Die Struktur der Welt ist seit langem durch extreme Hierarchisierung und Abschichtung gekennzeichnet. In vielen Dimensionen sind Zerklüftungen zu beobachten. So besteht zum Beispiel im Weltwirtschaftssystem eine dramatische Kluft zwischen der sogenannten OECD-Welt und dem »Rest der Welt«. Während erstere dicht und relativ symmetrisch unter sich vernetzt ist, ist die übrige Welt nach wie vor überwiegend asymmetrisch auf dieses Gravitationszentrum ausgerichtet. Diesem weiterhin weltpolitisch tonangebenden, in sich hoch koordinierten Gravitationszentrum (ca. 16 Prozent der Weltbevölkerung) steht bisher kein vergleichbar koordiniertes kollektives oder auch nur regionales Machtzentrum gegenüber. Die Zerklüftungen innerhalb der Nicht-OECD-Welt sind nicht weniger markant: Etwa zehn Prozent der Weltbevölkerung leben unter den Bedingungen von »Staaten«, die zusammengebrochen sind oder deren Zerfall ernsthaft droht. 37 Prozent leben allein in zwei Makrostaaten: China und Indien, weitere 37 Prozent in ca. 130 Gesellschaften, die sich durch eine sogenannte begrenzte Staatlichkeit auszeichnen. Programmatiken über Weltordnung und Weltregieren müssen sich heute mit elementaren Sachverhalten dieser Art auseinandersetzen, ansonsten blieben sie weltflächig-abstrakt, folglich analytisch fragwürdig und letztlich praktisch irrelevant. Weltordnungsprogrammatiken bedürfen, sofern sie wirklich auf die gesamte real existierende Welt bezogen sind, einer problemadäquaten Kontextuierung.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Die vorliegende Schrift ist nicht die erste friedenspolitische Untersuchung, die Gregor Schöllgen von Dieter Senghaas liest. Er ist bestens vertraut mit den Schriften des unermüdlichen Friedensforscher und weiß sich seinen Weg durch den akademisch-verqueren Sprachduktus zu schlagen. Etlichen Ausführungen kann der Rezensent nur mit mildem Spott begegnen, aber einiges findet er doch ganz richtig: Zum Beispiel die Analyse zur Logik der atomaren Abschreckung und der "Kontrollierbarkeit von Eskalationsprozessen". Wieso fragt Senghaas nämlich, sollten Konfliktparteien bereit sein, zu kommunizieren, wenn sie es vor der Eskalation nicht waren? Dass Senghaas schließlich zu der Einsicht gelangt, dass militärische Interventionen von außen hilfreich sein können, erfüllt den Rezensenten schließlich mit Genugtuung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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