Die Autorin heißt Isabella Tree und ihr Name ist Programm: Mit ihrem Mann Charles Raymond Burrell, der als 10. Baronett das 1400 Hektar große Landgut Knepp Castle in Sussex erbte, hat sie ein revolutionäres Renaturierungsprojekt realisiert, das viele liebgewonnene Lehrmeinungen widerlegte und bisher
noch in jeder Saison für neue Überraschungen sorgte. Bis ins Jahr 2000 wurde auf Knepp Castle…mehrDie Autorin heißt Isabella Tree und ihr Name ist Programm: Mit ihrem Mann Charles Raymond Burrell, der als 10. Baronett das 1400 Hektar große Landgut Knepp Castle in Sussex erbte, hat sie ein revolutionäres Renaturierungsprojekt realisiert, das viele liebgewonnene Lehrmeinungen widerlegte und bisher noch in jeder Saison für neue Überraschungen sorgte. Bis ins Jahr 2000 wurde auf Knepp Castle konventionelle Landwirtschaft betrieben, die Böden wurden überdüngt und trotzdem ausgelaugt, Flora und Fauna befanden sich im ökologischen Sturzflug, die Gewässer waren verseucht, Bäume starben ab. Trotz immer „effizienterer“ Agrarnutzung und Zusammenlegung zu immer größeren Flächen war das Gut wirtschaftlich nicht mehr rentabel und man entschloss sich zu einem gewagten und aus damaliger Sicht hochriskanten Schritt: Die Burrells legten ihren gesamten Hof still, 1400 Hektar wurden sukzessive der Natur zurückgegeben, die sich in atemberaubendem Tempo erholte. Zusammen mit vielen klugen Beratern wurden innovative Konzepte entwickelt, die dafür sorgten, dass das Land nicht großflächig verbuschte, sondern zu einem biodiversen Hotspot wurde. Das ganze Gebiet wurde umzäunt und naturnahe Weidetiere eingeführt, all das gegen den erbitterten Widerstand der benachbarten Bauern und lange Zeit auch ohne die Unterstützung der britischen Naturschutzbehörden, die sich eher als Verhinderer denn als Hilfe erwiesen (und bis heute immer noch erweisen). Dabei sind die Erfolge unübersehbar: Extrem seltene Schmetterlinge, Käfer, Fledermäuse und Vögel sind nach Jahrzehnten der Abwesenheit zurückgekehrt und einige davon bilden mittlerweile die größten Populationen auf der Insel.
Der Weg dahin war lang und steinig, wie Isabella Tree in ihrem exzellent geschriebenen Buch erzählt. Sie erklärt wunderbar anschaulich die ökologischen Zusammenhänge und widerlegt ganz nebenbei Lehrmeinungen, die bis heute an den Universitäten verkündet werden. Eine sich eine selbst überlassene Landschaft entwickelt sich in unseren Breiten nämlich nicht zum kronendichten Wald und Isabella Tree kann sogar sehr überzeugend begründen, warum die paläobotanischen Daten in der Vergangenheit falsch interpretiert wurden. Diese Mischung aus Experiment, Beobachtung und fundierter wissenschaftlicher Kritik hebt dieses Buch meilenweit aus der großen Masse von „Naturschutzbüchern“ hervor, die oft vor Ideologie und falschen Vorstellungen triefen. Auch in Deutschland verwalten Behörden ihre Naturschutzgebiete nur statt sie sinnvoll zu entwickeln. Dass dafür keine Unsummen investiert werden müssen, zeigt Knepp Castle in eindrucksvollen Beispielen.
Wir können etwas für unsere Natur tun, damit sie sich erholt. Wir werden deshalb nicht verhungern und es wird auch nicht ein unbezahlbares Unterfangen. Knepp Castle hat sich in weniger als 20 Jahren zu einem ökologischen Paradies entwickelt, wie es unsere Urgroßeltern zuletzt gesehen haben, mit Wolken aus Schmetterlingen und Horden von Fledermäusen. Auf Knepp leben Seeadler, Seiden- und Purpurreiher, die dort seit 70 Jahren niemand mehr gesehen hat.
Es wäre schön, wenn unsere bürokratischen Naturschutzverwalter mit der gleichen Ausdauer und Professionalität vorgingen, wie Isabella Tree und ihr Mann. Wir müssen es nur wollen. Dass es funktioniert, weiß jeder, der dieses Buch gelesen und keine Scheuklappen hat. Man darf doch noch hoffen, oder?