Shortlisted for the Financial Times and Goldman Sachs Business Book of the Year Award 2012.
Why are some nations more prosperous than others? Why Nations Fail sets out to answer this question, with a compelling and elegantly argued new theory: that it is not down to climate, geography or culture, but because of institutions. Drawing on an extraordinary range of contemporary and historical examples, from ancient Rome through the Tudors to modern-day China, leading academics Daron Acemoglu and James A. Robinson show that to invest and prosper, people need to know that if they work hard, they can make money and actually keep it - and this means sound institutions that allow virtuous circles of innovation, expansion and peace.
Based on fifteen years of research, and answering the competing arguments of authors ranging from Max Weber to Jeffrey Sachs and Jared Diamond, Acemoglu and Robinson step boldly into the territory of Francis Fukuyama and Ian Morris. They blend economics, politics, history and current affairs to provide a new, powerful and persuasive way of understanding wealth and poverty.
Why are some nations more prosperous than others? Why Nations Fail sets out to answer this question, with a compelling and elegantly argued new theory: that it is not down to climate, geography or culture, but because of institutions. Drawing on an extraordinary range of contemporary and historical examples, from ancient Rome through the Tudors to modern-day China, leading academics Daron Acemoglu and James A. Robinson show that to invest and prosper, people need to know that if they work hard, they can make money and actually keep it - and this means sound institutions that allow virtuous circles of innovation, expansion and peace.
Based on fifteen years of research, and answering the competing arguments of authors ranging from Max Weber to Jeffrey Sachs and Jared Diamond, Acemoglu and Robinson step boldly into the territory of Francis Fukuyama and Ian Morris. They blend economics, politics, history and current affairs to provide a new, powerful and persuasive way of understanding wealth and poverty.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.12.2012Schneller wachsen
Der Ökonom Daron Acemoglu erklärt, warum gute politische Institutionen so wichtig sind.
Von Gerald Braunberger
Die Frage nach den Ursachen des wirtschaftlichen Wohlstands hat im 18. Jahrhundert Adam Smith, den Vater der modernen Wirtschaftslehre, beschäftigt, und nach ihm viele andere Ökonomen. Im Frühjahr 2012 ist mit "Why Nations Fail" von Daron Acemoglu (Massachusetts Institute of Technology) und James Robinson (Harvard University) ein Buch erschienen, das sich würdig, in die Reihe der Werke zur Erklärung des wirtschaftlichen Wohlstands einreiht. "Why Nations Fail" ist populärwissenschaftlich verfasst, beruht indessen auf einer rund ein Dutzend Jahre währenden Forscherarbeit mit zahlreichen, zum Teil sehr speziellen Publikationen in der wissenschaftlichen Fachpresse. Das Buch wird im Frühjahr 2013 in einer deutschen Ausgabe im S. Fischer Verlag (Frankfurt) erscheinen.
Es gibt viele Begründungen, warum manche Länder reich und andere arm sind. Als Erklärungsfaktoren werden unter anderem unterschiedliche geographische Gegebenheiten oder kulturelle Unterschiede genannt. Acemoglu und Robinson sagen pointiert: Es sind vor allem die politischen Institutionen eines Landes, die über seinen wirtschaftlichen Erfolg entscheiden. Der materielle Wohlstand eines Landes wird sehr stark durch den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt bestimmt. Dieser wiederum lässt sich nicht zentral durch die Politik planen. Er wird umso größer sein, je mehr Menschen Anreize besitzen, sich wirtschaftlich tätig zu beteiligen und die Früchte ihrer Erfolge auch zu ernten. Hierfür wiederum ist die Ausgestaltung der politischen Institutionen entscheidend.
Acemoglu und Robinson unterscheiden zwischen zwei Formen von Institutionen, die sie als "ausbeuterisch" (extractive) und als "allumfassend" (inclusive) kennzeichnen. "Ausbeuterisch" sind politische Herrschaftsformen, in denen sich eine kleine Zahl von Menschen über die Ausübung politischer und wirtschaftlicher Macht zu Lasten der Masse der Menschen bereichern. Ein Beispiel war die Sowjetunion. In solchen Regimen besitzen die meisten Menschen keine Anreize, sich wirtschaftlich zu engagieren. Ausbeuterische Regime können - manchmal über Jahrzehnte - wirtschaftliche Fortschritte erzielen, solange sie Innovationen aus anderen Ländern abkupfern, aber auf lange Sicht scheitern diese Länder an ihrer Innovationsfeindlichkeit. Daher sehen die beiden Autoren China nicht auf einem langfristigen Erfolgspfad, solange sich die politischen Verhältnisse dort nicht ändern.
"Allumfassend" beschreibt die sich als Bürgergesellschaft verstehende Demokratie, die nicht de facto durch stabile Eliten beherrscht wird. Sie gestattet als einzige Herrschaftsform einer großen Zahl von Menschen die Entfaltung wirtschaftlicher Initiative, indem die Demokratie den Rechtsrahmen für Marktwirtschaft und Wettbewerb schafft, die ihrerseits Innovation und wirtschaftlichen Wandel ermöglichen.
Acemoglu und Robinson belegen ihre These an vielen Beispielen, die zeitlich bis in die jüngere Steinzeit zurückreichen und geographisch den Globus umfassen. Günstige politische Institutionen seien es gewesen, die in England die Industrielle Revolution begünstigten, die anschießend unter anderem durch die Französische Revolution und Napoleon ihre Ausbreitung auf dem Kontinent fand.
Das Buch ist sehr faktenreich und erlaubt vielerlei faszinierende, gelegentlich auch amüsante Einblicke in wenig bekannte Episoden der Weltgeschichte, ermüdet aber gelegentlich durch unnötige Wiederholungen. Seit seiner Veröffentlichung betreiben Acemoglu und Robinson ein hoch interessantes Blog (www.whynationsfail.com), in dem sie über weitere Forschungen und die Aufnahme ihrer Arbeiten berichten. Die größte Stärke des Buches bildet auch den wichtigsten Angriffspunkt. Zur wissenschaftlichen Arbeit gehört die Reduktion auf das Wesentliche; insofern ist die These, dass fast ausschließlich die politischen Institutionen über den langfristigen wirtschaftlichen Wohlstand entscheiden, sehr pointiert, aber natürlich auch sehr leserfreundlich.
Die Fachkritik setzt genau an diesem Punkt an. Die meisten Rezensenten äußern sich anerkennend über das Werk; sie bestreiten auch nicht, dass Acemoglu und Robinson zu Recht darauf verweisen, dass die Bedeutung guter politischer Institutionen für den Prozess wirtschaftlichen Wachstums unterschätzt werden mag. Aber nicht wenige Rezensenten kommen auch zu dem Schluss, dass die beiden Autoren die Bedeutung der politischen Institutionen zu hoch gewichten und andere Einflussfaktoren wie etwa die Geographie unterschätzen.
"Why Nations Fail" ist vielleicht kein perfektes, aber ein wichtiges Buch. Es zeigt, dass sehr gute moderne Ökonomen sich keineswegs nur mit Zahlenund Fußnotenfriedhöfen beschäftigen, sondern den Blick auf die großen Zusammenhänge von Politik und Wirtschaft nicht vergessen haben.
Daron Acemoglu / James Robinson: Warum Nationen scheitern. Erschienen 2012, auf Deutsch März 2013 bei S. Fischer 24,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Ökonom Daron Acemoglu erklärt, warum gute politische Institutionen so wichtig sind.
Von Gerald Braunberger
Die Frage nach den Ursachen des wirtschaftlichen Wohlstands hat im 18. Jahrhundert Adam Smith, den Vater der modernen Wirtschaftslehre, beschäftigt, und nach ihm viele andere Ökonomen. Im Frühjahr 2012 ist mit "Why Nations Fail" von Daron Acemoglu (Massachusetts Institute of Technology) und James Robinson (Harvard University) ein Buch erschienen, das sich würdig, in die Reihe der Werke zur Erklärung des wirtschaftlichen Wohlstands einreiht. "Why Nations Fail" ist populärwissenschaftlich verfasst, beruht indessen auf einer rund ein Dutzend Jahre währenden Forscherarbeit mit zahlreichen, zum Teil sehr speziellen Publikationen in der wissenschaftlichen Fachpresse. Das Buch wird im Frühjahr 2013 in einer deutschen Ausgabe im S. Fischer Verlag (Frankfurt) erscheinen.
Es gibt viele Begründungen, warum manche Länder reich und andere arm sind. Als Erklärungsfaktoren werden unter anderem unterschiedliche geographische Gegebenheiten oder kulturelle Unterschiede genannt. Acemoglu und Robinson sagen pointiert: Es sind vor allem die politischen Institutionen eines Landes, die über seinen wirtschaftlichen Erfolg entscheiden. Der materielle Wohlstand eines Landes wird sehr stark durch den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt bestimmt. Dieser wiederum lässt sich nicht zentral durch die Politik planen. Er wird umso größer sein, je mehr Menschen Anreize besitzen, sich wirtschaftlich tätig zu beteiligen und die Früchte ihrer Erfolge auch zu ernten. Hierfür wiederum ist die Ausgestaltung der politischen Institutionen entscheidend.
Acemoglu und Robinson unterscheiden zwischen zwei Formen von Institutionen, die sie als "ausbeuterisch" (extractive) und als "allumfassend" (inclusive) kennzeichnen. "Ausbeuterisch" sind politische Herrschaftsformen, in denen sich eine kleine Zahl von Menschen über die Ausübung politischer und wirtschaftlicher Macht zu Lasten der Masse der Menschen bereichern. Ein Beispiel war die Sowjetunion. In solchen Regimen besitzen die meisten Menschen keine Anreize, sich wirtschaftlich zu engagieren. Ausbeuterische Regime können - manchmal über Jahrzehnte - wirtschaftliche Fortschritte erzielen, solange sie Innovationen aus anderen Ländern abkupfern, aber auf lange Sicht scheitern diese Länder an ihrer Innovationsfeindlichkeit. Daher sehen die beiden Autoren China nicht auf einem langfristigen Erfolgspfad, solange sich die politischen Verhältnisse dort nicht ändern.
"Allumfassend" beschreibt die sich als Bürgergesellschaft verstehende Demokratie, die nicht de facto durch stabile Eliten beherrscht wird. Sie gestattet als einzige Herrschaftsform einer großen Zahl von Menschen die Entfaltung wirtschaftlicher Initiative, indem die Demokratie den Rechtsrahmen für Marktwirtschaft und Wettbewerb schafft, die ihrerseits Innovation und wirtschaftlichen Wandel ermöglichen.
Acemoglu und Robinson belegen ihre These an vielen Beispielen, die zeitlich bis in die jüngere Steinzeit zurückreichen und geographisch den Globus umfassen. Günstige politische Institutionen seien es gewesen, die in England die Industrielle Revolution begünstigten, die anschießend unter anderem durch die Französische Revolution und Napoleon ihre Ausbreitung auf dem Kontinent fand.
Das Buch ist sehr faktenreich und erlaubt vielerlei faszinierende, gelegentlich auch amüsante Einblicke in wenig bekannte Episoden der Weltgeschichte, ermüdet aber gelegentlich durch unnötige Wiederholungen. Seit seiner Veröffentlichung betreiben Acemoglu und Robinson ein hoch interessantes Blog (www.whynationsfail.com), in dem sie über weitere Forschungen und die Aufnahme ihrer Arbeiten berichten. Die größte Stärke des Buches bildet auch den wichtigsten Angriffspunkt. Zur wissenschaftlichen Arbeit gehört die Reduktion auf das Wesentliche; insofern ist die These, dass fast ausschließlich die politischen Institutionen über den langfristigen wirtschaftlichen Wohlstand entscheiden, sehr pointiert, aber natürlich auch sehr leserfreundlich.
Die Fachkritik setzt genau an diesem Punkt an. Die meisten Rezensenten äußern sich anerkennend über das Werk; sie bestreiten auch nicht, dass Acemoglu und Robinson zu Recht darauf verweisen, dass die Bedeutung guter politischer Institutionen für den Prozess wirtschaftlichen Wachstums unterschätzt werden mag. Aber nicht wenige Rezensenten kommen auch zu dem Schluss, dass die beiden Autoren die Bedeutung der politischen Institutionen zu hoch gewichten und andere Einflussfaktoren wie etwa die Geographie unterschätzen.
"Why Nations Fail" ist vielleicht kein perfektes, aber ein wichtiges Buch. Es zeigt, dass sehr gute moderne Ökonomen sich keineswegs nur mit Zahlenund Fußnotenfriedhöfen beschäftigen, sondern den Blick auf die großen Zusammenhänge von Politik und Wirtschaft nicht vergessen haben.
Daron Acemoglu / James Robinson: Warum Nationen scheitern. Erschienen 2012, auf Deutsch März 2013 bei S. Fischer 24,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.06.2013Die Gier der Eliten macht arm
Ein Ökonom und ein Politologe enthüllen Geheimnisse des Wohlstands
Als im vergangenen Frühjahr das Buch „Warum Nationen scheitern“ von Daron Acemoglu und James A. Robinson in New York erschien, wurde es als ein Buch der Stunde gefeiert. Eigentlich hatten Acemoglu, Wirtschaftsprofessor am Massachusetts Institute of Technology, und Robinson, Politikprofessor in Harvard, eine Großtheorie vorgelegt, mit der sie ein für alle Mal eine Urfrage der Wirtschaftswissenschaften zu beantworten versuchten: Woran liegt es, dass einige Länder chronisch arm und andere wohlhabend sind?
Ihre Antwort, nun in der deutschen Übersetzung bei S. Fischer erschienen, lautet: Es liegt daran, dass einige Staaten ihre Einwohner am Wirtschaftswachstum beteiligen und andere eben nicht. Ob Staaten dies tun und inwiefern, hängt wiederum von ihren politischen Institutionen ab – und nicht etwa von ihrer geografischen Lage, der Religion oder den kulturellen Eigenschaften. Die Formel lautet also: Gute („inklusive“) Institutionen führen zu Wohlstand, schlechte („extraktive“ oder „ausbeuterische“) zu Armut.
Diese These hatten Acemoglu und Robinson bereits lange vor der aktuellen Krise in diversen Artikeln dargelegt, die Recherchen haben anderthalb Jahrzehnte gedauert. Rezensenten in New York und London fanden die These in Buchform jedoch so erfrischend gut, dass sie mit ihrer Hilfe die jüngste Krise zu begreifen versuchten. „Die Kapitel über das antike Rom und das mittelalterliche Venedig sind besonders überzeugend“, schrieb die New York Times , „denn sie zeigen, wie ziemlich offene und florierende Gesellschaften in den Zustand geschlossener und verarmter Autokratien zurückfallen können.“ Es sei schwer, diese Kapitel zu lesen und nicht an die Vereinigten Staaten von heute zu denken, wo die wirtschaftliche Ungleichheit in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen habe. „Entsteht aus einem Prozent der amerikanischen Bevölkerung gerade eine ausbeuterische, Armut verursachende Elite?“
Die britische Zeitschrift The Economist übertrug die Kategorie „ausbeuterisch“ rasch auch auf den öffentlichen Sektor manch europäischer Länder, namentlich Griechenlands. Da falle auf, dass eine ausbeuterische Schicht nicht unbedingt eine kleine Elite sein müsse. „Wenn man die zahlreichen Empfänger von Sozialleistungen dazurechnet, bilden Menschen, die von öffentlichem Geld leben, die Mehrheit in den meisten Wohlstandsgesellschaften.“ Derartige Sozialpolitik sei aber, zu Ende gedacht, nichts als ein Teil ausgerechnet jenes „Inklusiv-Modells“, das Acemoglu und Robinson im Namen von Wirtschaftswachstum und gerechtem Wohlstand befürworteten.
Man muss betonen, dass weder Acemoglu noch sein Ko-Autor aus Harvard selbst den Anspruch erheben, die aktuelle Krise des Kapitalismus zu erklären. Acemoglu wurde vor 45 Jahren in Istanbul geboren, promovierte mit 25 an der London School of Economics und gilt mittlerweile als ein heißer Kandidat für den Nobelpreis. Sein Anspruch besteht darin, alle bisherigen Antworten auf die Frage, wie Armut entsteht, als überholt darzustellen. Montesquieu meinte seinerzeit, warmes Klima verursache Trägheit („es gibt keine Neugier, kein Unternehmertum, keinen Edelmut der Gefühle“). Mit dieser Logik lässt sich allerdings, wie Acemoglu und Robinson zeigen, der Aufstieg weder von Azteken noch von Arabern erklären. Thomas Malthus war seinerseits überzeugt, an Armut seien hauptsächlich zu viele Kinder schuld, Überbevölkerung also. John Maynard Keynes plädierte wiederum für mehr Technokraten an der Seite der Politiker – ohne Technokraten kein Reichtum. Einige Theorien haben sich längst selbst zerlegt, an einigen arbeiten sich Acemoglu und Robinson ab.
Etwa an der des amerikanischen Ökonomen Jeffrey Sachs, der als Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen ziemlich überall auf der Welt die Armut bekämpft. Sachs sagt, wer keinen Zugang zu schiffbaren Flüssen habe und keine gute Erde, dafür aber seine Heimat mit jeder Menge Insekten teilt, die tropische Krankheiten übertragen, der könne nur zum Teil für seine Armut verantwortlich gemacht werden. Stimmt nicht, sagen Acemoglu und Robinson. Mit dem Klima-Argument könne man nicht die Unterschiede zwischen Nord- und Südkorea, zwischen Ost- und Westdeutschland oder in geteilten Städtchen wie Nogales an der mexikanisch-amerikanischen Grenze erklären.
Dass ein ungünstiges Klima, bezogen auch auf Wirtschaftswachstum, das bleibt, was es ist (ungünstig), lassen die Autoren nicht gelten. Es geht ihnen ausschließlich um inklusive Institutionen versus extraktive Institutionen – bei den Maya, im Kongo vor der Kolonisierung, in der Sowjetunion, im mittelalterlichen China, in England vor und nach der Industriellen Revolution. In der deutschen Übersetzung umfasst das Buch 600 Seiten, es enthält viele historische Anekdoten und einige Ungenauigkeiten. Man erfährt etwa, in der Überlieferung von Plinius dem Älteren, wie ein Künstler den römischen Kaiser Tiberius aufsucht. Der Künstler hat ein unzerbrechliches Glas erfunden und erhofft sich eine Belohnung dafür. Tiberius erkundigt sich, ob der Künstler sein Geheimnis bereits anderen anvertraut habe. Als der Künstler verneint, wird er fortgeschleppt und enthauptet – „damit Gold nicht auf den Wert von Schlamm reduziert wird“. Das antike Rom als ein Staat mit extraktiven Institutionen: Der Künstler gründet kein Unternehmen, sondern geht zum Kaiser. Er weiß, dass er mit seiner Erfindung unter diesem Kaiser ohnehin nicht reich werden kann. Tiberius hat Angst vor Erfindungen, die sein ausbeuterisches Wirtschaftssystem durcheinander bringen könnten.
Bei einer anderen antiken Geschichte erwähnen die Autoren Jacques-Louis Davids bekanntes Gemälde „Der Schwur der Horatier“, und schreiben, das Gemälde zeige, „wie die Söhne ihren Vätern geloben, die Römische Republik notfalls unter Einsatz ihres Lebens zu verteidigen“. Der Krieg, in den die Söhne da ziehen, fand jedoch mehr als ein Jahrhundert vor der Gründung der Römischen Republik statt. Bei der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen verschätzen sich Acemoglu und Robinson um immerhin zehn Jahre.
Über solche historischen Ungenauigkeiten kann man in einem Buch, das Geschichte lediglich als Stoff zur Unterfütterung der eigenen ökonomischen These benutzt, vielleicht hinwegschauen. Nicht hinwegschauen kann man über eine irritierend offen bleibende Frage: Wann gilt den Autoren eine Nation eigentlich als gescheitert? Wenn die Menschen nichts zu essen haben, wie in Somalia? Oder wenn die Menschen zwar genug zu essen haben, wie in Saudi Arabien, aber wenig zu sagen? Es gibt einige Passagen über die Grenzen des autoritären Wachstums, aber sie gehen nicht über den Gedanken hinaus, dass demokratisches Wachstum nachhaltiger und wünschenswerter sei. Das werden viele Leser dieses Buches bereits vor der Lektüre gewusst haben.
TIM NESHITOV
Daron Acemoglu, James A. Robinson : Warum Nationen scheitern. Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut. Aus dem Englischen von Bernd Rullkötter. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2013. 608 Seiten, 24,99 Euro.
Das Buch wurde viel gelobt und
zur Krisendeutung genutzt
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Ein Ökonom und ein Politologe enthüllen Geheimnisse des Wohlstands
Als im vergangenen Frühjahr das Buch „Warum Nationen scheitern“ von Daron Acemoglu und James A. Robinson in New York erschien, wurde es als ein Buch der Stunde gefeiert. Eigentlich hatten Acemoglu, Wirtschaftsprofessor am Massachusetts Institute of Technology, und Robinson, Politikprofessor in Harvard, eine Großtheorie vorgelegt, mit der sie ein für alle Mal eine Urfrage der Wirtschaftswissenschaften zu beantworten versuchten: Woran liegt es, dass einige Länder chronisch arm und andere wohlhabend sind?
Ihre Antwort, nun in der deutschen Übersetzung bei S. Fischer erschienen, lautet: Es liegt daran, dass einige Staaten ihre Einwohner am Wirtschaftswachstum beteiligen und andere eben nicht. Ob Staaten dies tun und inwiefern, hängt wiederum von ihren politischen Institutionen ab – und nicht etwa von ihrer geografischen Lage, der Religion oder den kulturellen Eigenschaften. Die Formel lautet also: Gute („inklusive“) Institutionen führen zu Wohlstand, schlechte („extraktive“ oder „ausbeuterische“) zu Armut.
Diese These hatten Acemoglu und Robinson bereits lange vor der aktuellen Krise in diversen Artikeln dargelegt, die Recherchen haben anderthalb Jahrzehnte gedauert. Rezensenten in New York und London fanden die These in Buchform jedoch so erfrischend gut, dass sie mit ihrer Hilfe die jüngste Krise zu begreifen versuchten. „Die Kapitel über das antike Rom und das mittelalterliche Venedig sind besonders überzeugend“, schrieb die New York Times , „denn sie zeigen, wie ziemlich offene und florierende Gesellschaften in den Zustand geschlossener und verarmter Autokratien zurückfallen können.“ Es sei schwer, diese Kapitel zu lesen und nicht an die Vereinigten Staaten von heute zu denken, wo die wirtschaftliche Ungleichheit in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen habe. „Entsteht aus einem Prozent der amerikanischen Bevölkerung gerade eine ausbeuterische, Armut verursachende Elite?“
Die britische Zeitschrift The Economist übertrug die Kategorie „ausbeuterisch“ rasch auch auf den öffentlichen Sektor manch europäischer Länder, namentlich Griechenlands. Da falle auf, dass eine ausbeuterische Schicht nicht unbedingt eine kleine Elite sein müsse. „Wenn man die zahlreichen Empfänger von Sozialleistungen dazurechnet, bilden Menschen, die von öffentlichem Geld leben, die Mehrheit in den meisten Wohlstandsgesellschaften.“ Derartige Sozialpolitik sei aber, zu Ende gedacht, nichts als ein Teil ausgerechnet jenes „Inklusiv-Modells“, das Acemoglu und Robinson im Namen von Wirtschaftswachstum und gerechtem Wohlstand befürworteten.
Man muss betonen, dass weder Acemoglu noch sein Ko-Autor aus Harvard selbst den Anspruch erheben, die aktuelle Krise des Kapitalismus zu erklären. Acemoglu wurde vor 45 Jahren in Istanbul geboren, promovierte mit 25 an der London School of Economics und gilt mittlerweile als ein heißer Kandidat für den Nobelpreis. Sein Anspruch besteht darin, alle bisherigen Antworten auf die Frage, wie Armut entsteht, als überholt darzustellen. Montesquieu meinte seinerzeit, warmes Klima verursache Trägheit („es gibt keine Neugier, kein Unternehmertum, keinen Edelmut der Gefühle“). Mit dieser Logik lässt sich allerdings, wie Acemoglu und Robinson zeigen, der Aufstieg weder von Azteken noch von Arabern erklären. Thomas Malthus war seinerseits überzeugt, an Armut seien hauptsächlich zu viele Kinder schuld, Überbevölkerung also. John Maynard Keynes plädierte wiederum für mehr Technokraten an der Seite der Politiker – ohne Technokraten kein Reichtum. Einige Theorien haben sich längst selbst zerlegt, an einigen arbeiten sich Acemoglu und Robinson ab.
Etwa an der des amerikanischen Ökonomen Jeffrey Sachs, der als Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen ziemlich überall auf der Welt die Armut bekämpft. Sachs sagt, wer keinen Zugang zu schiffbaren Flüssen habe und keine gute Erde, dafür aber seine Heimat mit jeder Menge Insekten teilt, die tropische Krankheiten übertragen, der könne nur zum Teil für seine Armut verantwortlich gemacht werden. Stimmt nicht, sagen Acemoglu und Robinson. Mit dem Klima-Argument könne man nicht die Unterschiede zwischen Nord- und Südkorea, zwischen Ost- und Westdeutschland oder in geteilten Städtchen wie Nogales an der mexikanisch-amerikanischen Grenze erklären.
Dass ein ungünstiges Klima, bezogen auch auf Wirtschaftswachstum, das bleibt, was es ist (ungünstig), lassen die Autoren nicht gelten. Es geht ihnen ausschließlich um inklusive Institutionen versus extraktive Institutionen – bei den Maya, im Kongo vor der Kolonisierung, in der Sowjetunion, im mittelalterlichen China, in England vor und nach der Industriellen Revolution. In der deutschen Übersetzung umfasst das Buch 600 Seiten, es enthält viele historische Anekdoten und einige Ungenauigkeiten. Man erfährt etwa, in der Überlieferung von Plinius dem Älteren, wie ein Künstler den römischen Kaiser Tiberius aufsucht. Der Künstler hat ein unzerbrechliches Glas erfunden und erhofft sich eine Belohnung dafür. Tiberius erkundigt sich, ob der Künstler sein Geheimnis bereits anderen anvertraut habe. Als der Künstler verneint, wird er fortgeschleppt und enthauptet – „damit Gold nicht auf den Wert von Schlamm reduziert wird“. Das antike Rom als ein Staat mit extraktiven Institutionen: Der Künstler gründet kein Unternehmen, sondern geht zum Kaiser. Er weiß, dass er mit seiner Erfindung unter diesem Kaiser ohnehin nicht reich werden kann. Tiberius hat Angst vor Erfindungen, die sein ausbeuterisches Wirtschaftssystem durcheinander bringen könnten.
Bei einer anderen antiken Geschichte erwähnen die Autoren Jacques-Louis Davids bekanntes Gemälde „Der Schwur der Horatier“, und schreiben, das Gemälde zeige, „wie die Söhne ihren Vätern geloben, die Römische Republik notfalls unter Einsatz ihres Lebens zu verteidigen“. Der Krieg, in den die Söhne da ziehen, fand jedoch mehr als ein Jahrhundert vor der Gründung der Römischen Republik statt. Bei der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen verschätzen sich Acemoglu und Robinson um immerhin zehn Jahre.
Über solche historischen Ungenauigkeiten kann man in einem Buch, das Geschichte lediglich als Stoff zur Unterfütterung der eigenen ökonomischen These benutzt, vielleicht hinwegschauen. Nicht hinwegschauen kann man über eine irritierend offen bleibende Frage: Wann gilt den Autoren eine Nation eigentlich als gescheitert? Wenn die Menschen nichts zu essen haben, wie in Somalia? Oder wenn die Menschen zwar genug zu essen haben, wie in Saudi Arabien, aber wenig zu sagen? Es gibt einige Passagen über die Grenzen des autoritären Wachstums, aber sie gehen nicht über den Gedanken hinaus, dass demokratisches Wachstum nachhaltiger und wünschenswerter sei. Das werden viele Leser dieses Buches bereits vor der Lektüre gewusst haben.
TIM NESHITOV
Daron Acemoglu, James A. Robinson : Warum Nationen scheitern. Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut. Aus dem Englischen von Bernd Rullkötter. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2013. 608 Seiten, 24,99 Euro.
Das Buch wurde viel gelobt und
zur Krisendeutung genutzt
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