When the state of Israel was formed in 1948, it precipitated the Nakba or 'disaster': the displacement of the Palestine nation, creating fracture-lines which continue to erupt in violent and tragic ways today.
In the years that followed, while the Berlin Wall crumbled and South Africa abolished apartheid, the Israeli government rejected every opportunity for reconciliation with Palestine. But Raja Shehadeh, human rights lawyer and Palestine's greatest living writer, suggests that this does not mean the two nations cannot work together as partners on the road to peace, not genocide.
In graceful, devastatingly observed prose, this is a fresh perspective for a time of great need.
In the years that followed, while the Berlin Wall crumbled and South Africa abolished apartheid, the Israeli government rejected every opportunity for reconciliation with Palestine. But Raja Shehadeh, human rights lawyer and Palestine's greatest living writer, suggests that this does not mean the two nations cannot work together as partners on the road to peace, not genocide.
In graceful, devastatingly observed prose, this is a fresh perspective for a time of great need.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.07.2024Israels Furcht und das Elend der Palästinenser
Gedanken zur womöglich heillosen Situation im Nahen Osten
Am 24. März 2016 erschoss der israelische Militärsanitäter Elor Azaria in Hebron einen bereits angeschossenen und kampfunfähig am Boden liegenden palästinensischen Attentäter. Zu seiner Rechtfertigung führte er an, er habe den Mann immer noch für eine Gefahr gehalten. Diese "außergerichtliche Tötung", wie sie ähnlich seinerzeit öfter vorkam, sorgte nur deshalb für heftige Kontroversen und ein gerichtliches Nachspiel, weil der Vorfall gefilmt worden war. Eine Mehrheit der israelischen Gesellschaft stellte sich hinter Azaria; Demonstranten unterstützten ihn; Ministerpräsident Netanjahu erklärte seine Solidarität. Azaria wurde zu achtzehn Monaten Haft verurteilt, von denen er neun absaß.
In seinem neuen Buch fragt Raja Shehadeh, unter anderem anhand dieses Falls, was mit Israel los ist, dass ein junger Mann offenbar kaltblütig jemanden, der wehrlos am Boden liegt, erschießt und dass sich seine Gesellschaft mehrheitlich hinter ihn stellt. Das ist für ihn Teil der größeren Frage, warum Israel so hartnäckig an der Besatzung festhält, obwohl es Möglichkeiten zu einer friedlichen Regelung des Konflikts gegeben hätte. Diese Frage behandelt er in einer knappen Rekapitulation der Geschichte des Konflikts; insgesamt behandelt das schmale Buch den Zusammenhang dieser Geschichte mit dem 7. Oktober und die Frage, ob sich mit dem 7. Oktober und dem Krieg, den er ausgelöst hat, die Perspektiven der Palästinafrage verändert haben oder noch verändern können.
Der Autor ist Anwalt in der Westbank und war lange Zeit Menschenrechtsaktivist (u. a. mit der Gründung der Organisation "Al-Haqq"), hat sich aber auch in Büchern und Artikeln mit der Lage im besetzten Palästina und ihren verschiedenen Aspekten beschäftigt - als Jurist, als Menschenrechtler und als einfühlsamer Schriftsteller. Er hat viel zum Verständnis dieser Lage beim englischsprachigen westlichen Publikum beigetragen, drei seiner Bücher liegen auf Deutsch vor, ein viertes erscheint demnächst.
Nachdem während der britischen Mandatszeit die Grundlagen für den Staat Israel gelegt worden waren, übernahmen die Zionisten im Krieg von 1947 bis 1949 den größten Teil des Landes und entfernten seine palästinensischen Bewohner weitgehend aus diesem Territorium. Dies ist unter dem Begriff "Nakba" das große Trauma der Palästinenser. Eine Minderheit arabischer Bewohner verblieb als Gruppe minderen Rechts im Staat Israel. 1967 eroberte Israel dann, neben anderen Territorien, auch die Westbank und den Gazastreifen. Damit entstand eine koloniale Situation mit drei Aspekten: der Umwandlung Palästinas in Israel mit der Entstehung des Flüchtlingsproblems, der Natur des israelischen Staats als exklusiv jüdischer Staat und der Besetzung. Dies ist keine statische Situation, sondern beinhaltet beinahe seit 1967 die fortgesetzte jüdische Besiedlung dieser Gebiete mit dem Ziel der unhinterfragten Übernahme des ganzen Landes, wobei Gaza nicht mehr unmittelbar physisch besetzt ist, aber umso intensiver indirekt kontrolliert, scharf abgeriegelt und massiv bombardiert wird.
Israel glaubte sich das alles ohne größeren palästinensischen Widerstand leisten zu können. Das funktionierte auch lange Zeit. Widerstand wurde als terroristisch gebrandmarkt; die PLO, die sich zu Beginn ihrer Existenz tatsächlich terroristischer Kampfmethoden bediente und ein irredentistisches Programm hatte, boykottiert (in Israel waren Kontakte zur PLO bis 1993 ein Straftatbestand).
Die erste Intifada (ab 1987) änderte alles das. Sie war eine massenhafte Erhebung in Westbank und Gazastreifen, mit großem Einsatz, aber bewusst ohne tödliche Waffen. Sie hatte das Ziel der Errichtung eines Staates Palästina neben Israel, nicht an seiner Stelle. Darauf ließ sich dann auch das Gros der PLO ein. Das mündete mit der Madrider Konferenz 1991 in den Friedensprozess. Shehadeh, selbst als Berater in Madrid, zitiert die Rede des palästinensischen Delegationsleiters Haidar Abdulshafi, die einen gangbaren Weg zur friedlichen Beilegung des Konflikts zeichnete. Er bezeichnet das als die eine goldene Gelegenheit für Israel, auf das Friedensangebot der Palästinenser einzugehen. Sie wurde verpasst. Die Washingtoner Gespräche, die der Madrider Konferenz folgten, wurden durch die Einigung von Oslo überlagert, in der Sicht von Shehadeh eine Kapitulation der PLO, die ihren Widerstand aufgab, ohne dass Besatzung und fortgesetzte Siedlungstätigkeit beendet wurden.
Was erklärt die Weigerung Israels? Es gibt ein Bündel von Motiven, von denen Shehadeh einige andeutet: die Überzeugung maßgeblicher israelischer Politiker nach 1967, man habe nun ganz Palästina in der Hand und brauche nichts davon wieder herzugeben, der schlichte Unwille, das Land mit einem anderen Volk zu teilen, das Interesse der israelischen Rüstungsproduzenten, die ihre Produkte mit dem Hinweis vermarkten, sie seien an den Palästinensern ausprobiert, die Erstarkung messianischer Kräfte in Israel, die sich auf Gottes Landverheißung berufen, und die Überzeugung, die Palästinenser seien als Störfaktor ausgeschaltet.
Diese Überzeugung, sagt Shehadeh, war freilich irrig. Es gab immer palästinensische Opposition gegen die israelischen Pläne und Aktivitäten. Sie war vielfach friedlich, konnte aber auch gewaltsame Formen annehmen, insbesondere dann, wenn friedliche Aktivitäten nichts bewirkten oder gewaltsam unterdrückt wurden. Die erste Intifada war weitgehend friedlich. Ihre Unterdrückung und die "Übervorteilung" der Palästinenser durch Oslo führten dazu, dass die zweite Intifada (ab 2000) gewaltbetonter verlief und Angriffe auf israelische Zivilisten einschloss. Das führte dann zur Verschärfung der israelischen Politik, bis hin zu den wiederholten Angriffen auf den Gazastreifen.
Und da sind wir bei der zweiten großen Frage: Ergeben sich neue Perspektiven durch den Gazakrieg? Shehadeh sagt, dass ihn angesichts des enormen Leidensdrucks bei den Menschen in Gaza die Tatsache der Eruption nicht überrascht habe, wohl aber die Dimension der israelischen Reaktion: Der 7. Oktober war ein so harter Schlag für Israel, dass er sich für die Menschen nur aushalten ließ, wenn man ihnen einen totalen Sieg, die totale Vernichtung des Feindes in Aussicht stellte. Entsprechend war dann auch das Vorgehen der israelischen Armee, dessen Auswirkungen Shehadeh im Einzelnen beschreibt und das auch wir zur Kenntnis nehmen können, das den Israelis aber weitgehend verborgen bleibt.
Dieses Vorgehen bringt immer schärfere globale Kritik an Israel mit sich, die zwar die israelische Führung vorläufig glaubt ignorieren zu können, die dem Land aber doch sehr schaden dürfte, denn es ist auf äußere Unterstützung existenziell angewiesen - in erster Linie auf die der USA, auf deren Haltung und mehr noch auf deren tatsächliches Verhalten daher sehr viel ankommt, von denen Shehadeh aber nichts Positives erwartet, wenn sie alleiniger Schiedsrichter bei künftigen Verhandlungen sein sollten.
Das Buch endet mit einem Anflug von Skepsis und Hoffnung gleichzeitig. Für die Palästinenser und Israelis, "die mit unerschütterlicher Gewissheit wissen, dass die einzige Zukunft der beiden Völker darin liegt, zusammenzuleben, mag die Zukunft trostlos erscheinen. Und doch, wenn man auf die Geschichte der Region zurückblickt, folgen hoffnungsvolle Konsequenzen nur nach großen Umwälzungen." ALEXANDER FLORES
Raja Shehadeh: What Does Israel Fear from Palestine?
Profile Books, London 2024. 128 S., 7,99 £.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
Gedanken zur womöglich heillosen Situation im Nahen Osten
Am 24. März 2016 erschoss der israelische Militärsanitäter Elor Azaria in Hebron einen bereits angeschossenen und kampfunfähig am Boden liegenden palästinensischen Attentäter. Zu seiner Rechtfertigung führte er an, er habe den Mann immer noch für eine Gefahr gehalten. Diese "außergerichtliche Tötung", wie sie ähnlich seinerzeit öfter vorkam, sorgte nur deshalb für heftige Kontroversen und ein gerichtliches Nachspiel, weil der Vorfall gefilmt worden war. Eine Mehrheit der israelischen Gesellschaft stellte sich hinter Azaria; Demonstranten unterstützten ihn; Ministerpräsident Netanjahu erklärte seine Solidarität. Azaria wurde zu achtzehn Monaten Haft verurteilt, von denen er neun absaß.
In seinem neuen Buch fragt Raja Shehadeh, unter anderem anhand dieses Falls, was mit Israel los ist, dass ein junger Mann offenbar kaltblütig jemanden, der wehrlos am Boden liegt, erschießt und dass sich seine Gesellschaft mehrheitlich hinter ihn stellt. Das ist für ihn Teil der größeren Frage, warum Israel so hartnäckig an der Besatzung festhält, obwohl es Möglichkeiten zu einer friedlichen Regelung des Konflikts gegeben hätte. Diese Frage behandelt er in einer knappen Rekapitulation der Geschichte des Konflikts; insgesamt behandelt das schmale Buch den Zusammenhang dieser Geschichte mit dem 7. Oktober und die Frage, ob sich mit dem 7. Oktober und dem Krieg, den er ausgelöst hat, die Perspektiven der Palästinafrage verändert haben oder noch verändern können.
Der Autor ist Anwalt in der Westbank und war lange Zeit Menschenrechtsaktivist (u. a. mit der Gründung der Organisation "Al-Haqq"), hat sich aber auch in Büchern und Artikeln mit der Lage im besetzten Palästina und ihren verschiedenen Aspekten beschäftigt - als Jurist, als Menschenrechtler und als einfühlsamer Schriftsteller. Er hat viel zum Verständnis dieser Lage beim englischsprachigen westlichen Publikum beigetragen, drei seiner Bücher liegen auf Deutsch vor, ein viertes erscheint demnächst.
Nachdem während der britischen Mandatszeit die Grundlagen für den Staat Israel gelegt worden waren, übernahmen die Zionisten im Krieg von 1947 bis 1949 den größten Teil des Landes und entfernten seine palästinensischen Bewohner weitgehend aus diesem Territorium. Dies ist unter dem Begriff "Nakba" das große Trauma der Palästinenser. Eine Minderheit arabischer Bewohner verblieb als Gruppe minderen Rechts im Staat Israel. 1967 eroberte Israel dann, neben anderen Territorien, auch die Westbank und den Gazastreifen. Damit entstand eine koloniale Situation mit drei Aspekten: der Umwandlung Palästinas in Israel mit der Entstehung des Flüchtlingsproblems, der Natur des israelischen Staats als exklusiv jüdischer Staat und der Besetzung. Dies ist keine statische Situation, sondern beinhaltet beinahe seit 1967 die fortgesetzte jüdische Besiedlung dieser Gebiete mit dem Ziel der unhinterfragten Übernahme des ganzen Landes, wobei Gaza nicht mehr unmittelbar physisch besetzt ist, aber umso intensiver indirekt kontrolliert, scharf abgeriegelt und massiv bombardiert wird.
Israel glaubte sich das alles ohne größeren palästinensischen Widerstand leisten zu können. Das funktionierte auch lange Zeit. Widerstand wurde als terroristisch gebrandmarkt; die PLO, die sich zu Beginn ihrer Existenz tatsächlich terroristischer Kampfmethoden bediente und ein irredentistisches Programm hatte, boykottiert (in Israel waren Kontakte zur PLO bis 1993 ein Straftatbestand).
Die erste Intifada (ab 1987) änderte alles das. Sie war eine massenhafte Erhebung in Westbank und Gazastreifen, mit großem Einsatz, aber bewusst ohne tödliche Waffen. Sie hatte das Ziel der Errichtung eines Staates Palästina neben Israel, nicht an seiner Stelle. Darauf ließ sich dann auch das Gros der PLO ein. Das mündete mit der Madrider Konferenz 1991 in den Friedensprozess. Shehadeh, selbst als Berater in Madrid, zitiert die Rede des palästinensischen Delegationsleiters Haidar Abdulshafi, die einen gangbaren Weg zur friedlichen Beilegung des Konflikts zeichnete. Er bezeichnet das als die eine goldene Gelegenheit für Israel, auf das Friedensangebot der Palästinenser einzugehen. Sie wurde verpasst. Die Washingtoner Gespräche, die der Madrider Konferenz folgten, wurden durch die Einigung von Oslo überlagert, in der Sicht von Shehadeh eine Kapitulation der PLO, die ihren Widerstand aufgab, ohne dass Besatzung und fortgesetzte Siedlungstätigkeit beendet wurden.
Was erklärt die Weigerung Israels? Es gibt ein Bündel von Motiven, von denen Shehadeh einige andeutet: die Überzeugung maßgeblicher israelischer Politiker nach 1967, man habe nun ganz Palästina in der Hand und brauche nichts davon wieder herzugeben, der schlichte Unwille, das Land mit einem anderen Volk zu teilen, das Interesse der israelischen Rüstungsproduzenten, die ihre Produkte mit dem Hinweis vermarkten, sie seien an den Palästinensern ausprobiert, die Erstarkung messianischer Kräfte in Israel, die sich auf Gottes Landverheißung berufen, und die Überzeugung, die Palästinenser seien als Störfaktor ausgeschaltet.
Diese Überzeugung, sagt Shehadeh, war freilich irrig. Es gab immer palästinensische Opposition gegen die israelischen Pläne und Aktivitäten. Sie war vielfach friedlich, konnte aber auch gewaltsame Formen annehmen, insbesondere dann, wenn friedliche Aktivitäten nichts bewirkten oder gewaltsam unterdrückt wurden. Die erste Intifada war weitgehend friedlich. Ihre Unterdrückung und die "Übervorteilung" der Palästinenser durch Oslo führten dazu, dass die zweite Intifada (ab 2000) gewaltbetonter verlief und Angriffe auf israelische Zivilisten einschloss. Das führte dann zur Verschärfung der israelischen Politik, bis hin zu den wiederholten Angriffen auf den Gazastreifen.
Und da sind wir bei der zweiten großen Frage: Ergeben sich neue Perspektiven durch den Gazakrieg? Shehadeh sagt, dass ihn angesichts des enormen Leidensdrucks bei den Menschen in Gaza die Tatsache der Eruption nicht überrascht habe, wohl aber die Dimension der israelischen Reaktion: Der 7. Oktober war ein so harter Schlag für Israel, dass er sich für die Menschen nur aushalten ließ, wenn man ihnen einen totalen Sieg, die totale Vernichtung des Feindes in Aussicht stellte. Entsprechend war dann auch das Vorgehen der israelischen Armee, dessen Auswirkungen Shehadeh im Einzelnen beschreibt und das auch wir zur Kenntnis nehmen können, das den Israelis aber weitgehend verborgen bleibt.
Dieses Vorgehen bringt immer schärfere globale Kritik an Israel mit sich, die zwar die israelische Führung vorläufig glaubt ignorieren zu können, die dem Land aber doch sehr schaden dürfte, denn es ist auf äußere Unterstützung existenziell angewiesen - in erster Linie auf die der USA, auf deren Haltung und mehr noch auf deren tatsächliches Verhalten daher sehr viel ankommt, von denen Shehadeh aber nichts Positives erwartet, wenn sie alleiniger Schiedsrichter bei künftigen Verhandlungen sein sollten.
Das Buch endet mit einem Anflug von Skepsis und Hoffnung gleichzeitig. Für die Palästinenser und Israelis, "die mit unerschütterlicher Gewissheit wissen, dass die einzige Zukunft der beiden Völker darin liegt, zusammenzuleben, mag die Zukunft trostlos erscheinen. Und doch, wenn man auf die Geschichte der Region zurückblickt, folgen hoffnungsvolle Konsequenzen nur nach großen Umwälzungen." ALEXANDER FLORES
Raja Shehadeh: What Does Israel Fear from Palestine?
Profile Books, London 2024. 128 S., 7,99 £.
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