Virgil Wounded Horse ist der örtliche Vollstrecker im Rosebud-Indianerreservat in South Dakota. Wenn das amerikanische Rechtssystem oder der Stammesrat die Gerechtigkeit verweigern, wird er beauftragt, dem Recht Genüge zu tun und seine eigene Strafe zu verhängen. Als Heroin seinen Weg in das Reservat findet und es auch Virgils Neffen betrifft, wird seine Wachsamkeit dem Unrecht gegenüber plötzlich persönlich. Er bittet seine Ex-Freundin um Hilfe und macht sich auf den Weg, um zu erfahren, woher die Drogen kommen und wie man den Drogenfluss stilllegen kann. Sie folgen einer Spur nach Denver und stellen fest, dass Drogenkartelle schnell expandieren und neue und Allianzen bilden. Zurück im Reservat wirft eine neue Stammesratsinitiative unangenehme Fragen zu Geld und Macht auf. Als Virgil beginnt, die Teile miteinander zu verbinden, muss er sich seinen eigenen Dämonen stellen und seine Identität als indigener Amerikaner zurückerobern. Er erkennt, dass ein unglaublicher Preis zu bezahlen ist, um im 21. Jahrhundert ein amerikanischer Ureinwohner zu sein.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.05.2022Fälle und Zufälle
Krimis in Kürze: Dunne, Weiden und Wittekindt
Recherche im Dienst der Literatur kann schon sehr hart sein und Opfer verlangen. Ellen Dunne, gebürtige Salzburgerin und seit vielen Jahren in Irland lebend, ist für ihren neuen Roman "Boom Town Blues" (Haymon, 320 S., br., 13,95 Euro) zum ersten Mal in die Irische See gestiegen, weil ihre Heldin Patsy Logan das am Ende tut. Niemand weiß, ob das Buch ohne dieses eisige Bad ein ganz anderes geworden wäre - so wie es ist, hat die Erfahrung aber auch nicht geschadet.
Es ist Patsy Logans dritter Auftritt, ihre Ehe in München ist mürbe, ihre berufliche Situation beim LKA stagniert, eine "Bildungskarenz" bei der Cousine in Dublin, wo Logans väterliche Familie herstammt, soll helfen. Auf Umwegen wird sie mit einem Giftmord in der österreichischen Botschaft befasst. Undiplomatisch wie gewohnt legt sie sich mit dem ermittelnden Inspektor an und geht lieber eigene Wege.
Zwischen die Passagen mit Patsy setzt Dunne immer wieder kurze Kapitel, in denen jemand zu Tode kommt oder in hässliche Nöte gerät. Aus diesen Schicksalen kristallisiert sich allmählich heraus, dass es hier auch um die Folgen von Finanzkrise und Boom geht, um das Geschäft mit faulen Immobilienkrediten, das einige Leute sehr reich gemacht und andere ruiniert hat. Ellen Dunne erzählt davon lässig, mit gutem Gespür für Spannung und einem angemessen schwarzen Humor.
Viel mehr Autoren als Tony Hillerman fallen einem nicht ein, wenn man nach Kriminalromanen sucht, die im Milieu der indigenen Nationen in den Vereinigten Staaten spielen. Die Lücke lässt sich schließen mit dem Roman von David Heska Wanbli Weiden. Er ist Anwalt und Autor, er gehört zur Nation der Lakota, besser bekannt als Sioux, und er kennt sich aus mit den ökonomischen und sozialen Verhältnissen in der Rosebud Reservation im Bundesstaat South Dakota.
Der Protagonist von "Winter Counts" (Polar, 460 S., br., 16 Euro) heißt Virgil Wounded Horse, er lebt von Gelegenheitsjobs, er zieht seinen vierzehnjährigen Neffen groß - und er ist so eine Art Terminator: Wo amerikanische Justiz und Stammesrat sich für unzuständig erklären, nimmt er im Auftrag der Geschädigten das Recht in die Hand und straft nach eigenem Ermessen.
Einen Auftragsschläger zum zentralen Akteur zu machen ist kein geringes Risiko. Doch Weidens Porträt dieses gebrochenen Helden ist von Anfang an nuancenreich und voller Ambivalenzen. Als sein Neffe mit Heroin erwischt wird, will Virgil die Sache allein aufklären, obwohl natürlich ein Drogenring, der von Denver aus operiert und seine Kuriere ins Reservat schickt, mindestens eine Nummer zu groß ist für ihn.
"Winter Counts" ist nicht gerade filigran erzählt, das Buch hat auch ein paar Längen, aber man bleibt dabei, weil Weiden einen nüchternen Blick, der zugleich voller Anteilnahme ist, auf die Indigenen in der und vor allem am Rande der amerikanischen Gesellschaft richtet. Ein Blick, der nichts mit der guten alten Indianer-Mythologie zu tun hat, der jederzeit den nötigen Respekt erweist und in all dem, was er von dieser Welt erzählt, nie schulbuchhaft wird.
Es ist beruhigend, wenn man den neuen Roman von Matthias Wittekindt nach der letzten Seite zuklappt, dass es weitergehen wird. Auf der Homepage des Autors ist zu lesen, dass er den vierten Band schon abgeschlossen habe. "Die Schülerin" (Kampa, 368 S., geb., 19,90 Euro) ist der zweite Fall von Kriminaldirektor A. D. Manz (siehe F.A.Z. vom 6. April 2021). Es ist der Blick zurück eines alten Kriminalers von Mitte siebzig, der mit seiner Frau in Dresden lebt. Der durch Zufälle auf alte Fälle gelenkt wird und in dieser Bewegung zwischen Gegenwart und Vergangenheit zugleich seine Familiengeschichte reflektiert. Und das Besondere an diesen Büchern ist, dass ihren Kern jeweils ein Gerichtsprozess bildet, über den Wittekindt gelesen oder den er verfolgt hat.
Diesmal vertritt Manz' Tochter, mit der er einiges zu klären hätte, als Anwältin eine Frau, die als Schülerin vor Jahrzehnten in einem Fall von Manz auftauchte, bei einem Mord an einem Fünfzehnjährigen im Umfeld einer reformpädagogischen Schule. Viel mehr muss man gar nicht sagen. Wittekindts kühler, präziser Stil, der so gut zu seinem Manz passt, begleitet einen souverän und sicher durch die Geschichte. PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Krimis in Kürze: Dunne, Weiden und Wittekindt
Recherche im Dienst der Literatur kann schon sehr hart sein und Opfer verlangen. Ellen Dunne, gebürtige Salzburgerin und seit vielen Jahren in Irland lebend, ist für ihren neuen Roman "Boom Town Blues" (Haymon, 320 S., br., 13,95 Euro) zum ersten Mal in die Irische See gestiegen, weil ihre Heldin Patsy Logan das am Ende tut. Niemand weiß, ob das Buch ohne dieses eisige Bad ein ganz anderes geworden wäre - so wie es ist, hat die Erfahrung aber auch nicht geschadet.
Es ist Patsy Logans dritter Auftritt, ihre Ehe in München ist mürbe, ihre berufliche Situation beim LKA stagniert, eine "Bildungskarenz" bei der Cousine in Dublin, wo Logans väterliche Familie herstammt, soll helfen. Auf Umwegen wird sie mit einem Giftmord in der österreichischen Botschaft befasst. Undiplomatisch wie gewohnt legt sie sich mit dem ermittelnden Inspektor an und geht lieber eigene Wege.
Zwischen die Passagen mit Patsy setzt Dunne immer wieder kurze Kapitel, in denen jemand zu Tode kommt oder in hässliche Nöte gerät. Aus diesen Schicksalen kristallisiert sich allmählich heraus, dass es hier auch um die Folgen von Finanzkrise und Boom geht, um das Geschäft mit faulen Immobilienkrediten, das einige Leute sehr reich gemacht und andere ruiniert hat. Ellen Dunne erzählt davon lässig, mit gutem Gespür für Spannung und einem angemessen schwarzen Humor.
Viel mehr Autoren als Tony Hillerman fallen einem nicht ein, wenn man nach Kriminalromanen sucht, die im Milieu der indigenen Nationen in den Vereinigten Staaten spielen. Die Lücke lässt sich schließen mit dem Roman von David Heska Wanbli Weiden. Er ist Anwalt und Autor, er gehört zur Nation der Lakota, besser bekannt als Sioux, und er kennt sich aus mit den ökonomischen und sozialen Verhältnissen in der Rosebud Reservation im Bundesstaat South Dakota.
Der Protagonist von "Winter Counts" (Polar, 460 S., br., 16 Euro) heißt Virgil Wounded Horse, er lebt von Gelegenheitsjobs, er zieht seinen vierzehnjährigen Neffen groß - und er ist so eine Art Terminator: Wo amerikanische Justiz und Stammesrat sich für unzuständig erklären, nimmt er im Auftrag der Geschädigten das Recht in die Hand und straft nach eigenem Ermessen.
Einen Auftragsschläger zum zentralen Akteur zu machen ist kein geringes Risiko. Doch Weidens Porträt dieses gebrochenen Helden ist von Anfang an nuancenreich und voller Ambivalenzen. Als sein Neffe mit Heroin erwischt wird, will Virgil die Sache allein aufklären, obwohl natürlich ein Drogenring, der von Denver aus operiert und seine Kuriere ins Reservat schickt, mindestens eine Nummer zu groß ist für ihn.
"Winter Counts" ist nicht gerade filigran erzählt, das Buch hat auch ein paar Längen, aber man bleibt dabei, weil Weiden einen nüchternen Blick, der zugleich voller Anteilnahme ist, auf die Indigenen in der und vor allem am Rande der amerikanischen Gesellschaft richtet. Ein Blick, der nichts mit der guten alten Indianer-Mythologie zu tun hat, der jederzeit den nötigen Respekt erweist und in all dem, was er von dieser Welt erzählt, nie schulbuchhaft wird.
Es ist beruhigend, wenn man den neuen Roman von Matthias Wittekindt nach der letzten Seite zuklappt, dass es weitergehen wird. Auf der Homepage des Autors ist zu lesen, dass er den vierten Band schon abgeschlossen habe. "Die Schülerin" (Kampa, 368 S., geb., 19,90 Euro) ist der zweite Fall von Kriminaldirektor A. D. Manz (siehe F.A.Z. vom 6. April 2021). Es ist der Blick zurück eines alten Kriminalers von Mitte siebzig, der mit seiner Frau in Dresden lebt. Der durch Zufälle auf alte Fälle gelenkt wird und in dieser Bewegung zwischen Gegenwart und Vergangenheit zugleich seine Familiengeschichte reflektiert. Und das Besondere an diesen Büchern ist, dass ihren Kern jeweils ein Gerichtsprozess bildet, über den Wittekindt gelesen oder den er verfolgt hat.
Diesmal vertritt Manz' Tochter, mit der er einiges zu klären hätte, als Anwältin eine Frau, die als Schülerin vor Jahrzehnten in einem Fall von Manz auftauchte, bei einem Mord an einem Fünfzehnjährigen im Umfeld einer reformpädagogischen Schule. Viel mehr muss man gar nicht sagen. Wittekindts kühler, präziser Stil, der so gut zu seinem Manz passt, begleitet einen souverän und sicher durch die Geschichte. PETER KÖRTE
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"Weiden verbindet lustige, komplexe und unvergessliche Charaktere mit starker, poetischer Prosa . . . Das ist Krimi vom Feinsten." Publishers Weekly "Winter Counts ist ein Thriller, der einmalig in seiner Generation ist, ein unvergessliches Debüt, das in und um das Rosebud Indian Reservation von South Dakota spielt und voller komplexer Charaktere, glaubwürdiger Kon ikte und einer dringenden Botschaft über die Kultur der Ureinwohner, Ungerechtigkeiten und Stra ustiz steckt . . . Antreibend." Paula Woods, Los Angeles Times "Der Verrat der amerikanischen Ureinwohner und die Frage nach der Identität der Ureinwohner sind das Rückgrat dieser leidenschaftlich erzählten Geschichte, die den idealen Punkt zwischen Kriminalroman und Sozialroman tri t . . . Carol Memmott, Washington Post "Winter Counts ist sowohl ein treibender Kriminalroman als auch ein wunderbar informatives Buch. David Heska Wanbli Weiden hat das erste einer ho entlich großen Buchreihe über das Leben im Rosebud-Reservat geschrieben. Virgil Wounded Horse, sein Ne e Nathan und Marie Short Bear sind mehr als nur Charaktere; sie strotzen vor Intrigen und authentischem Leben." Louise Erdrich, Autorin von "Der Nachtwächter"