Wir sollten endlich zusammenziehen, dachte Gertraude Jennings missmutig, als sie an diesem Nachmittag das Miethaus in der Uhlandstraße betrat und die vier Treppen bis zu Friedos Wohnung emporstieg. Dabei schien die Tasche mit Wäsche, die sie in der Hand hatte, immer schwerer zu werden. Die junge Frau seufzte leise. Es war für sie allmählich doch umständlich und zeitraubend, zwei Haushalte zu führen, denn ihr Freund war zwar klug, gewissenhaft und charmant, aber in häuslichen Dingen eine glatte Niete. Offenbar hatte er niemals gelernt, sich auch nur einen Knopf anzunähen, von größeren Sachen wie Wäsche waschen und Kochen ganz zu schweigen. Er hatte eben zwei linke Hände, wie er selbst immer lachend und treuherzig zu sagen pflegte, würde aber bestimmt ein guter Land- und Forstwirt werden. Und er brauchte eine zuverlässige und liebevolle Frau an seiner Seite – er brauchte sie. Das hatte er ihr schon bei verschiedenen Gelegenheiten zu verstehen gegeben – im Rausch einer Liebesnacht, bei gemeinsamen Mahlzeiten, bei Zahnschmerzen, Magenbeschwerden und vielem mehr. Sie war ihm unentbehrlich geworden. So richtig gesagt hatte er ihr das jedoch noch nie. Unterdessen war sie vor der Wohnung angekommen und holte den Schlüssel aus ihrer Jackentasche. Doch heute konnte sie die Tür nicht aufschließen, weil von der anderen Seite offenbar ein Schlüssel im Schloss steckte. Friedo war also schon zu Hause, obwohl sein Fitnesstraining erst um 19. 00 Uhr beendet war. Sie wunderte sich einerseits und war zum anderen besorgt. Vielleicht ging es ihm nicht gut, und er war deshalb früher nach Hause gegangen. »Er hätte mich auch anrufen können«, murmelte sie vor sich hin und drückte dann auf den Klingelknopf, einmal, zweimal und dann noch einmal, bis die Tür endlich geöffnet wurde. »Ach, du bist es.« Friedo Cramer war sehr verlegen, was sie von ihm nicht kannte.