Joe ist sechzehn, als er im Laufe von drei Tagen die Ehe seiner Eltern zerbrechen sieht. Sein Vater hat seine Arbeit als Golfprofi verloren, und er schließt sich den Mannschaften an, die hinter der Stadt einen großen Waldbrand bekämpfen. Seine Mutter wird die Familie für einen anderen Mann verlassen. In ihrer Einsamkeit machen beide, Mutter und Vater, den Sohn zum Vertrauten. Als Joes Vater zurückkehrt, versucht er in wilder Eifersucht, das Haus des Liebhabers seiner Frau anzuzünden. All dies ist durch Joes Augen gesehen, und seine Unschuld, seine Trauer geben dem Roman eine unvergleichliche Intensität. "Wild leben" ist ein Bild vom Erwachsenwerden in Amerika, in einer Gesellschaft, die Geborgenheit nicht kennt.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.09.2015NEUE TASCHENBÜCHER
Zerfall
der Orientierung
Es ist eine uralte Geschichte, die Richard Ford da aus Great Falls, Montana, knapp, wortkarg und ruhig erzählt. Die Geschichte vom sechzehnjährigen Joe und seinen Eltern, in der alles aus den Fugen gerät und nur einsame Menschen übrig bleiben. Joes Vater verliert seinen Job als Golflehrer, weil er angeblich ein Portemonnaie entwendet haben soll, was aber nicht stimmt. Schon beginnt die Zerstörung, die Eltern verstimmen sich, der Vater geht, um den Feuerwehrleuten gegen den Waldbrand zu helfen, die Mutter meint, sich verlieben zu müssen. Binnen drei Tagen erlebt Joe, wie in seiner bisherigen Welt alle Orientierung zerfällt. Ein Entwicklungsroman sei das, so heißt es. Aber es ist vielmehr die Erzählung einer tief greifenden Enttäuschung, deren Wert für die Entwicklung des jungen Joe man durchaus bezweifeln kann. Zumindest entschwindet in diesem so gradlinig wie raffiniert gehaltenen Roman jede Vorstellung von Familienglück, -gewissheit und -zuversicht für Joe: „Und das Leben ging weiter für uns, in einem anderen Maßstab als zuvor. Einem geringeren menschlichen Maßstab. Daran besteht kein Zweifel. Aber es ging weiter.“ HARALD EGGEBRECHT
Richard Ford: Wild leben. Aus dem Englischen von Martin Hielscher. dtv, München 2015. 223 Seiten, 9, 90 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Zerfall
der Orientierung
Es ist eine uralte Geschichte, die Richard Ford da aus Great Falls, Montana, knapp, wortkarg und ruhig erzählt. Die Geschichte vom sechzehnjährigen Joe und seinen Eltern, in der alles aus den Fugen gerät und nur einsame Menschen übrig bleiben. Joes Vater verliert seinen Job als Golflehrer, weil er angeblich ein Portemonnaie entwendet haben soll, was aber nicht stimmt. Schon beginnt die Zerstörung, die Eltern verstimmen sich, der Vater geht, um den Feuerwehrleuten gegen den Waldbrand zu helfen, die Mutter meint, sich verlieben zu müssen. Binnen drei Tagen erlebt Joe, wie in seiner bisherigen Welt alle Orientierung zerfällt. Ein Entwicklungsroman sei das, so heißt es. Aber es ist vielmehr die Erzählung einer tief greifenden Enttäuschung, deren Wert für die Entwicklung des jungen Joe man durchaus bezweifeln kann. Zumindest entschwindet in diesem so gradlinig wie raffiniert gehaltenen Roman jede Vorstellung von Familienglück, -gewissheit und -zuversicht für Joe: „Und das Leben ging weiter für uns, in einem anderen Maßstab als zuvor. Einem geringeren menschlichen Maßstab. Daran besteht kein Zweifel. Aber es ging weiter.“ HARALD EGGEBRECHT
Richard Ford: Wild leben. Aus dem Englischen von Martin Hielscher. dtv, München 2015. 223 Seiten, 9, 90 Euro.
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