Werner von Rheinbaben (1878-1975) entstammte einer der führenden Familien des Wilhelminischen Deutschlands. Nach einer steilen Karriere in der kaiserlichen Marine trat er 1912 in den diplomatischen Dienst ein. Als Sekretär der deutschen Gesandtschaft in Brüssel übergab er im August 1914 das Ultimatum an die belgische Regierung, das den Beginn des Ersten Weltkriegs im Westen markierte. Der Zusammenbruch der Monarchie veranlasste Rheinbaben 1919 dazu Berufspolitiker zu werden: Als außenpolitischer Experte der Deutschen Volkspartei (DVP) und rechte Hand ihres Vorsitzenden und langjährigen deutschen Außenminister Gustav Stresemann verfasste er das außenpolitische Grundsatzprogramm seiner Partei: Von 1920 bis 1930 saß er als Abgeordneter im Reichstag, 1923 wurde er Chef der Reichskanzlei, später deutscher Deputierter beim Völkerbund und zuletzt Leiter der deutschen Delegation bei der Internationalen Abrüstungskonferenz in Genf (1932/1933). Von Hitler als ein "international verseuchter ehemaliger kaiserlicher Marineoffizier" geschmäht und vom Regime als enger Vertrauter von Hitlers Vorgänger als Reichskanzler Kurt von Schleicher - dem letzten Hindernis das der "Machtergreifung" im Frühjahr 1933 noch im Wege gestanden hatte - mit Soupçon betrachtet, wurde Rheinbaben 1933 von den Nationalsozialisten in den Ruhestand versetzt. Trotz dieser Zurückweisung diente er der NS-Diktatur später als Privatdiplomat, Publizist und Sondergesandter in Lissabon, wo er angeblich die Aktivitäten der Auslands-Gestapo leitete. Nach dem Zweiten Weltkrieg verfasste Rheinbaben seine Memoiren und beriet er Politiker wie Franz Josef Strauß. Ziel der vorliegenden Studie ist es das außenpolitische Wollen und Wirken dieser vergessenen Schlüsselfigur der Weimarer Außenpolitik nachzuzeichnen. Zu diesem Zweck werden Rheinbabens politische Gedankenwelt rekonstruiert, seine außenpolitischen Ziele dargestellt und analysiert, und schließlich seine Vorstellungen und seine praktische Politik in den zentralen Politikfeldern der Weimarer Außenpolitik (Revision des Versailler Vertrags, Beziehungen zu den wichtigsten deutschen Nachbarstaaten, Völkerbundpolitik und Rüstungspolitik) in den Blick genommen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Jahren 1925 bis 1933 gelegt, in denen, nach dem Heraustreten Deutschlands aus der außenpolitischen Isolation der ersten Nachkriegsjahre, mit Rheinbabens Worten "deutsche Außenpolitik erst recht eigentlich wieder stattfinden konnte".
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