Ein Standardwerk für Autoren, Literaturliebhaber und jeden passionierten Leser
Roman-Poetiken von Schriftstellern gibt es viele, noch nie aber wurde bisher einmal en detail beschrieben, wie Romane in den Roman-Werkstätten der Schriftsteller entstehen. Die beiden Autoren des Bandes, ein Romancier vieler bedeutender und hoch angesehener Romane und sein langjähriger Lektor, analysieren anhand zahlreicher Beispiele solche Entstehungsprozesse, indem sie die einzelnen Arbeitsphasen der "langen Arbeit am Roman" präzise unterscheiden und immer wieder genau nachfragen, was in diesen Arbeitsphasen geschieht und wie sie sich aufeinander beziehen. Von den ersten Notizen und poetischen Eingebungen bis hin zum fertigen Manuskript erläutern sie Schritt für Schritt, welche Arbeiten (an Figuren, Schauplätzen und der Entwicklung von Szenen, Dramaturgien und Handlung) Autoren bewältigen müssen, damit aus zunächst noch sehr vage sich abzeichneneden Roman-Phantasien am Ende auch wirklich ein Roman (und vielleicht nicht nur einer, sondern nach diesem einen noch ein weiterer und noch einer ...) entstehen.
Roman-Poetiken von Schriftstellern gibt es viele, noch nie aber wurde bisher einmal en detail beschrieben, wie Romane in den Roman-Werkstätten der Schriftsteller entstehen. Die beiden Autoren des Bandes, ein Romancier vieler bedeutender und hoch angesehener Romane und sein langjähriger Lektor, analysieren anhand zahlreicher Beispiele solche Entstehungsprozesse, indem sie die einzelnen Arbeitsphasen der "langen Arbeit am Roman" präzise unterscheiden und immer wieder genau nachfragen, was in diesen Arbeitsphasen geschieht und wie sie sich aufeinander beziehen. Von den ersten Notizen und poetischen Eingebungen bis hin zum fertigen Manuskript erläutern sie Schritt für Schritt, welche Arbeiten (an Figuren, Schauplätzen und der Entwicklung von Szenen, Dramaturgien und Handlung) Autoren bewältigen müssen, damit aus zunächst noch sehr vage sich abzeichneneden Roman-Phantasien am Ende auch wirklich ein Roman (und vielleicht nicht nur einer, sondern nach diesem einen noch ein weiterer und noch einer ...) entstehen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.07.2008Vor dem Erwachen
Ortheil und Siblewski erklären, wie Romane entstehen
Wie Romane entstehen – wer wüsste es nicht gern? Ist der Roman doch das Flaggschiff unserer Literatur überhaupt. Und doch ahnt jeder, dass er auf diese Frage eher noch weniger eine exakte Antwort erhalten wird als auf die, wie ein Gedicht oder ein Drama entsteht. Was Peter Szondi für das Drama getan hat, wird sich niemals in völlig gleicher Weise für den Roman tun lassen. Auch die Geburt eines Gedichts mag im Dunkeln liegen, vielleicht sogar einem noch tieferen; aber es hat den für analytische Zwecke unschätzbaren Vorzug der Kürze und ist in jedem seiner Verse ganz und auf einmal da; man kann mit dem Finger drauf zeigen. Bei einem Roman hingegen bleibt es schon aufgrund des ihn konstituierenden Volumens immer unausgemacht, worauf sich jemand bezieht, der von ihm redet, und ob, wer die schönen atmosphärischen Schilderungen lobt, dabei mehr Seite 176 oder Seite 589 im Auge hat.
Da dieses absolute Problem von vornherein feststeht, ist man umso dankba-rer für den relativen Aufschluss, den Hanns-Josef Ortheil und Klaus Siblewski gewähren. Ortheil ist Romanautor, Siblewski Lektor; sie stehen für die beiden Seiten der Produktion, die sichtbar werden wie bei einem Webstück, auf dem man vorn das Muster, hinten aber, wo es praktischer und gröber zugeht, den Verlauf der Fäden erkennt.
Das Behagen am Amorphen
Beide Verfasser haben die ihrem Gegenstand sehr zuträgliche Form des Vortragszyklus gewählt, durch die ein unübersichtlicher Komplex sich beiläufig in große Blöcke von je vier einzelnen Veranstaltungen zerlegt, auch durchaus mit spannungsteigerndem Effekt: An dieser Stelle, meine Damen und Herren, werden wir das nächste Mal weitersehen! Ja, dieser Gestus der Zuwendung, der in die Anrede an die Damen und Herren liegt, wirkt auflockernd, er bringt Humor, Tempo und Perspektive ins Spiel und hilft das Verbissene vermeiden, das bei einem solch schillernden und wabernden Projekt besonders unnütz wäre.
Ortheil beginnt. Er agiert in einer Personalunion aus Autor und literarischem Gelehrten. Der persönliche Erfahrungsbericht und der Blick über die Schultern der Kollegen ergänzen einander. Wie sehen die ersten notierenden Anfänge bei Rolf Dieter Brinkmann, Thomas Mann, Theodor Fontane aus? Mit einem gewissen Behagen charakterisiert Ortheil das sumpfhaft Amorphe der Romanwelt, „eine gefräßige, monströse Gattung, er ist vergleichbar einem sich ununterbrochen mästenden, verfressenen Tier, das sein Autor und Erzeuger mit immer neuem Material füttern und stopfen muss.”
Ihm antwortet auf der Seite des Schreibenden das „Roman-Virus”, eine ursprüngliche und energiereiche Disposition, die sich meist schon in frühen Jahren äußert, eine schlechthin elementare „Schreiblust”, die sinnlichen Genuss an Bleistiften, Papiersorten und Krakeleien findet. Ehe diese ihr wahres Objekt gefunden hat, tobt sie sich schon in einer enzyklopädischen Obsession aus, die von allem, was es gibt, so viel und so Genaues wie möglich haben und behalten will. Die große Frage lautet dann, an wel-chem Punkt diese „Weltfolie”, dieser Scheiterhaufen aus allem Möglichen, in Brand gerät. Dieser entscheidende, beglückende Moment, um dessentwillen die Autorenexistenz als lohnend empfunden wird, gleicht dem Traum, und zwar in jener Phase kurz vor dem Erwachen, wo er schon Reflektierbarkeit erlangt, ohne doch seine Macht als Verhängtes einzubüßen. Bei Fontane zum Beispiel spürt Ortheil genau der erregenden Qualität der zwei Worte „Effi, komm” hinterher, die am Beginn von „Effi Briest” stehen: Was hatten sie zu bedeuten, welches Kraftfeld verbarg sich in ihnen, dass ein ganzes Buch daraus hervorging?
Speziell aber hat es Ortheil Jean Paul angetan, den er sehr gut kennt; ihn ehrt er als den Inbegriff des romanwütigen Temperaments, als den großen Schutzheiligen seines Fachs. Fasziniert zeichnet er nach, wie sich die zögerliche Initialzündung der „Flegeljahre” im Figürlichen begibt, wie nach den Namen getastet wird, wie Jean Paul sich zunächst selbst als Figur behütend einbringen will, dann zugunsten eines Zwillingsbruders zurücktritt und sich als Erzähler bescheidet. Nach diesen erhellenden Ausführungen wirkt, was er zum Zustandekommen eigener Werke zu sagen hat, fast ein wenig verschwommen; er spricht davon auf prägnante, aber eben nicht präzise Weise. Wahrscheinlich geht es nicht anders: Der Fotograf, der selbst mitrennt, muss notwendig verwackelte Bilder liefern.
Bei Klaus Siblewski, Lektor bei Luchterhand und damit auch für Ortheils Romane zuständig, gewinnt man den Eindruck, dass er von einem ganz anderen Typ, wenn nicht des Romans, so doch des Romanciers handelt. Bei Ortheil erschien dieser als ein leicht monströses, jedenfalls von Kraft strotzendes Naturphänomen, bei dem man möglicherweise die Bahn, niemals jedoch den Antrieb seiner Aktionen erklären kann. Für Siblewski bietet sich der Autor eher als eine Art therapeutischer Fall dar. Der Autor ist erfüllt von einer unklaren Erregung, tausend Einfälle schwirren ihm im Kopf herum; dem Lektor fällt die Aufgabe zu, aus dieser Masse den einen herauszukennen, der zur „poetischen Vision” taugt; und nur im Fall einer reinen Schnapsidee soll er dem Autor diese ausreden, sonst aber stets fördernd präsent sein.
Dass Autoren ein anstrengendes Volk sind, versteht sich von selbst; Siblewski legt typologische Listen an und unterscheidet u.a. den Debütanten, den Verlagsprofi, den übergangenen Autor, den Übertreiber. Wie jeder auf seine Weise murrt und quengelt, davon gibt er Kostproben aus seiner E-Mail-Korrespondenz. Als sympathischster Typus will dem Rezensenten der „Spätankündiger” vorkommen (obwohl diesem natürlich die Gefahr droht, dass das nunmehr fast fertige Werk in der Stille zum großen Fiasko gereift ist). Sollte ein Autor nicht die Kraft und die Scham besitzen, seinen ersten Beginn für sich zu behalten?
Bewundernd steht man vor dem Verantwortungsgefühl und feinen Takt, die dieser sichtlich sehr erfahrene Lektor unter Beweis stellt. Man wundert sich, wie viel er zu tun bekommt, und wie früh schon. Therapie fußt auf der Grundannahme, dass jeder Mensch, auch der mit großen Problemen, ein Wesen von unschätzbarem Wert sei. Das lässt sich auf Autoren so ohne weiteres nicht übertragen. Mit Argwohn und Sympathie zugleich, sagt Siblewski, soll der Lektor bei der Sache sein. „Der Lektor verwandelt sich in den Gegenpart des Autors und wird zum Anwalt des Romans, so wie der Autor ihn schreiben möchte und müsste.”
Ein ehrenwerter Grundsatz – aber doch auch einer, der Unbehagen schafft: Ob hier nicht der Eifer der Hebamme bewirkt, dass auch allzu schwächliche Kinder ins Leben dürfen? Ein übersensibles Lektorat könnte leicht zu einer Fülle von Romanen führen, die die Welt nicht braucht. Hier freilich spricht der Kritiker in eigener Sache. Der Lektor, nicht der Autor ist sein wahrer Widerpart. Beide stehen sie vor und hinter dem Werk wie ein Paar von sehr verschiedenen Engeln: als sein Schutzengel und der Engel des Gerichts.BURKHARD MÜLLER
HANNS-JOSEF ORTHEIL / KLAUS SIBLEWSKI: Wie Romane entstehen. Luchterhand Verlag, München 2008. 283 Seiten, 10 Euro.
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Ortheil und Siblewski erklären, wie Romane entstehen
Wie Romane entstehen – wer wüsste es nicht gern? Ist der Roman doch das Flaggschiff unserer Literatur überhaupt. Und doch ahnt jeder, dass er auf diese Frage eher noch weniger eine exakte Antwort erhalten wird als auf die, wie ein Gedicht oder ein Drama entsteht. Was Peter Szondi für das Drama getan hat, wird sich niemals in völlig gleicher Weise für den Roman tun lassen. Auch die Geburt eines Gedichts mag im Dunkeln liegen, vielleicht sogar einem noch tieferen; aber es hat den für analytische Zwecke unschätzbaren Vorzug der Kürze und ist in jedem seiner Verse ganz und auf einmal da; man kann mit dem Finger drauf zeigen. Bei einem Roman hingegen bleibt es schon aufgrund des ihn konstituierenden Volumens immer unausgemacht, worauf sich jemand bezieht, der von ihm redet, und ob, wer die schönen atmosphärischen Schilderungen lobt, dabei mehr Seite 176 oder Seite 589 im Auge hat.
Da dieses absolute Problem von vornherein feststeht, ist man umso dankba-rer für den relativen Aufschluss, den Hanns-Josef Ortheil und Klaus Siblewski gewähren. Ortheil ist Romanautor, Siblewski Lektor; sie stehen für die beiden Seiten der Produktion, die sichtbar werden wie bei einem Webstück, auf dem man vorn das Muster, hinten aber, wo es praktischer und gröber zugeht, den Verlauf der Fäden erkennt.
Das Behagen am Amorphen
Beide Verfasser haben die ihrem Gegenstand sehr zuträgliche Form des Vortragszyklus gewählt, durch die ein unübersichtlicher Komplex sich beiläufig in große Blöcke von je vier einzelnen Veranstaltungen zerlegt, auch durchaus mit spannungsteigerndem Effekt: An dieser Stelle, meine Damen und Herren, werden wir das nächste Mal weitersehen! Ja, dieser Gestus der Zuwendung, der in die Anrede an die Damen und Herren liegt, wirkt auflockernd, er bringt Humor, Tempo und Perspektive ins Spiel und hilft das Verbissene vermeiden, das bei einem solch schillernden und wabernden Projekt besonders unnütz wäre.
Ortheil beginnt. Er agiert in einer Personalunion aus Autor und literarischem Gelehrten. Der persönliche Erfahrungsbericht und der Blick über die Schultern der Kollegen ergänzen einander. Wie sehen die ersten notierenden Anfänge bei Rolf Dieter Brinkmann, Thomas Mann, Theodor Fontane aus? Mit einem gewissen Behagen charakterisiert Ortheil das sumpfhaft Amorphe der Romanwelt, „eine gefräßige, monströse Gattung, er ist vergleichbar einem sich ununterbrochen mästenden, verfressenen Tier, das sein Autor und Erzeuger mit immer neuem Material füttern und stopfen muss.”
Ihm antwortet auf der Seite des Schreibenden das „Roman-Virus”, eine ursprüngliche und energiereiche Disposition, die sich meist schon in frühen Jahren äußert, eine schlechthin elementare „Schreiblust”, die sinnlichen Genuss an Bleistiften, Papiersorten und Krakeleien findet. Ehe diese ihr wahres Objekt gefunden hat, tobt sie sich schon in einer enzyklopädischen Obsession aus, die von allem, was es gibt, so viel und so Genaues wie möglich haben und behalten will. Die große Frage lautet dann, an wel-chem Punkt diese „Weltfolie”, dieser Scheiterhaufen aus allem Möglichen, in Brand gerät. Dieser entscheidende, beglückende Moment, um dessentwillen die Autorenexistenz als lohnend empfunden wird, gleicht dem Traum, und zwar in jener Phase kurz vor dem Erwachen, wo er schon Reflektierbarkeit erlangt, ohne doch seine Macht als Verhängtes einzubüßen. Bei Fontane zum Beispiel spürt Ortheil genau der erregenden Qualität der zwei Worte „Effi, komm” hinterher, die am Beginn von „Effi Briest” stehen: Was hatten sie zu bedeuten, welches Kraftfeld verbarg sich in ihnen, dass ein ganzes Buch daraus hervorging?
Speziell aber hat es Ortheil Jean Paul angetan, den er sehr gut kennt; ihn ehrt er als den Inbegriff des romanwütigen Temperaments, als den großen Schutzheiligen seines Fachs. Fasziniert zeichnet er nach, wie sich die zögerliche Initialzündung der „Flegeljahre” im Figürlichen begibt, wie nach den Namen getastet wird, wie Jean Paul sich zunächst selbst als Figur behütend einbringen will, dann zugunsten eines Zwillingsbruders zurücktritt und sich als Erzähler bescheidet. Nach diesen erhellenden Ausführungen wirkt, was er zum Zustandekommen eigener Werke zu sagen hat, fast ein wenig verschwommen; er spricht davon auf prägnante, aber eben nicht präzise Weise. Wahrscheinlich geht es nicht anders: Der Fotograf, der selbst mitrennt, muss notwendig verwackelte Bilder liefern.
Bei Klaus Siblewski, Lektor bei Luchterhand und damit auch für Ortheils Romane zuständig, gewinnt man den Eindruck, dass er von einem ganz anderen Typ, wenn nicht des Romans, so doch des Romanciers handelt. Bei Ortheil erschien dieser als ein leicht monströses, jedenfalls von Kraft strotzendes Naturphänomen, bei dem man möglicherweise die Bahn, niemals jedoch den Antrieb seiner Aktionen erklären kann. Für Siblewski bietet sich der Autor eher als eine Art therapeutischer Fall dar. Der Autor ist erfüllt von einer unklaren Erregung, tausend Einfälle schwirren ihm im Kopf herum; dem Lektor fällt die Aufgabe zu, aus dieser Masse den einen herauszukennen, der zur „poetischen Vision” taugt; und nur im Fall einer reinen Schnapsidee soll er dem Autor diese ausreden, sonst aber stets fördernd präsent sein.
Dass Autoren ein anstrengendes Volk sind, versteht sich von selbst; Siblewski legt typologische Listen an und unterscheidet u.a. den Debütanten, den Verlagsprofi, den übergangenen Autor, den Übertreiber. Wie jeder auf seine Weise murrt und quengelt, davon gibt er Kostproben aus seiner E-Mail-Korrespondenz. Als sympathischster Typus will dem Rezensenten der „Spätankündiger” vorkommen (obwohl diesem natürlich die Gefahr droht, dass das nunmehr fast fertige Werk in der Stille zum großen Fiasko gereift ist). Sollte ein Autor nicht die Kraft und die Scham besitzen, seinen ersten Beginn für sich zu behalten?
Bewundernd steht man vor dem Verantwortungsgefühl und feinen Takt, die dieser sichtlich sehr erfahrene Lektor unter Beweis stellt. Man wundert sich, wie viel er zu tun bekommt, und wie früh schon. Therapie fußt auf der Grundannahme, dass jeder Mensch, auch der mit großen Problemen, ein Wesen von unschätzbarem Wert sei. Das lässt sich auf Autoren so ohne weiteres nicht übertragen. Mit Argwohn und Sympathie zugleich, sagt Siblewski, soll der Lektor bei der Sache sein. „Der Lektor verwandelt sich in den Gegenpart des Autors und wird zum Anwalt des Romans, so wie der Autor ihn schreiben möchte und müsste.”
Ein ehrenwerter Grundsatz – aber doch auch einer, der Unbehagen schafft: Ob hier nicht der Eifer der Hebamme bewirkt, dass auch allzu schwächliche Kinder ins Leben dürfen? Ein übersensibles Lektorat könnte leicht zu einer Fülle von Romanen führen, die die Welt nicht braucht. Hier freilich spricht der Kritiker in eigener Sache. Der Lektor, nicht der Autor ist sein wahrer Widerpart. Beide stehen sie vor und hinter dem Werk wie ein Paar von sehr verschiedenen Engeln: als sein Schutzengel und der Engel des Gerichts.BURKHARD MÜLLER
HANNS-JOSEF ORTHEIL / KLAUS SIBLEWSKI: Wie Romane entstehen. Luchterhand Verlag, München 2008. 283 Seiten, 10 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.2008Jäger, Sammler, Autor
Wie entstehen Romane? Ist das schöpferische oder das handwerkliche Moment das Entscheidende? Der Romanautor Hanns-Josef Ortheil und der Lektor Klaus Siblewski gehen dieser Frage in je vier Vorlesungen nach. Beide versuchen idealtypisch verschiedene Schreib- und Arbeitsphasen zu unterscheiden, von der ersten Vision bis zum fertigen Roman. Ortheil charakterisiert Romanautoren als Schreibsüchtige. Ein enzyklopädischer Sammeleifer zeichne sie aus. Prominentester Autor in diesem Sinne ist Jean Paul, dem Ortheil die umfangreichste und komplexeste Romanwerkstatt zubilligt, die er kennt. Wie aus Faszinosum, Material und Recherchen aber tatsächlich ein Roman wird, bleibt nebulös. Nicht zuletzt die Entstehung des eigenen Romans "Die große Liebe" wird ganz programmatisch mindestens so sehr verschleiert wie erhellt. Die poetische Vision eines Autors setzt Siblewski an den Anfang. Aufgabe des Lektors ist es, deren Entwicklung zu einem tragfähigen Romanplan, den Prozess des Recherchierens und schließlich den Akt des Schreibens zugleich wohlwollend wie kritisch zu begleiten. Siblewskis Beschreibung dieses Weges schwankt zwischen metaphorischen Umschreibungen und handwerklichen Erläuterungen, beides befriedigt nicht gänzlich. Als Kritik ist dies jedoch weniger zu verstehen denn als immanentes Problem, geht es doch um Kunst und Schreibprodukt zugleich. Wie Romane tatsächlich entstehen, bleibt also auch nach der Lektüre des anregenden Büchleins noch geheimnisvoll. (Hanns-Josef Ortheil/Klaus Siblewski: "Wie Romane entstehen". Luchterhand Literaturverlag, München 2008. 285 S., br., 10,- [Euro].) meis
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie entstehen Romane? Ist das schöpferische oder das handwerkliche Moment das Entscheidende? Der Romanautor Hanns-Josef Ortheil und der Lektor Klaus Siblewski gehen dieser Frage in je vier Vorlesungen nach. Beide versuchen idealtypisch verschiedene Schreib- und Arbeitsphasen zu unterscheiden, von der ersten Vision bis zum fertigen Roman. Ortheil charakterisiert Romanautoren als Schreibsüchtige. Ein enzyklopädischer Sammeleifer zeichne sie aus. Prominentester Autor in diesem Sinne ist Jean Paul, dem Ortheil die umfangreichste und komplexeste Romanwerkstatt zubilligt, die er kennt. Wie aus Faszinosum, Material und Recherchen aber tatsächlich ein Roman wird, bleibt nebulös. Nicht zuletzt die Entstehung des eigenen Romans "Die große Liebe" wird ganz programmatisch mindestens so sehr verschleiert wie erhellt. Die poetische Vision eines Autors setzt Siblewski an den Anfang. Aufgabe des Lektors ist es, deren Entwicklung zu einem tragfähigen Romanplan, den Prozess des Recherchierens und schließlich den Akt des Schreibens zugleich wohlwollend wie kritisch zu begleiten. Siblewskis Beschreibung dieses Weges schwankt zwischen metaphorischen Umschreibungen und handwerklichen Erläuterungen, beides befriedigt nicht gänzlich. Als Kritik ist dies jedoch weniger zu verstehen denn als immanentes Problem, geht es doch um Kunst und Schreibprodukt zugleich. Wie Romane tatsächlich entstehen, bleibt also auch nach der Lektüre des anregenden Büchleins noch geheimnisvoll. (Hanns-Josef Ortheil/Klaus Siblewski: "Wie Romane entstehen". Luchterhand Literaturverlag, München 2008. 285 S., br., 10,- [Euro].) meis
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Mit Gewinn hat Burkhard Müller diesen Band gelesen, in dem der Autor Hanns-Josef Ortheil und der Lektor Klaus Siblewski den Versuch unternehmen, eine knifflige Frage zu beantworten. Relativ nennt Müller diesen Gewinn, weil er die Schwierigkeiten erahnt. Ein Roman ist ja kein Gedicht. Um so mehr freut sich Müller über die von Ortheil gewählte Form des Vortrags. Das bringt Spannung, Tempo und Humor ins Spiel, erklärt er. Ortheils Werkstattberichte und jene über Kollegen ergänzten einander ganz gut, findet Müller, räumt aber ein, dass der Autor präziser ist, wenn er nicht über seine Arbeit, sondern zum Beispiel über Jean Paul schreibt. Ganz anders empfindet Müller des Lektors Perspektive. Therapeutisch irgendwie. Und Müllers Bewunderung für diesen Berufsstand kennt keine Grenzen, als ihm Siblewski seinen E-Mail-Posteingang und das Gequengel der Autoren vorführt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Ortheil, [...] ein kluger Schreibreflektierer [...].« Frankurter Allgemeine SonntagsZeitung