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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Freies Denken, Forschung und Hoffnung: Sarah Bakewell erstreckt den Begriff des Humanismus auf siebenhundert Jahre und macht mit einigen Autoren bekannt
Der Begriff Humanismus neigt zur Schwammigkeit. Der Theologe Friedrich Immanuel Niethammer, der diesen Ausdruck zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts prägte, verstand darunter einen pädagogischen Ansatz, der sich an den griechischen und römischen Klassikern orientierte. Einige Jahrzehnte später etablierten Historiker wie Georg Voigt und Jacob Burckhardt ein epochenspezifisches Begriffsverständnis. Humanismus stand bei ihnen für die von Antikebegeisterung durchtränkte Kultur und das Menschenbild der italienischen Renaissance. Wer sich hingegen heute als Humanist bezeichnet, bezieht sich dabei wahlweise auf den Besuch eines altsprachlichen Gymnasiums, die Zugehörigkeit zu einer politischen Kleinstpartei oder auf irgendwelche schwer fassbaren "menschenfreundlichen" Lebensmaximen.
Auch Sarah Bakewell, die sich zu Beginn ihres Buchs "Wie man Mensch wird" zum Humanismus bekennt, räumt den nebulösen Charakter dieser Bezeichnung ein, sieht darin aber keinen Nachteil, sondern einen Ausweis des Undogmatischen. Zugleich steht für die britische Autorin außer Zweifel, dass es ein kohärentes humanistisches Erbe gebe, das in unterschiedlichen Spielarten die Zeitalter überdauert habe. "Freies Denken, Forschung und Hoffnung", auf diese drei Kernideale lässt sich für Bakewell die humanistische Tradition herunterbrechen. Über siebenhundert Jahre verfolgt sie die Spur, von der historischen Ausgangskonstellation im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert bis in die Gegenwart. Von Dante über Wilhelm von Humboldt bis zu Bertrand Russell und Wassili Grossman.
Dabei erweist sich Bakewell wieder einmal als Meisterin des entspannten Middlebrow-Tons, wie man ihn aus ihrer unorthodoxen Montaigne-Biographie "Wie soll ich leben" oder ihrem nicht minder lesenswerten Gruppenporträt der französischen Existenzialisten ("Das Café der Existenzialisten") kennt. Im Humanisten-Buch geht sie nach dem erzählerischen Wimmelbildprinzip vor. Anschauliche biographische Skizzen zu einzelnen Dichtern, Denkern und Wissenschaftlern - ein paar Frauen wie Christine de Pizan oder Harriet Taylor Mill sind auch dabei - werden effektvoll aneinandergereiht oder anekdotenlastig miteinander verwoben. Dazwischen finden sich immer wieder Anmerkungen zur ideengeschichtlichen Einordnung oder zum historischen Hintergrundgeschehen.
Gelungen sind insbesondere die Anfangskapitel, etwa wenn Bakewell Petrarca und Boccaccio in all ihrem Bildungshunger, ihrer Sprachversessenheit und ihrer aufgeweckten Eitelkeit beschreibt. Für beide war die makellose Beherrschung des Lateinischen eine Frage der sittlichen Vollkommenheit. Doch sehnten sie sich fast noch mehr danach, Homer im Original zu lesen. Deshalb engagierte Boccaccio einen zottelbärtigen Gelehrten namens Leontius Pilatus, der die erste Griechischprofessur Westeuropas bekleiden sollte. Da dieser sich als überaus anstrengender Zeitgenosse erwies, beschimpfte Petrarca ihn einmal als "Barbaren", was Leontius über alle Maßen ärgerte. War er es doch, der die Hochkultursprache beherrschte, die dieses Schimpfwort hervorgebracht hatte.
So manchen, den man in einem Humanisten-Panorama eigentlich an vorderster Front erwarten würde, behandelt Bakewell jedoch sehr stiefmütterlich. Thomas Morus etwa, der Verfasser der genrebegründenden Schrift "Utopia", wird nur ganz kurz erwähnt. Und bei aller Sympathie für die typisch britische Liebe der Autorin zum Erzexzentriker Jeremy Bentham (Stichwort: Auto-Ikone) wirkt es doch etwas schief, wenn Bakewell Benthams utilitaristisches Glückskalkül als revolutionären Meilenstein der Moralphilosophie schlechthin feiert. "Er entwickelte ein ethisches System als Alternative zu einer Ethik, die göttliche Gebote oder so trügerische Begriffe wie 'wider die Natur' zur Grundlage moralischer Entscheidungen macht", schreibt sie und lässt dabei außen vor, dass eine solche Alternative damals auf viel grundlegendere Weise von Immanuel Kant entwickelt wurde. Wobei letzterer sich herzlich wenig um den Glücks-Output scherte.
Auch Michel de Montaigne bekommt bei Bakewell erneut einen Auftritt. Als Vorzeigehumanist gilt er ihr, weil er in seinen Schriften einschlägige Themen bearbeitete und seine frühmoderne Individualität exemplarisch feierte. Zusätzlich schien der Humanismus Montaigne buchstäblich in die Wiege gelegt worden zu sein. Er wuchs nämlich, so beteuert er selbst in seinen "Essais", auf Wunsch seines Vaters mit Latein als erster Sprache auf.
Die Begeisterung, mit der Bakewell Montaigne als "lateinischen Muttersprachler" beschreibt - schließlich hatte es so einen "seit Tausend Jahren nicht mehr gegeben" -, wirkt ansteckend. Nur liegen diesbezüglich inzwischen subtilere Interpretationen vor. Der Historiker Volker Reinhardt hat unlängst eine Montaigne-Biographie veröffentlicht, in welcher er akribisch den Selbstinszenierungen und Lesertäuschungsmanövern des Titelhelden nachgeht (F.A.Z. vom 8. August). Nicht zuletzt an Montaignes Behauptung, er habe in seinen ersten Lebensjahren ausschließlich auf Latein kommuniziert, meldet Reinhardt sehr plausible Zweifel an.
Nun ist es angesichts der Personen- und Materialfülle sowie des enormen zeitlichen Rahmens, den Bakewell sich vorgenommen hat, unvermeidlich, dass sich gelegentlich Oberflächlichkeiten, irreführende Verkürzungen und andere Patzer einschleichen. Dem lehrreichen Lesevergnügen tut das meistens keinen Abbruch. Doch spätestens wenn Bakewells Schilderung sich dem zwanzigsten Jahrhundert nähert, droht das ohnehin schwer fassbare Humanismuskonzept endgültig der Beliebigkeit anheimzufallen. So scheint nun jeder automatisch in der Tradition Petrarcas zu stehen, der sich ablehnend gegenüber dem Nationalsozialismus oder Stalinismus geäußert hat.
Während Bakewell die intrikaten Traditionslinien vom klassischen Humanismus zur marxistischen Theorie völlig außen vor lässt, handelt sie lustlos noch die Stichpunkte "Post-" und "Transhumanismus" ab: Hier noch ein knapper Verweis auf Heideggers antihumanistischen "Brief über den Humanismus", dort fällt noch pflichtschuldig der Name Michel Foucault, und irgendwann wird der Computerpionier Jaron Lanier erwähnt. Der Humanismusbegriff, für dessen zeitlose Variante Bakewell sich in der Einleitung so entschieden starkgemacht hat, büßt auf den letzten Seiten jede Kontur ein, wie ein Gesicht im Sand. MARIANNA LIEDER
Sarah Bakewell: "Wie man Mensch wird". Auf den Spuren der Humanisten. Freies Denken, Neugierde und Glück von der Renaissance bis heute.
Aus dem Englischen von Rita Seuß. C. H. Beck Verlag, München 2023. 496 S., geb., Abb., 32,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
SRF Sternstunde der Philosophie, Wolfram Eilenberger
"Eine unterhaltsam-kenntnisreiche Geschichte des Humanismus geschrieben, die einlädt, über die Ideale der Gegenwart nachzudenken."
Philosophie Magazin, Ulrich Rüdenauer
"Ein lehrreiches Lesevergnügen."
Frankfurter Allgemeine zeitung, Marianne Lieder
"Erstaunliche Biografien und Geschichten sowie Lektionen über das Menschsein und das Streben nach Glück."
P.M. History
"Ein anspruchsvolles Thema, aber Sarah Bakewell versteht es, es wunderbar darzustellen, so dass man es gerne liest. ... Ein wunderbares Einsteigerbuch."
hr2 Kultur, Joachim Weihl
"Sarah Bakewell macht mit den wichtigsten Humanisten bekannt, die uns bis heute etwas zu sagen haben ... Ihr fesselndes, vor klugen Gedanken und ungewöhnlichen Geschichten vibrierendes Buch ist eine verführerische Einladung zu einem menschlichen - glücklichen, freien, neugierigen - Leben und Denken"
theology.de
"Eine Geschichte spirituellen und intellektuellen Triumphs ... Ein episches, gruseliges und überzeugendes Geschichtswerk."
Daily Telegraph
"Bakewell macht auf schönste Weise den Lebenshunger und den Wissensdurst der Humanisten anschaulich."
Literary Review, Julian Baggini
"Sarah Bakewell schreibt auf wissenschaftlichem Niveau und zugleich leicht zugänglich ... berührend und lebensecht."
The Guardian, Jane O'Grady
"WELT, WDR5, NZZ, RBB Kultur und ORF Radio 1, Bestenliste Oktober, Platz 3"
"Kenntnisreich bewegt Bakewell sich in den Lebens- und Denkräumen ihrer Helden und wenigen Heldinnen."
WELT am Sonntag, Sebastian Fuchs,
"Der lebensbejahende Blick auf die 'menschliche Dimension' ist es, was alle Humanisten eint - das zeigt die Philosophin Sarah Bakewell in diesem großartigen Buch."
NZZ Geschichte, Lea Haller
"Vergnüglich zu lesende Tour d'Horizon durch die europäische Geistesgeschichte."
NZZ, Thomas Ribi
"Durch Kenntnisreichtum in den geistigen Räumen ihrer Helden, gelingt es ihr mit Leichtigkeit auch in die alltäglichen Lebenswelten ihrer Protagonisten einzudringen. Portraits von Zeitgenossen gelingen ihr äußert unterhaltsam."
Deutschlandfunk Büchermarkt, Katharina Teutsch
"Nach der Lektüre bleibt die Hoffnung, dass unsere gegenwärtige Welt doch wieder ein wenig menschlicher wird, ein Ort des Humanismus."
Rundfunknetzwerk Deutschland, Kristian Teetz