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Wann nützen Gefängnisse und wo richten sie Schaden an? Der Rechtsanwalt und ehemalige Gefängnisdirektor Thomas Galli zeichnet ein differenziertes Bild des Strafvollzugs und zeigt Alternativen zu sinnlosen Haftstrafen auf. Unbestreitbar haben wir alle ein Bedürfnis nach Strafe: Wer gegen Gesetze verstößt, soll nicht ungeschoren davonkommen. Den Täter zur Verantwortung zu ziehen, ihn zur Reue anzuhalten, abzuschrecken, den Opfern Genugtuung zu verschaffen und die Gesellschaft vor Gefahren zu schützen - das sind die Hoffnungen, die sich an Gefängnisstrafen knüpfen. Aber aus seiner…mehr

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Produktbeschreibung
Wann nützen Gefängnisse und wo richten sie Schaden an? Der Rechtsanwalt und ehemalige Gefängnisdirektor Thomas Galli zeichnet ein differenziertes Bild des Strafvollzugs und zeigt Alternativen zu sinnlosen Haftstrafen auf. Unbestreitbar haben wir alle ein Bedürfnis nach Strafe: Wer gegen Gesetze verstößt, soll nicht ungeschoren davonkommen. Den Täter zur Verantwortung zu ziehen, ihn zur Reue anzuhalten, abzuschrecken, den Opfern Genugtuung zu verschaffen und die Gesellschaft vor Gefahren zu schützen - das sind die Hoffnungen, die sich an Gefängnisstrafen knüpfen. Aber aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung weiß Thomas Galli: Selten wird auch nur eins dieser Ziele erreicht. Der promovierte Jurist widerlegt anhand vieler Beispiele aus dem Gefängnisalltag detailliert die Gründe für eine Haftstrafe - zumindest für die Mehrheit aller Straftaten. An die Stelle von Vergeltung und Buße müssen Verantwortung und Wiedergutmachung treten, fordert Galli. Denn durch die ausschließliche Fokussierung auf den Täter geraten die Opfer aus dem Blick. Thomas Galli zwingt uns zu einem Perspektivwechsel und macht deutlich, wie wir unser Strafrecht ändern können, um in einer Welt mit mehr Gerechtigkeit und Sicherheit zu leben.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Thomas Galli studierte Rechtswissenschaften, Kriminologie und Psychologie. Ab 2001 war er im Strafvollzug tätig, 2013 wurde er Leiter der JVA Zeithain, 2015 für mehr als sechs Monate zusätzlich Leiter der JVA Torgau. Galli war Mitglied des Kriminalpräventiven Rats der Stadt Dresden sowie Vertreter Sachsens bei der Bundesvereinigung der Anstaltsleiter. Außerdem publizierte er zu Fragen der Kriminologie und des Strafvollzugs sowie Sachbücher über den Gefängnisalltag. Seit Oktober 2016 ist der promovierte Jurist als Rechtsanwalt mit eigener Sozietät in Augsburg tätig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.05.2020

Das Unbehagen am Freiheitsentzug

Schuld und Sühne: Der ehemalige Leiter einer Strafvollzugsanstalt Thomas Galli denkt darüber nach, wie Kriminelle in Zukunft bestraft werden sollten.

Obwohl es noch zu früh ist, die staatlich verordneten Einschränkungen in der Corona-Krise zu bewerten, haben sie uns eines schon jetzt deutlich gezeigt: Eingriffe in die menschliche Freiheit können überaus schmerzhaft sein. So haben auch wir nunmehr eine leise Ahnung davon, was es bedeutet, längere Zeit auf engem Raum zubringen zu müssen. Dabei besitzt der Normalbürger gegenüber dem Strafgefangenen noch das Privileg, auswählen zu können, mit wem er Tisch und Bett teilt. Und darüber hinaus dürfte selbst die kleine Mietwohnung in einem Mehrfamilienhaus noch deutlich komfortabler ausfallen als die Einzelzelle in einer deutschen Justizvollzugsanstalt.

Corona führt zudem zu einem seltsamen Effekt: Während wir zusammenrücken, beginnen sich die deutschen Gefängnisse zu leeren. Freiheitsstrafen werden unterbrochen, Haftantritte verschoben. Aus der Türkei wird gar gemeldet, dass die Gefahren des Virus rund neunzigtausend Straftätern dazu verhelfen sollen, vorzeitig ihre Freiheit wiederzuerlangen. Diese aus der Not geborene Politik eines Verzichts auf Inhaftierungen, die bis jetzt erstaunlich geräuschlos vonstattengeht, wirft die Frage auf, ob unsere Strafanstalten nicht weit weniger benötigt werden, als wir das bisher für möglich gehalten haben.

Das Buch, das Thomas Galli noch vor der Krise geschrieben hat, beantwortet die Frage schon im Titel: "Weggesperrt. Warum Gefängnisse niemandem nützen". Die These gewinnt dadurch an Brisanz, dass der Autor zwei Justizvollzugsanstalten in Sachsen leitete. Er hat sich ein ambitioniertes Programm vorgenommen, denn er will beschreiben, "wie die Strafe der Zukunft aussehen sollte".

Gleich zu Beginn greift er ein gewichtiges Thema auf: Warum strafen wir? Dieser Frage kann man auf nur zehn Seiten unmöglich gerecht werden, ist damit doch eine strafrechtstheoretische Diskussion aufgerufen, die vom Altertum bis zur Gegenwart reicht und eine Fülle von Gerechtigkeits-, aber auch Nützlichkeitserwägungen umfasst. Damit hält sich der Autor allerdings nicht lange auf; bestraft werde, so die wenig differenzierte Diagnose, nur aus "Rache" und "Vergeltung". Auf den nächsten hundertfünfzig Seiten liefert Galli indes eine im Wesentlichen profunde Kritik der Freiheitsstrafe und vor allem der Realität in den deutschen Gefängnissen.

Dazu gehört, dass es schon an einer Erfolgskontrolle derjenigen Bemühungen fehlt, die in den deutschen Anstalten zur Wiedereingliederung der Straftäter unternommen werden. Die Zahlen in der sogenannten Rückfallstatistik, welche nur einer privaten Initiative engagierter Kriminologen zu verdanken ist, sind nicht besonders ermutigend: Von den aus einer Freiheitsstrafe entlassenen Personen werden innerhalb von neun Jahren mehr als sechzig Prozent rückfällig. Jeder Dritte muss sogar in den Strafvollzug zurück. Eine Erfolgsgeschichte der Resozialisierung ist das nicht, auch wenn sich daraus nicht ohne weiteres, wie der Autor meint, ableiten lässt, dass die Strafhaft die Rückfallwahrscheinlichkeit erhöht.

Auch den weiteren von Galli gegenüber der derzeitigen Praxis des Strafvollzugs ins Felde geführten Monita ist im Großen und Ganzen zuzustimmen. So sind Gefängnisse sowohl Orte der Gewalt als auch des unerlaubten Drogenkonsums. Der in diesen Einrichtungen strikt reglementierende Rahmen konterkariert den Anspruch, gestrauchelte Menschen dort auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten. Das Streben nach größtmöglicher Sicherheit verhindert nicht selten vollzugsöffnende Maßnahmen, die ein wichtiger Baustein dafür sein können, dass der Übergang nach draußen gelingt. Galli hebt zutreffend hervor, dass der Bestrafte zuerst aus der Gesellschaft ausgeschlossen werde, um ihn durch Resozialisierungsmaßnahmen wieder dorthin zurückzubringen. Ob angesichts dieser und weiterer gewichtiger Kritikpunkte gleich der gesamte Strafvollzug gegen die Menschenwürde verstößt, steht freilich auf einem anderen Blatt.

Was verordnet der Autor als Medizin? Zunächst will er den in der Tat christlich konnotierten Begriff der Schuld durch den der Verantwortung ersetzen, ohne die konkreten Folgen dieses Manövers ausreichend zu verdeutlichen. Eher holzschnittartig kommen auch Überlegungen daher, Straftaten zukünftig in zehn Unrechtskategorien zu unterteilen und über die konkret aufzuerlegenden Maßnahmen ein "Gremium aus Fachleuten, Opfer, Täter und Gemeindemitgliedern" entscheiden zu lassen.

Weitere von Galli erhobene Forderungen werden zu Recht bereits seit langem diskutiert: Entkriminalisierung von Drogen- und Bagatelldelikten, Einführung der gemeinnützigen Arbeit als weitere Hauptstrafe, Ausbau der Bewährungsmöglichkeiten, Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe, elektronisch überwachter Hausarrest als Alternative zum geschlossenen Vollzug, Stärkung von Wiedergutmachung und Täter-Opfer-Ausgleich. Freilich ist es nicht nur das Beharrungsvermögen des Justizapparats, das derartige Neuerungen bisher verhindert hat. Denn gegen viele dieser Reformforderungen gibt es gute Argumente. Wird etwa ohne die Möglichkeit, mit der Ersatzfreiheitsstrafe zu drohen, die Geldstrafe zukünftig noch ernst genommen werden?

Die Gefängnisse ganz abschaffen will Galli aber nicht. So sollen "die schwersten Fälle" in sogenannten "Longstay-Einrichtungen" untergebracht werden. Hier stellen sich gleichwohl zwei Fragen: Besteht nicht die Gefahr, dass diese "Fälle" - oder besser Menschen - damit aufgegeben werden? Und wie lassen sich diese Personen auch nur einigermaßen treffsicher identifizieren?

Ungeachtet dieser Bedenken bleibt das Verdienst des Autors, dem in der Fachwelt längst geäußerten Unbehagen an der Freiheitsstrafe und der Praxis des Strafvollzugs eine öffentlichkeitswirksame Stimme verliehen zu haben. Und in der Tat spricht alles dafür, dass in Deutschland weniger eingesperrt werden müsste. Auch nach Corona.

JÖRG KINZIG

Thomas Galli: "Weggesperrt". Warum Gefängnisse niemandem nützen. Edition Körberstiftung, Hamburg 2020. 312 S., br., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Peggy Fiebig erfährt vom Juristen und Kriminologen Thomas Galli, der auch Praxiserfahrung mitbringt, wie sich der Strafvollzug sinnvoll reformieren ließe. Der vom Autor geschilderte Gefängnisalltag lässt Fiebig ahnen, dass bloßes "Wegsperren" weder Tätern noch Opfern oder der Gesellschaft hilft. Alternativ schlägt der Autor laut Rezensentin anhand von Beispielen offeneren Freiheitsentzug, Fußfesseln und mehr Verantwortung der Täter für ihre Taten vor.

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