Essay aus dem Jahr 1992 im Fachbereich Ethnologie / Volkskunde, , Sprache: Deutsch, Abstract: Fast sollte man glauben, die Zeitenwende von 1989, als die Völker Osteuropas die Freiheit wählten und die alten versteinerten Strukturen des Kalten Krieges und des "real existierenden Sozialismus" begeistert abwarfen, hätte nie stattgefunden. Doch ganz gleich, ob der Sozialismus, der in den letzten drei Jahren in sich zusammenbrach, je "real" war oder stets nur Etikettenschwindel - eines steht fest: Mit ihm verschwand die osteuropäische Zweite Welt, und übrig blieben Erste und Dritte. Damit ist Osteuropa wieder an jenen Platz gerückt, den es seit einem halben Jahrtausend innehatte: an den äußeren Rand des Weltwirtschaftssystems. So jedenfalls sieht es der Soziologe Arno Tausch in seiner vor kurzem erschienen Studie zum Verhältnis von herrschendem Weltwirtschaftssystem, langen ökonomischen Zyklen und neuer Instabilität in Osteuropa. Tausch geht davon aus, daß Osteuropa seit einem halben Jahrtausend zur Semiperipherie des kapitalistischen Weltsystems gehörte, was strukturell eine Blockade gegen Demokratisierung bedeutete. Die Wirkung dieser Zuordnung wird in Abschwungphasen der Weltwirtschaft (wie der gegenwärtigen) verschärft, da die "terms of trade" für Rohstoffexporte aus den Randbereichen der Weltwirtschaft sich eklatant verschlechtern. Reformperioden, so seine These, gingen und gehen in der Geschichte Rußlands stets mit weltwirtschaftlichen Abschwungphasen zusammen und dem folgen in der nächsten Aufschwungphase wieder Modernisierungsdiktaturen. In der nächsten Abschwungphase geht dann der während der Aufschwungphase in den rohstoffnahen Industrien der Semiperiphie erreichte Zuwachs weitgehend wieder verlor [....]
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