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"Wie klein, wie armselig ist die Milbe. Aber die Rotte bewegt den ganzen Käse." Was für die Milbe gilt, gilt für die Silbe allemal: Allein ist sie ein luftiges Fastnichts, ein zweigestrichenes Fis im Wald, aber wehe, wenn die Silben sich rotten, zu Wörtern, Sätzen und ganzen Hottentottenhorden, dann heben sie die verkäste Welt virtuos aus den Angeln. So tun es nicht zuletzt die Dramen Friedrich Hebbels: "Maria Magdalena" von 1843 etwa, sein berühmtestes Bühnenwerk, das mit den Worten Meister Antons endet: "Ich verstehe die Welt nicht mehr" - und sie eben dadurch zurückgewinnt, dass er sie zur Sprache bringt. Hebbel selbst ergriff, was er verstand und nicht verstand an der Welt, in geschliffenen, pointierten Wendungen und speicherte es in monströs aufgedunsenen Tagebüchern ab. Durch das Konvolut hat sich nun Alfred Brendel, der berühmte und kurz vor seinem Abschied vom Konzertleben stehende Pianist, hindurchmusiziert und dabei zahlreiche Triller aus der Partitur exzerpiert: Im Zusammenhang des Käsestemmens nämlich brilliert doch oft die einzelne Milbe. So ist eine lesenswerte, mit klugem Nachwort versehene Aphorismussammlung entstanden, die Hebbels hellsichtigste Gedankensplitter gelungen neu arrangiert: Harte Urteile ("Die Masse macht keine Fortschritte") stehen neben hintersinnigen Aperçus ("Die Sonne hat ihre Flecken. Aber sie geben keine Schatten"), lustigen Einsichten ("Der Tannzapfen ist die Karikatur der Ananas"), verzweifelten Ausrufen ("Die Welt ist Gottes Sündenfall") und steilen Thesen ("Das Drama hat es vor allem mit der Wiederbringung des Teufels zu tun"). Besonders apart die Rubrik der Nachtgespinste: Hatte Hebbel doch beispielsweise den ungeheuren Traum, "das 16te Jahrhundert läge neben mir im Bett". Wecken ließ es sich freilich nicht. Und wie muss dies erst es einen Pianisten beglücken: "Der Traum des Pfarrers: ,Die Bibel spielt Klavier.'" (Friedrich Hebbel: "Weltgericht mit Pausen". Aus den Tagebüchern. Auswahl und Nachwort von Alfred Brendel. Carl Hanser Verlag, München 2008. 176 S., geb., 12,90 [Euro].) oju
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
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"Hebbels Tagebücher versprechen einen Schmerz in seiner tragischsten Form: dem Lachen." Dorothea Dieckmann, Neue Zürcher Zeitung, 28.01.09