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Die liberale Demokratie ist in vielen Ländern in Gefahr - Versuch einer Analyse der Gründe
Wenn die Lage unübersichtlich ist oder gar dramatisch scheint, geht der Blick oft zurück. Geschichte kann tröstlich sein oder in Panik versetzen. Dieser Tage richten sich die Augen wieder auf das Scheitern der Weimarer Republik. Damals hätten, so die an der Harvard University lehrenden Professoren für Regierungslehre Steven Levitsky und Daniel Ziblatt, etablierte Politiker die Warnzeichen nicht frühzeitig erkannt, und die Parteien seien "verhängnisvolle Bündnisse" eingegangen. Bald war es zu spät.
Die Vergangenheit beschäftigt Levitsky und Ziblatt aus Sorge um die Gegenwart. Sie untersuchen in ihrem Buch "Wie Demokratien sterben" zum einen das politische System der Vereinigten Staaten, zum anderen zeigen sie anhand historischer Beispiele aus unterschiedlichen Epochen und Gegenden, wie Demokratien zu autoritär regierten Staaten geworden sind.
"Ähnlichkeiten erkennen, bevor es zu spät ist", lautet die Devise. So haben die Autoren vier Indikatoren identifiziert, anhand derer man autokratische Politiker erkennen könne: Sie stellen die Spielregeln der Demokratie in Frage, sprechen politischen Gegnern die Legitimität ab, dulden Gewalt und sind bereit, die Freiheiten ihrer Gegner oder der Medien zu beschneiden. Bei Donald Trump leuchten alle Warnsignale auf.
Nachdem Demokratien früher häufig durch Putsche zu Fall gebracht worden seinen (man denke an den Staatsstreich der griechischen Obristen 1967, an den Sturz Salvador Allendes in Chile 1973), seien es heute oft gewählte Politiker, die demokratische Institutionen mal schneller, mal langsamer aushöhlten. Hugo Chavéz in Venezuela ist eines der Beispiele, anhand derer Levitsky und Ziblatt diese These entfalten.
Die liberale Demokratie scheint dieser Tage in vielen Ländern unter Druck. Dafür gibt es unterschiedliche Erklärungsversuche: Globalisierung und Ohnmachtsgefühle, wachsende Ungleichheit, Entfremdung zwischen Parteien und Wählern. Levitsky und Ziblatt richten den Fokus auf die Parteien. Sie seien verantwortlich für die Malaise in den Vereinigten Staaten, denn sie hätten als Wächter der Demokratie versagt. Parteien sollten den Aufstieg autoritärer Politiker verhindern, indem sie Extremisten an der eigenen Basis isolieren und keine Bündnisse mit extremistischen Parteien eingehen. Mit Blick auf den Aufstieg Trumps erheben die Autoren vor diesem Hintergrund schwere Vorwürfe gegen das republikanische Parteiestablishment. Dass die Wächter dieses Mal versagten, nachdem es über Jahrzehnte gelungen sei, extreme Kandidaten auszubremsen, führen Levitsky und Ziblatt auf eine ideologische Polarisierung, auf die soziale, ethnische und kulturelle Spaltung der Gesellschaft sowie die veränderte Medienlandschaft zurück.
Bereits seit den achtziger Jahren haben sich die Normbrüche in den Vereinigten Staaten gehäuft. Während etwa Evangelikale in den Sechzigern noch den Demokraten zugeneigt gewesen seien, hätten die Republikaner unter Ronald Reagan die christliche Rechte für sich entdeckt. Nun traten sie für Schulgebete und gegen Abtreibung ein. Die Republikanische Partei sei in den folgenden Jahrzehnten zu einer Politik der Kriegsführung übergegangen.
Wo es um die Vereinigten Staaten geht, leuchten die Überlegungen der Autoren meist ein. Levitsky und Ziblatt warnen, sind aber nicht panisch. Wenn sie hingegen historische Ereignisse aus anderen Ländern anführen, wirkt dies oft wie Staffage. Es geht allein um Fallbeispiele, die jeweiligen Kontexte werden zu wenig problematisiert. Die amerikanische Demokratie hat kaum etwas mit der brüchigen, immer wieder von Aufständen, Krisen und Inflationen geplagten Weimarer Republik gemein, die sich trotz ihrer demokratischen und sozialpolitischen Errungenschaften nicht langfristig stabilisieren konnte. Geschichte erscheint hier wie ein Teich, aus dem man dieses und jenes herausfischen kann. So machen die Autoren zwar gewisse Muster sichtbar: Manche Demokratien sterben langsam, eine gute Verfassung reicht nicht aus, sie muss durch Normen unterfüttert sein. Doch ihre oberflächlichen Vergleiche lehren uns weder viel über die Gegenwart, noch werden sie einer befriedigenden historischen Darstellung gerecht.
Manchmal ist das Buch bemerkenswert banal: "Die Demokratie ist ein Gemeinschaftsunternehmen." Das Argument dreht sich schnell im Kreis: Werden die Verantwortlichen ihrer Verantwortung gerecht, kommen keine Demagogen an die Macht. Doch wann und warum erodieren demokratische Normen? Indem sich die Autoren auf die Eliten konzentrieren, kommen gesellschaftliche und ökonomische Entwicklungen nur am Rande zur Sprache. Wie es um die Einstellung der Bevölkerung zur Demokratie bestellt ist, erscheint in diesem Buch oft als Nebensächlichkeit. Weder das Scheitern Weimars noch Trump lassen sich allein mit dem Versagen etablierter Parteien in polarisierten Zeiten erklären. Hier rächt sich das weitgehende Ausblenden struktureller Aspekte. Historische Beispiele und Vergleiche können den Blick schärfen, aber in diesem Buch sind ihre Grenzen allzu schnell erreicht.
ISABELL TROMMER.
Steven Levitsky / Daniel Ziblatt: Wie Demokratien sterben. Und was wir dagegen tun können.
Deutsche Verlagsanstalt, München 2018. 320 S., 22,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur 9punkt-Rezension
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