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"Ist sie Verstellung, diese japanische Höflichkeit? Dieses mechanische Verbeugen, dieses Ja-Sagen und Vielleicht-Meinen, dieses Nein-Meinen und ausweichende Vielleicht-Sagen?" In dreizehn heiter-ironischen Variationen kreisen die Gedanken von Michael Bartsch um typisch japanische Attribute und Alltagserscheinungen wie Höflichkeit, Geschenkkultur, Verpackungskunst, Hierarchie und Bürokratie, die Schlafpraxis in öffentlichen Verkehrsmitteln, Pachinko-Spielhallen oder die japanische Eß-, Trink- und Festkultur. Beim Versuch, Japans Institutionen, geistige Traditionen und materielle Manifestationen ethnographisch einzufangen, bedient sich der Autor eher impressionistischer als realistisch-deskriptiver Methoden. Der anekdotisch-episodenhafte Ansatz droht in dem schmalen Band aber immer wieder in nett gemeinte Poesiealbeneinträge und schale Unverbindlichkeiten zu entgleiten. Neben frei schwebenden Platitüden und Vielgehörtem wie "Die Dinge sind neu, aber die in ihnen wohnende Ästhetik ist alt" oder "Überhaupt lieben die Japaner Uniformen" verfällt Bartsch allzu gerne dem Klischee. Wenn er etwa schreibt, der Japaner habe eine "Handbewegung von solcher Eleganz, daß der humane Kern dessen, was Höflichkeit ist, aufs schönste zu sehen ist", dann ist das Edelkitsch. Wenn der Autor aber, je länger er im Land verweilt, seine erste Euphorie überwindet, wenn er tiefer über Distanz, Berührungsangst und das "Höflichkeitsspiel" nachdenkt und eine Zügelung der lebendigen menschlichen Natur im positiven und negativen Sinn erkennt, dann kommt er zu differenzierteren Resultaten. Seine Stärken entwickelt das Buch, wenn es die Schizophrenie, Auswüchse und Ausflüchte der japanischen Gesellschaft inspiziert. So wird etwa das lärmende, flipperähnliche Pachinko-Spiel als eine Art "Rettung durch Übersteigerung" und Austreibung des Tempos, der Sprunghaftigkeit und Nervosität des Großstadtlebens umschrieben. Während der Autor auch das "wie eine Friedenspfeife mit halbheiligen Gegenständen, Teddybärchen, Dingen wie Schlüsselanhängern" geschmückte Handy treffend als magisches Utensil jedes Teenagers, letzten Endes aber als Zeugnis postmoderner Isolation interpretiert, so fehlen dem Buch über weite Strecken leider das kreative Staunen und die analytische Schärfe.
sg
"Wie war's in Japan?" von Michael Bartsch. Lindemanns Bibliothek Band 15. Info Verlag, Karlsruhe 2004. 64 Seiten. Broschiert, sechs Euro. ISBN 3-88190-383-6.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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