Dieses Sachbuch widmet sich dem großen Thema Leben und Sterben auf besondere Art: Es stellt Gründer von Psychotherapieschulen in den Mittelpunkt und erzählt über ihren Lebensstil, ihren Sterbensstil und ihr Wirken. Wie haben sie gelebt, durch welche Irrungen und Wirrungen sind sie im Laufe ihres Lebens gegangen, welche Krisen haben sie durchlebt und wie haben sie diese bestanden? Welche Folgerungen haben sie daraus gezogen? Und schließlich: Wie sind sie gestorben? Unterhaltsam und gut lesbar erschließt sich: Ihre Haltung zu Leben und Sterben hat einen Einfluss auf die Entwicklung der jeweiligen Psychotherapie-Methode.
Geschrieben für interessierte Laien, Psychotherapeuten in Praxis und Ausbildung, Psychiater, Berater.
Aus dem Inhalt:
Freud, Jung, Adler, Moreno, Perls, Reich, von Dürckheim, Peseschkian – ihr Blick auf Leben und Sterben und die Bedeutung für ihre Psychotherapieschule.
Über den Autor:
Werner Gross, Dipl.-Psych., Psychotherapeut, Supervisor und Coach, Organisations- und Unternehmensberater.
Geschrieben für interessierte Laien, Psychotherapeuten in Praxis und Ausbildung, Psychiater, Berater.
Aus dem Inhalt:
Freud, Jung, Adler, Moreno, Perls, Reich, von Dürckheim, Peseschkian – ihr Blick auf Leben und Sterben und die Bedeutung für ihre Psychotherapieschule.
Über den Autor:
Werner Gross, Dipl.-Psych., Psychotherapeut, Supervisor und Coach, Organisations- und Unternehmensberater.
"... Das Buch von Werner Gross ist eine spannende Lektüre, die gleichermaßen unterhält und zum Nachdenken einlädt." (Natalie Waschke, in: VPP aktuell, Jg. 6, Heft 57, 2022)
"... Gross schreibt gut lesbar, man merkt auf jeder Seite den erfahrenen Autor. Aufschlussreich entfaltet sich ein Panorama der Psychologie der Moderne im Schlagschatten von Krankheit, Sterben und Tod nicht selten tatsächlich der Widerschein des Lebens ..." (Alexander Kluy, in: Psychologie Heute, Jg. 49, Heft 8, August 2022)
"... Zwischen die in gut verständlicher Sprache geschriebenen Portraits, die übrigens auch dem Laienleser einen guten Einblick in die verschiedenen Therapiemethoden geben, hat der Autor sieben "Interludien" (Zwischenspiele) gesezt, die sich noch einmal auf grundsätzlichere Weise den Themen Altern, Krankheit, Sterben und Tod annähern ..." (Martina de Ridder, in: Der Eppendorfer, 1. Juli 2022)
"... Gross schreibt gut lesbar, man merkt auf jeder Seite den erfahrenen Autor. Aufschlussreich entfaltet sich ein Panorama der Psychologie der Moderne im Schlagschatten von Krankheit, Sterben und Tod nicht selten tatsächlich der Widerschein des Lebens ..." (Alexander Kluy, in: Psychologie Heute, Jg. 49, Heft 8, August 2022)
"... Zwischen die in gut verständlicher Sprache geschriebenen Portraits, die übrigens auch dem Laienleser einen guten Einblick in die verschiedenen Therapiemethoden geben, hat der Autor sieben "Interludien" (Zwischenspiele) gesezt, die sich noch einmal auf grundsätzlichere Weise den Themen Altern, Krankheit, Sterben und Tod annähern ..." (Martina de Ridder, in: Der Eppendorfer, 1. Juli 2022)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.08.2023Der Tod als "großer Gleichmacher"
OFFENBACH Der Psychologe und Autor Werner Gross, den die Angst vor Krebs selbst aus dem Gleichgewicht geworfen hatte, schreibt über Leben und Sterben großer Psychotherapeuten.
Von Anton Jakob Weinberger
Nach 16 Jahren des Kampfes gegen den Mundhöhlenkrebs stirbt der notorische Raucher Sigmund Freud am 23. September 1939 gegen drei Uhr morgens in der Wohnung seines Londoner Exils. Tags zuvor hatte sich Freud von seinem Hausarzt Max Schur eine Dosis Morphium verabreichen lassen. Da hatte Freud, der "Vater der Psychoanalyse", sein therapeutisches Modell der im Menschen unbewusst wirkenden Triebstrebungen schon längst geschaffen: das Modell des Lebens- wie des Todestriebs. Nach dem "Anschluss" Österreichs an Nazi-Deutschland war der 1856 in Mähren, das zur k. u. k. Monarchie gehörte, geborene Freud nach London ins Exil gegangen.
Alfred Adler, der die Individualpsychologie entwickelte, erlag am 28. Mai 1937 in Schottland bei einem Waldspaziergang einem Herzinfarkt. In Aberdeen hatte sich Adler wegen einer Vorlesungsreihe aufgehalten, die er an der dortigen Universität hielt. Der Endlichkeit des menschlichen Lebens hatte der als lebenslustig, warmherzig und sozial engagiert geltende Psychotherapeut in seiner Forschung wenig Aufmerksamkeit gewidmet.
Carl Gustav Jung, der die analytische Psychologie schuf und eine Theorie der psychischen Archetypen entwarf, bereitete sich hingegen während vieler Jahre auf seinen Tod vor, besonders mithilfe der von ihm als "Initialträume" bezeichneten Wahrnehmungen, die ihm etwas über die Zukunft verrieten. Das "Jenseits" setzte Jung in seinen Träumen bisweilen mit dem Dorf Bollingen am Zürichsee gleich, wo er in den Zwanzigerjahren am Oberseeufer ein burgartiges, viertürmiges Wohnhaus errichtet hatte. Über solche Träume Jungs berichtete Marie Louise von Franz, eine Schülerin Jungs, dem mehr als vier Jahrzehnte in Offenbach praktizierenden, nun in Gelnhausen lebenden Psychotherapeuten und Publizisten Werner Gross vor geraumer Zeit in einem Gespräch.
In seinem Buch "Wie man lebt, so stirbt man. Vom Leben und Sterben großer Psychotherapeuten", erschienen im Springer Verlag Heidelberg/Berlin, hat Gross acht Persönlichkeiten porträtiert, die eine je eigene psychotherapeutische Schule geschaffen haben: Neben Freud, Adler und Jung sind das Jacob Levy Moreno, der das Psychodrama entwickelte; Fritz Perls ist Schöpfer der Gestalttherapie; von Wilhelm Reich stammt die Körpertherapie; Karlfried Graf Dürckheim ist Begründer der initiatischen Therapie und Nossrat Peseschkian schuf die Positive Psychotherapie. Gross ist es zudem gelungen, mit Familienangehörigen, Wegbegleitern oder Schülern, gar mit einem der Porträtierten, Karlfried Graf Dürckheim, zu sprechen. Es sind die Textpassagen, die dem Buch in hohem Maße Authentizität verleihen.
Mit dem Titel seines 18. Buches greift Gross eine alte deutsche Redewendung auf, die schon Christoph Lehmann (1568-1638), Schriftsteller und Speyerer Stadtschreiber, in seinem 1630 erschienenen Werk "Florilegoium politicum (Politischer Blumengarten)" erwähnt hat. Der 1949 in Rödermark geborene Diplom-Psychologe Werner Gross, der sich der Positiven Psychologie verpflichtet weiß, arbeitet nicht nur als Psychotherapeut, er ist zudem Coach, Unternehmensberater, Körpertherapeut und Publizist. Zu seinen bisherigen Büchern gehören Titel wie "Nicht nur Drogen machen süchtig", "Karriere in der Krise: die seelischen Kosten des beruflichen Aufstiegs" und "Was erlebt ein Kind im Mutterleib?".
In seinem jüngsten Buch sucht Gross Antworten auf folgende Fragen: Wie haben die acht Psychotherapeuten ihr Leben gestaltet? Wie hat der Lebensstil ihre psychotherapeutische Methode geprägt? Auf welche Weise haben Lebensstil und therapeutische Methode das Sterben des Psychotherapeuten geprägt? Zudem hat Groß zwischen den Porträts "Interludien" zu Grundfragen eingefügt. Diese Zwischenspiele behandeln Themen wie "Altern und Sterben", "Trauer und Humor", "Menschenbilder" und die Ziele der jeweiligen Psychotherapie. Es sind diese Fragen, über die Gross, wie er sagt, seit Langem versucht hat, "sich selber klarzuwerden".
Das Thema, das Gross schon seit den Achtzigerjahren umtreibt, begann unscheinbar: mit einem braunem Fleck auf seinem Rücken. Beim Sonnenbaden auf einer Wiese im Oberhessischen war der Partnerin des Psychotherapeuten eine Hautveränderung an dessen Rücken aufgefallen und sie forderte ihn auf, rasch einen Arzt aufzusuchen. Nach dem Arztbesuch folgten für Gross zwei bange Wochen, die ihn, wie er heute sagt, "aus dem Gleichgewicht brachten", sah er sich doch plötzlich mit der Frage nach dem Ende des eigenen Lebens, mit Sterben und Tod konfrontiert. Der Laborbefund erleichterte Gross: Er hatte kein Hautkrebs.
Doch unverhofft hatte er sein Thema gefunden: Schon im Studium beschäftigte sich Gross mit den Gründervätern der Psychotherapie. Um sein Studium zu finanzieren hatte er über diese Persönlichkeiten Artikel für verschiedene Zeitungen geschrieben. Nun wollte er den Lebensspuren der Therapeuten tiefer nachspüren. Mit dem Psychotherapeuten Karlfried Graf Dürckheim, der am 28. Dezember 1988 im Alter von 92 Jahren in seinem Haus in Todtmoos-Rütte im Hochschwarzwald an Altersschwäche starb, hatte Gross zwei Jahre zuvor über das Sterben gesprochen. Karlfried Graf Dürckheim, dessen Erblindung schon 1970 begonnen hatte und der gegenüber Gross während des Interviews bekannte, dass er ihn kaum noch erkennen könne, aber den "Mangel", fast nicht mehr sehen zu können, "angenommen" habe, sagte: "Das Annehmen des Todes ist für mich ganz natürlich. Ich werde eines Tages sterben und ich wünsche mir, das nicht in einer Agonie des Schmerzes tun zu müssen, sodass ich bewusst eingehen kann in das andere Leben."
Zu der Frage von Gross, ob er des Lebens überdrüssig sei, äußerte Karlfried Graf Dürckheim: "Ich würde nicht sagen: Ich habe nun genug gelebt, jetzt kann man sterben. Ich habe immer das Gefühl, es kommt immer etwas Neues dazu. Ein Geschenk folgt dem anderen, indem was Sie an Tiefendimension noch erfahren können an sich: die Freude am Leben. Ich lebe gern." So hat denn Karlfried Graf Dürckheim bis kurz vor seinem Tod nichts an seinem Tagesablauf geändert, wie er Gross schilderte: "Jeden Tag um 7 Uhr bin ich in einem Meditationsraum mit einigen Leuten, die sich dort versammeln und von 7 bis 8 Uhr in absoluter Stille sitzen. So fängt der Tag an. Und dann kommen noch die Sprechstunden. Das heißt, es kommt ein Mensch nach dem anderem zur Therapiesitzung zu mir."
Im "Interludium VI" hat Gross, wie er es nennt, "kleine Übungen" zu den Aspekten "Endlichkeit, Lebenszeit, Sterbezeit" eingefügt, bei denen er aus seiner therapeutischen Praxis schöpft. "Wenn man das Leben vom Ende her betrachtet, kann man sich fragen: Was ist für mich eigentlich ein gutes, ein gelungenes Leben?" Gross enthält dem Leser seine eigene Antwort nicht vor: "Für mich persönlich ist ein gelungenes Leben, ein sinnliches und ein sinnhaftes Leben. Sinnlich bedeutet, dass ich (kurzfristig) Spaß an meinem Leben habe. Sinnhaft bedeutet, dass ich einen (langfristigen) Sinn in meinem Leben sehe, egal, ob ich das mithilfe einer übernommenen Religion, einer Philosophie oder einem selbst gebastelten Sinnsystem tue."
Seinen Klienten ebenso wie den Lesern seines Buchs erspart Gross in diesem geistigen Zwischenspiel nicht eine Reihe existenzieller Fragen. Der Therapeut fragt den Klienten und den Leser, was er tun würde, hätte er nur noch eine Stunde, einen Tag, einen Monat oder womöglich gar noch bis zu 20 Jahre zu leben. Sodann stellt Gross dem Klienten respektive Leser die Frage: "Wie wünsche ich mir eigentlich zu sterben?" Das Spektrum der Stichworte, die der Therapeut als Gedankenstütze auffächert, ist weitgespannt: von "sanft und langsam hinüber schlafen" über "in den Armen meines/meiner Geliebten" bis "mich auflösen, weggehen, versanden, verblassen". Daran schließt Gross den Fragenkomplex an: "Und danach?" Auch dem Leser legt der Psychotherapeut die Frage nahe: "Wie sollen mich die anderen in Erinnerung behalten?"
Es ist nicht zuletzt diese Art von Ermunterung des Lesers, die Selbstprüfung zu wagen, hierin den geistigen Übungen gleichend, wie sie die Stoiker in der Antike pflegten, die das Buch von Gross zu einem Vademecum der "Philosophie als Lebenskunst" macht. Gleichwohl vermeidet Gross, Empfehlungen sei es zum "Lebens-", sei es zum "Sterbestil" auszusprechen, auch verneint er die Frage, ob die acht renommierten Psychotherapeuten, die er porträtiert hat, im Hinblick auf den "Sterbestil" Vorbilder sein könnten.
Obschon Gross das Schlusskapitel mit "Lebe dein Sterben" überschrieben hat, dabei einen Buchtitel des amerikanischen Körper-Psychotherapeuten Steven Keleman aus dem Jahr 1974 aufgreifend, beendet er seine Darlegungen mit dem Gedanken, dass der "Tod immer und überall der große Gleichmacher" sei, der alle treffen und den jeder erleben werde. Am Schluss seines Buches kommt Gross abermals auf die Frage nach dem Lebenssinn zu sprechen, zitiert bejahend den römischen Dichter Horaz: "Carpe diem."
Dem Leitgedanken "Nutze den Tag!" folgt der Psychotherapeut offenkundig selber. Mittlerweile schreibt Gross an seinem 19. Buch. Es handelt vom "Sinn und Unsinn der Religion".
Werner Gross: Wie man lebt, so stirbt man - Vom Leben und Sterben großer Psychotherapeuten; Springer Verlag Berlin, Heidelberg, 2022; 189 Seiten, 19,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
OFFENBACH Der Psychologe und Autor Werner Gross, den die Angst vor Krebs selbst aus dem Gleichgewicht geworfen hatte, schreibt über Leben und Sterben großer Psychotherapeuten.
Von Anton Jakob Weinberger
Nach 16 Jahren des Kampfes gegen den Mundhöhlenkrebs stirbt der notorische Raucher Sigmund Freud am 23. September 1939 gegen drei Uhr morgens in der Wohnung seines Londoner Exils. Tags zuvor hatte sich Freud von seinem Hausarzt Max Schur eine Dosis Morphium verabreichen lassen. Da hatte Freud, der "Vater der Psychoanalyse", sein therapeutisches Modell der im Menschen unbewusst wirkenden Triebstrebungen schon längst geschaffen: das Modell des Lebens- wie des Todestriebs. Nach dem "Anschluss" Österreichs an Nazi-Deutschland war der 1856 in Mähren, das zur k. u. k. Monarchie gehörte, geborene Freud nach London ins Exil gegangen.
Alfred Adler, der die Individualpsychologie entwickelte, erlag am 28. Mai 1937 in Schottland bei einem Waldspaziergang einem Herzinfarkt. In Aberdeen hatte sich Adler wegen einer Vorlesungsreihe aufgehalten, die er an der dortigen Universität hielt. Der Endlichkeit des menschlichen Lebens hatte der als lebenslustig, warmherzig und sozial engagiert geltende Psychotherapeut in seiner Forschung wenig Aufmerksamkeit gewidmet.
Carl Gustav Jung, der die analytische Psychologie schuf und eine Theorie der psychischen Archetypen entwarf, bereitete sich hingegen während vieler Jahre auf seinen Tod vor, besonders mithilfe der von ihm als "Initialträume" bezeichneten Wahrnehmungen, die ihm etwas über die Zukunft verrieten. Das "Jenseits" setzte Jung in seinen Träumen bisweilen mit dem Dorf Bollingen am Zürichsee gleich, wo er in den Zwanzigerjahren am Oberseeufer ein burgartiges, viertürmiges Wohnhaus errichtet hatte. Über solche Träume Jungs berichtete Marie Louise von Franz, eine Schülerin Jungs, dem mehr als vier Jahrzehnte in Offenbach praktizierenden, nun in Gelnhausen lebenden Psychotherapeuten und Publizisten Werner Gross vor geraumer Zeit in einem Gespräch.
In seinem Buch "Wie man lebt, so stirbt man. Vom Leben und Sterben großer Psychotherapeuten", erschienen im Springer Verlag Heidelberg/Berlin, hat Gross acht Persönlichkeiten porträtiert, die eine je eigene psychotherapeutische Schule geschaffen haben: Neben Freud, Adler und Jung sind das Jacob Levy Moreno, der das Psychodrama entwickelte; Fritz Perls ist Schöpfer der Gestalttherapie; von Wilhelm Reich stammt die Körpertherapie; Karlfried Graf Dürckheim ist Begründer der initiatischen Therapie und Nossrat Peseschkian schuf die Positive Psychotherapie. Gross ist es zudem gelungen, mit Familienangehörigen, Wegbegleitern oder Schülern, gar mit einem der Porträtierten, Karlfried Graf Dürckheim, zu sprechen. Es sind die Textpassagen, die dem Buch in hohem Maße Authentizität verleihen.
Mit dem Titel seines 18. Buches greift Gross eine alte deutsche Redewendung auf, die schon Christoph Lehmann (1568-1638), Schriftsteller und Speyerer Stadtschreiber, in seinem 1630 erschienenen Werk "Florilegoium politicum (Politischer Blumengarten)" erwähnt hat. Der 1949 in Rödermark geborene Diplom-Psychologe Werner Gross, der sich der Positiven Psychologie verpflichtet weiß, arbeitet nicht nur als Psychotherapeut, er ist zudem Coach, Unternehmensberater, Körpertherapeut und Publizist. Zu seinen bisherigen Büchern gehören Titel wie "Nicht nur Drogen machen süchtig", "Karriere in der Krise: die seelischen Kosten des beruflichen Aufstiegs" und "Was erlebt ein Kind im Mutterleib?".
In seinem jüngsten Buch sucht Gross Antworten auf folgende Fragen: Wie haben die acht Psychotherapeuten ihr Leben gestaltet? Wie hat der Lebensstil ihre psychotherapeutische Methode geprägt? Auf welche Weise haben Lebensstil und therapeutische Methode das Sterben des Psychotherapeuten geprägt? Zudem hat Groß zwischen den Porträts "Interludien" zu Grundfragen eingefügt. Diese Zwischenspiele behandeln Themen wie "Altern und Sterben", "Trauer und Humor", "Menschenbilder" und die Ziele der jeweiligen Psychotherapie. Es sind diese Fragen, über die Gross, wie er sagt, seit Langem versucht hat, "sich selber klarzuwerden".
Das Thema, das Gross schon seit den Achtzigerjahren umtreibt, begann unscheinbar: mit einem braunem Fleck auf seinem Rücken. Beim Sonnenbaden auf einer Wiese im Oberhessischen war der Partnerin des Psychotherapeuten eine Hautveränderung an dessen Rücken aufgefallen und sie forderte ihn auf, rasch einen Arzt aufzusuchen. Nach dem Arztbesuch folgten für Gross zwei bange Wochen, die ihn, wie er heute sagt, "aus dem Gleichgewicht brachten", sah er sich doch plötzlich mit der Frage nach dem Ende des eigenen Lebens, mit Sterben und Tod konfrontiert. Der Laborbefund erleichterte Gross: Er hatte kein Hautkrebs.
Doch unverhofft hatte er sein Thema gefunden: Schon im Studium beschäftigte sich Gross mit den Gründervätern der Psychotherapie. Um sein Studium zu finanzieren hatte er über diese Persönlichkeiten Artikel für verschiedene Zeitungen geschrieben. Nun wollte er den Lebensspuren der Therapeuten tiefer nachspüren. Mit dem Psychotherapeuten Karlfried Graf Dürckheim, der am 28. Dezember 1988 im Alter von 92 Jahren in seinem Haus in Todtmoos-Rütte im Hochschwarzwald an Altersschwäche starb, hatte Gross zwei Jahre zuvor über das Sterben gesprochen. Karlfried Graf Dürckheim, dessen Erblindung schon 1970 begonnen hatte und der gegenüber Gross während des Interviews bekannte, dass er ihn kaum noch erkennen könne, aber den "Mangel", fast nicht mehr sehen zu können, "angenommen" habe, sagte: "Das Annehmen des Todes ist für mich ganz natürlich. Ich werde eines Tages sterben und ich wünsche mir, das nicht in einer Agonie des Schmerzes tun zu müssen, sodass ich bewusst eingehen kann in das andere Leben."
Zu der Frage von Gross, ob er des Lebens überdrüssig sei, äußerte Karlfried Graf Dürckheim: "Ich würde nicht sagen: Ich habe nun genug gelebt, jetzt kann man sterben. Ich habe immer das Gefühl, es kommt immer etwas Neues dazu. Ein Geschenk folgt dem anderen, indem was Sie an Tiefendimension noch erfahren können an sich: die Freude am Leben. Ich lebe gern." So hat denn Karlfried Graf Dürckheim bis kurz vor seinem Tod nichts an seinem Tagesablauf geändert, wie er Gross schilderte: "Jeden Tag um 7 Uhr bin ich in einem Meditationsraum mit einigen Leuten, die sich dort versammeln und von 7 bis 8 Uhr in absoluter Stille sitzen. So fängt der Tag an. Und dann kommen noch die Sprechstunden. Das heißt, es kommt ein Mensch nach dem anderem zur Therapiesitzung zu mir."
Im "Interludium VI" hat Gross, wie er es nennt, "kleine Übungen" zu den Aspekten "Endlichkeit, Lebenszeit, Sterbezeit" eingefügt, bei denen er aus seiner therapeutischen Praxis schöpft. "Wenn man das Leben vom Ende her betrachtet, kann man sich fragen: Was ist für mich eigentlich ein gutes, ein gelungenes Leben?" Gross enthält dem Leser seine eigene Antwort nicht vor: "Für mich persönlich ist ein gelungenes Leben, ein sinnliches und ein sinnhaftes Leben. Sinnlich bedeutet, dass ich (kurzfristig) Spaß an meinem Leben habe. Sinnhaft bedeutet, dass ich einen (langfristigen) Sinn in meinem Leben sehe, egal, ob ich das mithilfe einer übernommenen Religion, einer Philosophie oder einem selbst gebastelten Sinnsystem tue."
Seinen Klienten ebenso wie den Lesern seines Buchs erspart Gross in diesem geistigen Zwischenspiel nicht eine Reihe existenzieller Fragen. Der Therapeut fragt den Klienten und den Leser, was er tun würde, hätte er nur noch eine Stunde, einen Tag, einen Monat oder womöglich gar noch bis zu 20 Jahre zu leben. Sodann stellt Gross dem Klienten respektive Leser die Frage: "Wie wünsche ich mir eigentlich zu sterben?" Das Spektrum der Stichworte, die der Therapeut als Gedankenstütze auffächert, ist weitgespannt: von "sanft und langsam hinüber schlafen" über "in den Armen meines/meiner Geliebten" bis "mich auflösen, weggehen, versanden, verblassen". Daran schließt Gross den Fragenkomplex an: "Und danach?" Auch dem Leser legt der Psychotherapeut die Frage nahe: "Wie sollen mich die anderen in Erinnerung behalten?"
Es ist nicht zuletzt diese Art von Ermunterung des Lesers, die Selbstprüfung zu wagen, hierin den geistigen Übungen gleichend, wie sie die Stoiker in der Antike pflegten, die das Buch von Gross zu einem Vademecum der "Philosophie als Lebenskunst" macht. Gleichwohl vermeidet Gross, Empfehlungen sei es zum "Lebens-", sei es zum "Sterbestil" auszusprechen, auch verneint er die Frage, ob die acht renommierten Psychotherapeuten, die er porträtiert hat, im Hinblick auf den "Sterbestil" Vorbilder sein könnten.
Obschon Gross das Schlusskapitel mit "Lebe dein Sterben" überschrieben hat, dabei einen Buchtitel des amerikanischen Körper-Psychotherapeuten Steven Keleman aus dem Jahr 1974 aufgreifend, beendet er seine Darlegungen mit dem Gedanken, dass der "Tod immer und überall der große Gleichmacher" sei, der alle treffen und den jeder erleben werde. Am Schluss seines Buches kommt Gross abermals auf die Frage nach dem Lebenssinn zu sprechen, zitiert bejahend den römischen Dichter Horaz: "Carpe diem."
Dem Leitgedanken "Nutze den Tag!" folgt der Psychotherapeut offenkundig selber. Mittlerweile schreibt Gross an seinem 19. Buch. Es handelt vom "Sinn und Unsinn der Religion".
Werner Gross: Wie man lebt, so stirbt man - Vom Leben und Sterben großer Psychotherapeuten; Springer Verlag Berlin, Heidelberg, 2022; 189 Seiten, 19,99 Euro
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