„Wenn das Schicksal anklopft, mach auf“ – und brich ihm auf keinen Fall den Arm. So könnte man den Anfang der Freundschaft zwischen der 76jährigen Fleur und der 50 Jahre jüngeren Harmonie beschreiben. Fleur sucht für ihren Mops Mylord einen Hundesitter, Harmonie bewirbt sich für die Stelle und
bekommt sie. Eine ganz normale Frauenfreundschaft. Möchte man meinen.
Ist es aber nicht. Denn die beiden…mehr„Wenn das Schicksal anklopft, mach auf“ – und brich ihm auf keinen Fall den Arm. So könnte man den Anfang der Freundschaft zwischen der 76jährigen Fleur und der 50 Jahre jüngeren Harmonie beschreiben. Fleur sucht für ihren Mops Mylord einen Hundesitter, Harmonie bewirbt sich für die Stelle und bekommt sie. Eine ganz normale Frauenfreundschaft. Möchte man meinen.
Ist es aber nicht. Denn die beiden Frauen in Marie-Sabine Rogers Buch könnten verschiedener nicht sein. Fleur hat eine soziale Phobie und eine Form von Agoraphobie, daher verlässt sie ihre Wohnung nur sehr selten, hauptsächlich, um zur Therapie zu gehen. Harmonie hat das Tourette-Syndrom. Ihr erstes Zusammentreffen gipfelt darin, dass Fleur Harmonie aus Versehen den Arm bricht. Ab diesem Moment sind die beiden auf eine interessante Art und Weise miteinander verbunden und es entwickelt sich eine Freundschaft, die über das Hunde-Sitten hinausgeht. Nach und nach werden die beiden einander immer wichtiger, vor allem Fleur findet in ihrem Leben einen Inhalt, der über ihren Arzt und ihren Hund hinausgeht.
Das Buch hat mich zugegebermaßen anfangs etwas verwirrt. Es wird in zwei Handlungssträngen erzählt: aus der Sicht von Fleur und aus der von Harmonie. Die beiden sind optisch nicht voneinander abgesetzt, die Eindrücke von Fleur kann man in der Hauptsache daran erkennen, dass sie Tagebuch führt und die Einträge datiert. Wenn man sich aber an Stil und Ausdruck gewöhnt hat, kann man die beiden Stränge ganz gut unterscheiden.
Die Sprache ist bildhaft, manchmal fast poetisch, dann wieder sachlich und karg, passend zu den Charakteren. An sich ist das Buch sehr flüssig geschrieben, worunter allerdings meiner Meinung nach der Tiefgang leidet. Manche Situationen sind skurril und lustig, andere machen nachdenklich, letzteres aber für mich zu wenig. Manchmal hatte ich das Gefühl, die beiden unter so unterschiedlichen Störungen leidenden Frauen wie in einer Freak-Show vorgeführt zu bekommen. Vor allem das Tourette-Syndrom ist so viel mehr als bellende Laute und Schimpfwörter. Und auch die Sozialphobie/Agoraphobie wird zugunsten der Freundschaftsgeschichte zu oberflächlich abgehandelt und die wahren Schwierigkeiten werden bei beiden Frauen nur angekratzt und kaum vertieft.
Manchmal ist das Buch mir auch zu flott erzählt. Vor allem das Leben von Harmonie läuft manchmal, als stünde sie unter Strom und renne wie ein Duracell-Hase durch die Welt (weshalb bei ihr oft auch keine Kommas in den Sätzen sind), während das von Fleur sich eher sehr behäbig und in Zeitlupe abspielt.
Schade. Die Idee, die hinter dem Buch steckt, finde ich ganz fabelhaft. Die besondere Freundschaft zwischen diesen beiden auf unterschiedliche Art sehr speziellen Frauen ist auch sehr gut beschrieben. Ihre Annäherung, ihr Aufeinander-Eingehen, alles sehr warmherzig und fast romantisch. Die relative Unbeschwertheit, die Harmonie in Fleurs Leben bringt, fand ich rührend. Die beiden finden einander, zu sich selbst und ein Stückweit ihren Weg ins Leben.
„Ihr Leben besteht aus lauter Vorsichtsmaßnahmen: nicht rausgehen, niemandem begegnen, nicht auffallen. Madame Suzain ist ein Angsthase, der von Wagemut träumt“ - gemeinsam wagen die beiden Abenteuer. Aber die wirklichen Probleme, mit denen die beiden zu kämpfen haben, kommen mir zu kurz und sind zum Teil fast verklärt, auf jeden Fall zu oberflächlich beschrieben. Daher ist es zwar ein schöner Frauen-Freundschaftsroman, geeignet für die Lektüre zwischendurch, mehr aber auch nicht. Auch anhand des Klappentextes habe ich mir mehr erwartet, daher von mir 3 Sterne.