Mit welchem Blick wollen wir uns sehen (und gesehen werden)?
Ich habe schon einiges von Eva Lohmann gelesen, zuletzt begeisterte mich ihr wundervoller Roman „Das leise Platzen unserer Träume“. Umso mehr habe ich mich auf ihren neuen Roman „Wie du mich ansiehst“ gefreut.
Das Buch spricht auf
sehr leichte und angenehm geschriebene Art mehrere wichtige Themen an: das Älterwerden, die…mehrMit welchem Blick wollen wir uns sehen (und gesehen werden)?
Ich habe schon einiges von Eva Lohmann gelesen, zuletzt begeisterte mich ihr wundervoller Roman „Das leise Platzen unserer Träume“. Umso mehr habe ich mich auf ihren neuen Roman „Wie du mich ansiehst“ gefreut.
Das Buch spricht auf sehr leichte und angenehm geschriebene Art mehrere wichtige Themen an: das Älterwerden, die „Schönheit“ (Schönheitsideale, Schönheitsindustrie, ...), Mutterschaft und anderes.
Johanna hat die Vierzig überschritten, ist Mutter einer fünfzehnjährigen Tochter. Und sie fühlt sich nicht mehr so wohl in ihrer Haut, fühlt sich nicht mehr attraktiv (genug), nicht mehr „gesehen“. Von ihrem Mann und von Männern im allgemeinen. Deshalb lässt sie sich in kleinen Dosen Botox und Hyaluron spritzen, doch dann lässt sie mehr machen und muss sich, als es (endlich) auch ihr Mann/andere sehen, rechtfertigen, weshalb sie dies tut. Am schwierigsten ist es, dies ihrer Tochter zu erklären, der sie doch immer sagte, das Aussehen sei nicht wichtig.
Zusätzlich muss Johanna noch den Tod ihres Vaters verkraften. Er hat ihr einen Garten hinterlassen, der nach einem Streit mit ihrem Mann zu ihrem Zufluchtsort wird.
Eva Lohmann ist eine sehr kluge Erzählerin, man findet sich in ihren Worten und Beschreibungen gut wieder. Es ist eher ein Buch der leisen Töne, aber ich fand es einfach wundervoll und klug geschrieben. Ein Aufruf, sich bedingungslos zu lieben und im Älterwerden auch etwas Positives zu sehen. Ganz klare Leseempfehlung von mir!
"Dann aber schärft sie ihren Blick und versucht, sich mit den Augen eines Fremden zu sehen. Mit den Augen eines Mannes. Sie betrachtet die kleinen Fältchen um ihre Augen. Die etwas größere Falte über der Nasenwurzel. Und dann ihr Gesicht im Ganzen.
Da ist etwas, dass ihr schon öfter aufgefallen ist in den letzten Monaten. An ihr selbst, an ihren Freundinnen, eigentlich grundsätzlich an Menschen, die die Vierzig überschritten haben. Sie sind immer noch dieselben, man altert nicht über Nacht, und trotzdem, da ist etwas in den Gesichtern, für das Johanna nur ein einziges Wort einfällt. Wir sind alle erschüttert, denkt sie."
„Schönsein ist absolut akzeptiert, Schönsein-wollen seltsamerweise nicht.“
"Diese ersten Zeichen der Alterung, die ihr Körper jetzt gerade aufzeigt, werden ihr in nicht allzu weiter Zukunft vollkommen belanglos vorkommen, mehr sogar: Es wird der Tag kommen, an dem sie sich wünschen wird, ihr einziges Problem wäre eine kleine Falte zwischen den Augen.
In diesem Moment, in diesem Wartezimmer wird es ihr bewusst: ihre Jugend rieselt ihr wie eine unwiederbringliche Ressource durch die Finger. Altern ist kein reversibler Zustand. Nicht wie ein Körper, der ab- und wieder zunimmt. Kein Glück, das mal mehr und mal weniger da ist. Keine Liebesgeschichte, die sich immer wieder erneuert. Beim Altern gibt es nur eine Richtung."
"Es macht sie wütend, dass Hendrik das nicht versteht. Dass er nicht weiß, wie es sich anfühlt, im Körper eines Mädchens aufzuwachsen. Diesen Körper beim Wachsen zuzusehen - und für diesen Körper beschämt zu werden, auf immer wieder neue Weise, von Männern jeglichen Alters. Beschämt, bewertet, beurteilt."