen gebrachten Leidtragenden von Krieg und Verfolgung: "Auch deshalb bekommen die Stimmen anderer solchen Raum. Damit sie eben nicht nur als Objekte, als Opfer der Gewalt gezeigt werden, sondern als Subjekte, mit eigener Sprache, eigenen Sehnsüchten." Weil die Berichte der Befragten fragmentarisch bleiben, können darin Erinnerungen an Formen der Subjektivität erzählend aufgelesen werden, die der gewaltsamen Erfahrung vorausgehen und ihr entfliehen.

Dies wird weitgehend frei und abstrakt, ohne Rückgriff auf Empirie entwickelt, die Vorlesungen scheinen der methodischen Klärung zu dienen, in ihr spricht bis auf einige wenige Einsprengsel philosophischer und literarischer Klassikerzitate die Autorin selbst. Die Ausführungen erinnern in Stil und Herangehensweise an Emckes frühere preisgekrönte Texte zu Fragen der Zeugenschaft in Anbetracht kriegerischer Gewalterfahrungen, der Suche nach einer selbstbestimmten Sprache für das eigene Begehren oder der Struktur und den destruktiven Auswirkungen von Hassrede auf demokratische Gesellschaften. Sie zeugen in diesen Vorlesungen von einer auf Vorsicht bedachten, um Pathos nicht verlegenen Autorin, die die Auseinandersetzung mit den sprachlichen Formen immer und zuvorderst als ethisches Wagnis begreift.

Das aber lässt Fragen nach den ästhetischen Kennzeichen faktualen Erzählens, den Einsatz von Sprache als Medium des welterschließenden Ausdrucks, nicht der Kommunikation, in den Hintergrund treten. Denn Emckes Interesse reduziert sich auf die über allem thronende Perspektive der Moral, die "hyperkomplexe Menge an ethischen Imperativen, die allen ästhetischen Parametern vorausgehen".

Das zeigt sich noch viel mehr im zweiten Teil des Bandes, der sich recht unverbunden an die vorherigen Ausführungen anschließt und dem Schreiben in Zeiten der Klimakatastrophe widmen will. Ihrer Form nach gleichen die Überlegungen Auszügen aus einem politischen Grundsatzprogramm, für das auch zwischen den beiden gegensätzlichen Modi des "Erzählen[s] und Argumentieren[s] im Angesicht der Klimakatastrophe" keine ästhetische Differenz geltend gemacht wird, die zu reflektieren sich lohnen könne.

Das Schreiben über das Klima sieht sich hier immer schon in relativ technische Überlegungen politischer Strategien, sozialer Abwägungen und moralischer Verantwortungsdebatten verwickelt, ohne dass damit in den Blick käme, worauf denn eigentlich referiert werden solle, in der schreibenden Auseinandersetzung mit der 'Natur' oder dem 'Klima'. Auch die dem drohenden Klimakollaps scheinbar angemessene erzählerische Form wird der diffusen Richtungslosigkeit der imperativisch verfassten Rede entsprechend nicht selbst entwickelt, sondern bloß eingefordert: "Es braucht eine Utopie als Horizont, als Aussicht, als Transportmittel der Sehnsucht."

Im angefügten Gespräch mit einem der Herausgeber der Vorlesungen bemerkt Emcke, wie die Reise zu einer Forschungsstation in die Arktis ihr Leben in den letzten Jahren verändert habe. Ihr Schreiben bleibt wiederum gekennzeichnet von einem ethisch verengten Programm, dessen narratologische Maximen die Frage nach dem Klima auf einen abstrakten Humanismus hin festlegen. TOBIAS SCHWEITZER

Carolin Emcke: "Was wahr ist". Über Gewalt und Klima.

Hrsg. von Christian Klein und Matías Martínez. Wallstein Verlag, Göttingen 2024. 124 S., geb., 20,- Euro.

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