Wer als Reisender den Wunsch in sich trägt, nicht nur oberflächliches Sightseeing zu betreiben, sondern tiefer in eine Stadt einzutauchen, ihrem echten Leben, ihrem Wesen nachzuspüren, dem sei dieses Buch empfohlen. "Wasserstaub" erkundet die kroatische Hafenstadt Rijeka abseits des klassischen Reiseführers über die Kaffeehaus- und Medienszene. In den Tages- und Wochenzeitungen des Landes, die die Erzählerin in schattigen Gastgärten und auf Café-Terrassen mit Blick aufs Meer konsumiert, finden sich Nachrichten über die Bora im Speziellen und das Wetter im Allgemeinen, über Wildschweine am Friedhof, Drogen in einer Pizzaschachtel, einen Partisanenstern am Hochhausdach oder eine Badehosen-Kontroverse zwischen den Regierungschefs. Die lebendigsten Lokale, die kaum je ein Tourist betritt, öffnen hier ihre Türen: das Café Tunel, versteckt unter einem Viadukt, in dem man in annähernder Finsternis seinen Drink genießt. Das Café Boonker, ein früherer Bunker, so nah ans Meer gebaut, dass es mit der Vorderseite fast kopfüber hineinfällt. Oder das Café Bordel, von dessen Vergangenheit eine alte Preisliste an der Eingangstür erzählt. Die besten Geschichten schreibt das Leben, sagt man. Aber die noch besseren stehen in der Zeitung. Und die allerbesten passieren im Kaffeehaus. Bis zur nächsten Urlaubsreise könnte noch etwas Zeit vergehen - sie lässt sich mit diesem Buch wunderbar überbrücken.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.03.2023Müllentsorgung und Dolce Vita
Die österreichische Autorin Bianca Kos porträtiert die kroatische Hafenstadt Rijeka als "Paradebeispiel für Aufbau, Abbau, Umbau, Überbau" im Spiegel historischer Prägungen, Vereinnahmungen und Ideologien. In zahlreichen Kaffeehausgesprächen mit Einheimischen und Lektüren der Vermischtes-Rubriken der Zeitungen verschränkt sie geschickt Mikrogeschichte und große Politik und schildert anschließend die Sonnenseiten und Problemfelder Kroatiens, etwa Dolce Vita, Vetternwirtschaft, Müllentsorgung, Patriotismus, Jugoslawien-Nostalgie, Visionen der Smart City und chinesische Investitionen. Immer wieder sichtet Kos auf ihren Stadtwanderungen dem Sanierungswahn zum Trotz "Wrackteile" des untergegangenen Jugoslawiens, die wie Heldendenkmäler oder Straßennamen zusehends der "Cancel Culture" zum Opfer fallen. Mit satirischem Eifer, aber von historischem Wissen getränkt, porträtiert Kos auch das dunkle Kroatien wie die wieder auflebende Ustascha-Flagge, verfolgt politische Grabenkämpfe, Provinzgezänk und Staatsaffären. Sie spürt Rijekas "Lost Places" auf, wie Torpedo-Abschussrampen, Industrieruinen oder eine Bar in einem Militärtunnel als Schichten der Geschichte und Relikte rivalisierender Weltanschauungen. So gedeiht im Rhythmus der Spaziergänge und Zeitungslektüren ein Kaleidoskop der Epochen, von der monarchischen der k.u.k.-Zeit über die faschistische und die kommunistisch-föderative bis zur unabhängig-kapitalistischen. sg
"Wasserstaub. Erkundungen" von
Bianca Kos. Otto Müller Verlag, Salzburg 2022.
150 Seiten. Gebunden, 22 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die österreichische Autorin Bianca Kos porträtiert die kroatische Hafenstadt Rijeka als "Paradebeispiel für Aufbau, Abbau, Umbau, Überbau" im Spiegel historischer Prägungen, Vereinnahmungen und Ideologien. In zahlreichen Kaffeehausgesprächen mit Einheimischen und Lektüren der Vermischtes-Rubriken der Zeitungen verschränkt sie geschickt Mikrogeschichte und große Politik und schildert anschließend die Sonnenseiten und Problemfelder Kroatiens, etwa Dolce Vita, Vetternwirtschaft, Müllentsorgung, Patriotismus, Jugoslawien-Nostalgie, Visionen der Smart City und chinesische Investitionen. Immer wieder sichtet Kos auf ihren Stadtwanderungen dem Sanierungswahn zum Trotz "Wrackteile" des untergegangenen Jugoslawiens, die wie Heldendenkmäler oder Straßennamen zusehends der "Cancel Culture" zum Opfer fallen. Mit satirischem Eifer, aber von historischem Wissen getränkt, porträtiert Kos auch das dunkle Kroatien wie die wieder auflebende Ustascha-Flagge, verfolgt politische Grabenkämpfe, Provinzgezänk und Staatsaffären. Sie spürt Rijekas "Lost Places" auf, wie Torpedo-Abschussrampen, Industrieruinen oder eine Bar in einem Militärtunnel als Schichten der Geschichte und Relikte rivalisierender Weltanschauungen. So gedeiht im Rhythmus der Spaziergänge und Zeitungslektüren ein Kaleidoskop der Epochen, von der monarchischen der k.u.k.-Zeit über die faschistische und die kommunistisch-föderative bis zur unabhängig-kapitalistischen. sg
"Wasserstaub. Erkundungen" von
Bianca Kos. Otto Müller Verlag, Salzburg 2022.
150 Seiten. Gebunden, 22 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main