“When Women were Dragons” von Kelly Barnhill ist ein magischer, symbolischer, fesselnder, zutiefst feministischer und hochgradig aktueller Roman, der sich mit Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, Unterdrückung, weiblicher Wut und persönlicher Freiheit auseinandersetzt. Barnhill entwirft eine
fiktive Welt, die unübersehbare Parallelen zur realen Welt aufweist, in der wir leben – insbesondere…mehr“When Women were Dragons” von Kelly Barnhill ist ein magischer, symbolischer, fesselnder, zutiefst feministischer und hochgradig aktueller Roman, der sich mit Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, Unterdrückung, weiblicher Wut und persönlicher Freiheit auseinandersetzt. Barnhill entwirft eine fiktive Welt, die unübersehbare Parallelen zur realen Welt aufweist, in der wir leben – insbesondere hinsichtlich patriarchaler Strukturen und der Unterdrückung weiblicher Stärke.
Der Roman spielt in einer alternativen Zeitversion der 1950er Jahre, die von rigiden gesellschaftlichen Normen geprägt ist. Die Geschichte kreist um ein mysteriöses Ereignis, das als „Massendrachenwandeln“ bekannt wird: Tausende Frauen verwandeln sich plötzlich in Drachinnen, verlassen ihr altes Leben und brechen buchstäblich ihre sozialen und familiären Fesseln.
Im Zentrum der Geschichte steht die junge Protagonistin Alex Green, die versucht, in einer Welt zurechtzukommen, die sowohl die Drachinnenen als auch die Frauen, die sie einst waren, ignoriert, verleugnet, unterdrückt, ausbeutet und verurteilt. Alex wächst in einer klassischen Familie mit einem abwesenden Vater und einer strengen, sich selbst zügelnden Mutter auf und kümmert sich um ihre jüngere Cousine Beatrice, die nach der Verwandlung ihrer eigenen Mutter – Alex’ Tante Marla – von der Familie aufgenommen wurde. Diese Verwandlung wird stellvertretend für die unzähligen anderen offiziell nicht nur nicht anerkannt, sondern verschwiegen und zu einem Tabuthema erklärt, weshalb es in Alex’ Alltag umso gegenwärtiger und gleichzeitig verwirrender bleibt und ihr eigenes Handeln stark beeinflusst.
Neben den vielen handelnden Personen fallen doch die starken Charaktere von Alex und Beatrice auf, die unterschiedlicher nicht sein könnten:
Alex, wird als eine vielschichtige Protagonistin gezeichnet, die im Spannungsfeld zwischen Anpassung und Rebellion lebt. Ihre Erziehung und das patriarchal geprägte Umfeld formen sie zu einem zurückhaltenden, pflichtbewussten Mädchen, doch in ihrem Inneren brodelt ein Verlangen nach Wissen, Freiheit und Wahrheit. Ihre Entwicklung im Laufe des Romans – von einer unsicheren und angepassten Jugendlichen zu einer selbstbewussten und frei denkenden jungen Frau – ist ein zentrales Element der Geschichte, das durch die glaubwürdige Darstellung eine enge Verbindung zu den LeserInnen schafft.
Beatrice, Alex’ jüngere Cousine, steht hingegen symbolisch für die nächste Generation, die nahezu unberührt von den alten Konventionen heranwächst. Ihre kindliche Neugier und Unschuld sind ein starker Kontrast zur unterdrückenden Realität, in der Alex lebt, und machen sie zu einem Hoffnungsschimmer für eine Zukunft, in der Frauen unabhängig denken und leben können.
Und dann haben wir als eine sehr wichtige Komponente noch die Drachinnen. Als Kollektiv stehen sie für alle Frauen, die endlich ihre Ketten sprengen, in die sie durch gesellschaftliche Erwartungen, patriarchal geprägte Rollenbilder und emotionale Lasten gelegt wurden. Ihre Stärke, ihr Mut und ihr Zusammenhalt inspirieren und zeigen gleichzeitig, dass alles seinen Preis hat.
Der Roman wird in einer Art fiktiver Geschichtsschreibung erzählt, in der das Phänomen des Drachenwandelns auf der einen Seite dokumentiert, aber gleichzeitig verschwiegen wird. Offizielle Berichte, Zeitungsartikel, Briefe und wissenschaftliche Texte sind in die Erzählung eingewoben und verleihen der Handlung eine einzigartige Textur. Die Verwandlung der Frauen wird hierbei nie vollständig erklärt, steht aber als kraftvolles Symbol für weibliche Befreiung und unterdrückte Wut. Obwohl Alex die Hauptfigur der Handlung ist, gibt es immer wieder Perspektivwechsel, die Einblicke in das kollektive Trauma und gleichzeitig auch die kollektive Kraft der Frauen bieten, die sich verwandeln. Die bewusste Verdrängung und Tabuisierung dieser Verwandlungen durch die Behörden und schlussendlich durch die ganze Gesellschaft wird durch die Erzählstruktur reflektiert: Lücken, unzuverlässige Berichte und widersprüchliche Darstellungen verschiedener Personen spiegeln die realen Mechanismen wider, mit denen Machtstrukturen immer wieder versuchen, marginalisierte Gruppen unsichtbar und damit handlungsunfähig zu machen.
Schlussendlich ist “When Women were Dragons” ein kraftvoller, feministischer Roman, der mit seiner originellen Erzählweise, vielschichtigen Charakteren und tiefgründigen Symbolik beeindruckt. Kelly Barnhill zeigt eindrucksvoll, wie wichtig es ist, nicht nur über die Geschichten derer zu sprechen, die oft unsichtbar bleiben, sondern ihnen selbst den Raum zu geben, um ihre Stimme zu entfalten. Dieses Buch ist eine absolute Empfehlung für LeserInnen, die sich mit feministischen und gesellschaftskritischen Themen auseinandersetzen möchten.
Ein Roman, der Mut macht, wütend zu sein – und daran zu wachsen.