Die ganze Transhumanismusgeschichte schreit förmlich nach Antworten – und findet sie womöglich sehr tiefgründig in Paulus´Rede von der Kenosis Christi. Wenn Gott sich mit dem „menschlichen Fleisch“ verbunden hat, wenn Jesus als Mensch ein Ausdruck Gottes ist und wenn „Christus Jesus“ (Paulus´Ausdruck, weil er generell kein Interesse am irdischen Jesus hat, dafür aber am erhöhten Jesus als Christus – diese ins Geschichtslose betriebene Apotheose bedarf einer eigenen Betrachtung) göttliche Attribute ablegt, auf Allmacht verzichtet, auf Ruhm und Ehre, auf Ehrfurcht gleich einem Gott – wenn Jesus also beschrieben wird als Mensch ohne göttlichen Anspruch, wie dieser allgemein vom Göttlichen angenommen wird, dann bin ich gezwungen, mich dem Menschen zuzuwenden. Dann verbinden sich Theologie und Anthropologie – sie werden nicht identisch, aber zum Platz seltsamer Wirklichkeiten: im Menschlichen erscheint Gott, im Göttlichen der Mensch. Die Kenosis Christi erzählt mir, nicht die Heiligkeit Gottes zu sehen, sondern die Heiligkeit des Menschen. Sie erzählt mir, Gott nicht irgendwo zu suchen, sondern im Menschen zu sehen. Sie erinnert mich daran, dass Gott mich wie Jesus sieht, von dem gesagt ist, Gott sei mit ihm. Die Kenosis Christi hilft mir, mein Menschsein – begrenzt, fragil, mortal – als gottgegeben anzunehmen: ich soll in dieser Begrenzung Gott erfahren. Die Kenosis Christi entlarvt den Transhumanismus als Menschenverweigerung und Hybris, weil er Gottes Schöpfung des Menschen per se als mangelhaft ansieht. Das latente Gefühl des Mangels gipfelte in der Behauptung eines ontologischen Mangels gegenüber Gott, von dem der Mensch gleichsam durch einen „Ontologiesprung“ durch Christus „gerettet“ werden müsse. Die Kenosis Christi erlöst Menschen nicht aus einem Sündendilemma, sondern erinnert daran, dass sie immer schon Teil Gottes waren, seine Kinder...