In ihrem neuen Roman zeichnet Waldtraut Lewin ein utopisches Szenario was wäre... "Wenn du jetzt bei mir wärst", und meint damit die Anfang März 1945 verstorbene Anne Frank, die durch ihr Tagebuch berühmt wurde.
Das "was wäre wenn" ändert sich schon sehr bald in ein "ich bin bei dir", durch den
Besuch des Anne-Frank-Hauses gelingt es Waldtraut Lewin Anne zu rufen und zum Leben zu wecken.…mehrIn ihrem neuen Roman zeichnet Waldtraut Lewin ein utopisches Szenario was wäre... "Wenn du jetzt bei mir wärst", und meint damit die Anfang März 1945 verstorbene Anne Frank, die durch ihr Tagebuch berühmt wurde.
Das "was wäre wenn" ändert sich schon sehr bald in ein "ich bin bei dir", durch den Besuch des Anne-Frank-Hauses gelingt es Waldtraut Lewin Anne zu rufen und zum Leben zu wecken. Äußerlich der aufgeweckte Teenager, vom Kopf und den Erfahrungen eine alte Frau, einerseits greifbar, andererseits wie Luft, wenn sich eine Gefahr anbahnt, der Anne nicht schnell genug ausweichen kann.
Es ist eine etwas mystische und zauberhafte Annäherung an den Menschen Anne Frank, den so viele von uns nur aus ihren Tagebuch kennen oder durch Zeugenberichten aus zweiter Hand.
Es macht glücklich, wie befreit Anne nun durch die Straßen Amsterdams laufen kann, ohne eine Kennezeichnung an ihrer Jacke tragen zu müssen, damit jeder sie als Jüdin erkennt. Im Heute ist sie einfach eine von vielen in der Stadt.
Die Glücksgefühle geraten jedoch bald wieder ins Wanken, wenn Waldtraut Anne erzählt, wie es den Juden nach dem Krieg ergangen ist, wie sie oftmals erfolglos für ihr geraubtes Eigentum oder einen eigenen Staat kämpfen mussten.
"Haben nicht alle Gegner der Deutschen für Wahrheit und Recht gekämpft? Warum werden die Juden dann immer weiter gequält?"
"Anne", sage ich hart und unterdrücke meine Empfindungen, "diese Retter und Befreier - sie haben gegen Hitler gekämpft. Sie haben nicht für die Juden gekämpft." (S.70)
Nach Amsterdam möchte Anne auch ihre Geburtsstadt Frankfurt und das Reich der Juden, Israel, sehen. Auch hier kommt sie immer wieder in Berührung mit Schändungen, Verunglimpfungen und in den schlimmsten Fällen Krieg. Trotzdem entscheidet sich Anne am Ende für etwas, wofür Waldtraut Lewin das Verständnis fehlt. Aber die junge Anne hatte bereits ihren eigenen Kopf, wieso sollte es 70 Jahre später anders sein?
Mit "Wenn du jetzt bei mir wärst" stellt die Autorin ein ungewöhnliches Szenario in Zeit und Raum, das auf jeden Fall für alle, die Anne Franks Tagebuch kennen, interessant zu lesen ist. Man erfährt zudem hier nicht nur über die Situation der Juden während des Krieges, sondern vor allem, wie es ihnen nach dem Krieg erging. Einzig das manche Situationen für Anne und Waldtraut zu glatt ablaufen - wie die Einreise nach Israel mit einem gefälschten Ausweis - und den Raum, den die Reise nach und durch Israel gegenüber dem Rest des Buches einnimmt, haben mir nicht völlig zugesagt.
Bis auf diese beiden Kritikpünktchen bin ich sehr begeistert auf diesen ungewöhnlichen Blick zurück auf den Holocaust gestoßen zu sein.