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Alles beginnt mit einem Erdbeereis, das so widerlich schmeckt, dass es dem kindlichen Erzähler buchstäblich im Halse stecken bleibt. Sein Vater bringt den Eismann kurzerhand um. Ein Mord, der eine Kette von Ereignissen in Gang bringt, die in ihrer schicksalhaften Unvermeidbarkeit eine groteske Tragik entwickeln. Die verstörende und unentwirrbare Ebenenverschiebung treibt die Erzählung in hoher Geschwindigkeit voran. Das Karussell kindlicher Boshaftigkeitenruft auf geniale Weise die wundersame Welt der Heranwachsenden und deren brutale Gewalt in Erinnerung. Nachdem der Vater durch eine bewusste…mehr

Produktbeschreibung
Alles beginnt mit einem Erdbeereis, das so widerlich schmeckt, dass es dem kindlichen Erzähler buchstäblich im Halse stecken bleibt. Sein Vater bringt den Eismann kurzerhand um. Ein Mord, der eine Kette von Ereignissen in Gang bringt, die in ihrer schicksalhaften Unvermeidbarkeit eine groteske Tragik entwickeln. Die verstörende und unentwirrbare Ebenenverschiebung treibt die Erzählung in hoher Geschwindigkeit voran. Das Karussell kindlicher Boshaftigkeitenruft auf geniale Weise die wundersame Welt der Heranwachsenden und deren brutale Gewalt in Erinnerung. Nachdem der Vater durch eine bewusste Falschaussage des Erzählers statt zu 15 zu 25 Jahren Haft verurteilt wird, kommt es zu einer letzten Wendung, als die Ehefrau des Eismanns ihren Auftritt bekommt. Atemlos am Ende der Erzählung angelangt, beginnt die Suche nach einer Nonne. Finden wird sie nur, wer zwischen den Zeilen lesen kann.
Autorenporträt
César Aira, geboren 1949 in Coronel Pringles, veröffentlichte bisher über 80 Bücher: Romane, Novellen, Geschichten und Essays. Darüber hinaus übersetzt er aus dem Engli-schen, Französischen und Portugiesischen und lehrt an den Hochschulen von Rosario und Buenos Aires, wo er heute lebt. Aira gilt als einer der wichtigsten lateinamerika-nischen Autoren der Gegenwart - und als ihr raffiniertester. Seine Texte überraschen durch Genresprünge, aberwitzige und riskante Erzählkonstruktionen und Plots.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.06.2015

Trick & Tod
Drei unerhörte Novellen des
argentinischen Autors César Aira
VON RALPH HAMMERTHALER
Mein erstes Buch von César Aira habe ich in Sevilla gekauft. Aber nur zur Tarnung. Es war heiß damals, und ich war auf etwas Leichtes aus, ohne ausgefallenes Vokabular. Beim Stöbern in der Buchhandlung fiel mir ein Sexroman in die Hände, genau das Richtige, da würde ich ohne viel Nachschlagen im Wörterbuch mitkommen. Auf dem Cover war eine Frau zu sehen, nackter Hintern, Stöckelschuhe. Doch dann war ich zu feige, um damit an die Kasse zu gehen, und griff nach einem zweiten Buch, das den nackten Hintern verdecken sollte. So half mir Aira aus der Not, und ich werde es ihm nie vergessen.
Das Buch, das mich rettete, hieß „El error“, also „Der Fehler“, und es war völlig klar, was der Dichter damit sagen wollte. Selbst in der Hitze Sevillas darfst du deine Maßstäbe nicht verraten. „El error“ hat fast zweihundert Seiten, und vielleicht ist es das längste Buch, das Aira je geschrieben hat. Für gewöhnlich nämlich schreibt er um die hundert Seiten lange Kurzromane, teils auch als Novellen bezeichnet wegen der unerhörten Begebenheiten. Drei dieser unerhörten Novellen hat der Verlag Matthes & Seitz gerade auf Deutsch herausgebracht; sie bilden den Auftakt zur „Bibliothek César Aira“, die am Ende zehn Bände umfassen soll. Immerhin, damit wäre etwa ein Neuntel der von Aira atemlos produzierten Werke auch bei uns zu haben.
Eisdielen sind unheimlich. Nicht wegen der Kinder, sondern wegen der Väter. In einer Eisdiele, vor allem beim Anstehen, verlieren sie leicht die Nerven. Dank César Aira ist das Unheimliche der Eisdiele Literatur geworden. In der Novelle „Wie ich Nonne wurde“, eine Kindheitsgeschichte, die alles erzählt, aber nichts davon, wie ein sechsjähriges Mädchen warum auch immer Nonne wird, schmeckt das Erdbeereis nicht. Der Vater glaubt seiner Tochter so lange nicht, bis er selbst davon kostet. Er beschwert sich beim Eismann, der Streit eskaliert, am Ende ist der Eismann tot, mit dem Kopf im Erdbeereiskübel.
Altklug erzählt die Tochter die Geschichte ihres kurzen, elenden Lebens. Das Schönste darin muss das Rosa des Abendhimmels in Pringles südwestlich von Buenos Aires gewesen sein, übrigens auch Airas Geburtsstadt, „das Rosa des schwebenden, unerklärlichen Lichts“, das ihr Farbe und damit Leben gegeben hat. Fieserweise erweist sich das Rosa als Licht des Todes, denn die Eisfrau rächt ihren Eismann, indem sie das Mädchen entführt und seinen Kopf ebenfalls im Erdbeereiskübel versenkt. „Ich hielt die Augen weit aufgerissen, durch ein unglaubliches Wunder sah ich das Rosa, das mich tötete, ich sah es hell leuchten, wunderschön, viel zu schön, als dass es auszuhalten gewesen wäre.“
In Argentinien war Aira lange auf Kleinverlage angewiesen, mal der eine, mal der andere, die seine Bücher in niedrigen Auflagen veröffentlichten. Mit Übersetzungen hielt er sich über Wasser. Heute ist er ein stiller, manchen nicht ganz geheurer Star der lateinamerikanischen Literatur. Auch auf Deutsch sind einige seiner Bücher bereits in kleineren Verlagen erschienen. Bekannt geworden ist er damit noch nicht.
  Und seltsam, dass die Kritik hierzulande so tut, als sei da ein berserkerhafter, alle Regeln missachtender Autor am Werk. Liegt dieser Einschätzung ein Literaturkonzept des 19. Jahrhunderts zugrunde? In Wahrheit ist Aira leicht zu lesen und auch leicht zu durchschauen. Er stellt seine Tricks offen aus. Er verliert sich auf Abwegen, na gut, aber oft ist der Abweg viel spannender als der Weg. Er schweift ins Essayistische ab, weil ein Gedanke auftaucht, den er durch die Erzählung allein nicht vertiefen kann. Na, auch gut. Das Mädchen, das nie im Leben eine Nonne wird, ist in der Schule plötzlich ein Junge, der César Aira heißt. Was soll es da zu rätseln geben? Ehrlich gesagt, die Schreibschulen-Attitüde, die sich manche Kritiker angewöhnt haben, kann einem auf die Nerven gehen.
In „Der kleine buddhistische Mönch“ stößt ein französisches Paar, dessen Ehe längst erkaltet ist, in Korea auf einen kleinwüchsigen Mönch, der es zu einem Tempel führt. Das Paar verliert sich in Begriffsstutzigkeit und uneingestandenem Schrecken. Ein Diplomat, gleichsam rettender Bote, holt sie aus der Verirrung heraus. Der kleine Mönch sei nur eine digitale 3D-Projektion. Ob sie das nicht bemerkt hätten. Gute Frage. Was sagt die deutsche Kritik dazu?
César Aira nehme ich jedes Hakenschlagen ab. Auch den Haken ins Fantastische. Von niemandem darum gebeten, erzählt er die Geschichte eines lebensmüden chinesischen Pferdes, das angestrengt eine Pagode erklimmt, um sich hinunterzustürzen. Lieber wäre es dem Pferd gewesen, es hätte ein Giftkräutlein gefunden, aber in der Flora Koreas kannte es sich nicht aus. Es ist absolut zweitrangig, wohin sich Aira gedanklich bewegt, denn er verfügt über ein konsistentes Material, und das ist seine Sprache. Diese Sprache trägt ihn über alle Fährnisse hinweg. Sie ist von schlichter Eleganz, vergleichbar dem kleinen Schwarzen in der Damengarderobe. Klaus Laabs hat es fertiggebracht, diese unerhörte Erscheinung ins Deutsche zu übersetzen.
Im Stadtteil Flores, in Buenos Aires, ist Aira zu Hause. „Hier standen sie, die typischen Flores-Jungs: lange Haare, Lederjacken, die Motorräder auf dem Bürgersteig geparkt. Hier herrschte innehaltende Dringlichkeit.“ In Flores wird Marcia nicht von sexuell Not leidenden Jungs angemacht, sondern von zwei weiblichen Punks, und zwar ganz direkt: „Willst du ficken?“ Widerwillig, aber auch neugierig begleitet sie die beiden in einen Fast-Food-Laden. Hier spielt der Großteil der Novelle „Der Beweis“. Alltag, Provokation, innehaltende Dringlichkeit.
  Das forschere der beiden Punk-Mädchen stellt Marcia einen Liebesbeweis in Aussicht. Ein ganzer Supermarkt wird in Geiselhaft genommen, um Schauplatz eines blutigen Splatter-Finales zu sein. Mehr kann Liebe nicht sagen.
Es heißt, César Aira sei einst Trotzkist gewesen, also Anhänger der permanenten Revolution. Unter der Militärdiktatur hätten sie ihn dafür ins Gefängnis geworfen. Heute, in seinen Novellen, packt er einen Widerspruch in ein und denselben Satz, zum Zerreißen gespannt, aber der Satz reißt nicht. „Im Grunde ist die Wirklichkeit viel theoretischer als das Denken.“
César Aira: Wie ich Nonne wurde. Novelle.126 Seiten, 16 Euro. E-Book 9,99 Euro.
Der Beweis. Novelle. 95 Seiten, 14 Euro. E-Book 8,88 Euro.
Der kleine buddhistische Mönch. Novelle. 95 Seiten, 14 Euro. E-Book 8,88 Euro.
Alle drei Bände, aus dem Spanischen übersetzt von Klaus Laabs, bei Matthes & Seitz, Berlin 2015.
Unerklärliches Rosa, es ist das
Licht des Lebens und des Todes
Eisdielen sind unheimlich. Wegen
der Väter, nicht wegen der Kinder.
Wohin sich Aira auch bewegt –
seine Sprache trägt ihn überall
César Aira, hier in seinem Arbeitszimmer
in Buenos Aires, liebt die Abwege und Abschweifungen. Wer ihm folgt, wird reich belohnt.
Foto: Ricardo Ceppi/Corbis
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