Sydney, 1994. Die Karriere von Sergeant Mick Rawson jagt auf ihr Ende zu. Er ist ein Mann mit vielen Namen und vielen Beziehungen zur Unterwelt. Er ist ein guter Cop, allerdings nur nach seinen ganz eigenen Gesetzen. Dennoch will ihn Karen Millar, der steil aufsteigende Stern im Polizeiapparat, zur Strecke bringen. Und da ist noch Sutton, ein »anständiger« Verbrecher, der loyal zu Rawson steht, komme was da wolle. Rawson und Sutton wollen noch einen letzten Coup, einen Überfall auf einen Geldtransporter, durchziehen - Karen Millar wittert ihre Chance. Als sie merkt, dass sie manipuliert und funktionalisiert wird, muss sie sich wehren.
Winter Traffic erzählt tausend Geschichten aus Sydney, von toten Rächern, lebendiger Vendetta und der Wahrheit hinter dem großen Geld. Ein knallharter Cops & Gangster-Roman, literarisch virtuos und entschieden innovativ inszeniert. Eine Art kriminalliterarischer Ulysses auf höchstem Niveau. Die Sensation aus Australien, die die Maßstäbe für Kriminalliteratur verschiebt.
Winter Traffic erzählt tausend Geschichten aus Sydney, von toten Rächern, lebendiger Vendetta und der Wahrheit hinter dem großen Geld. Ein knallharter Cops & Gangster-Roman, literarisch virtuos und entschieden innovativ inszeniert. Eine Art kriminalliterarischer Ulysses auf höchstem Niveau. Die Sensation aus Australien, die die Maßstäbe für Kriminalliteratur verschiebt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.02.2021Schrubb die Beißerchen
Stephen Greenalls Debüt "Winter Traffic"
Die Frage nach dem Verhältnis von Inhalt und Form stellt sich spätestens seit Raymond Chandler auch bei Kriminalromanen. Seine Plots platzen zwar aus allen Nähten; gemessen an Personal, Stimmung und Stil, sind sie aber zweitrangig. Dieses Konzept funktioniert so gut, dass John Banville einst hervorhob, was unter Anhängern des Genres längst unstrittig ist: Chandler war nicht bloß ein herausragender Krimiautor, nein, er war ein herausragender Autor, der Krimis schrieb.
Auch Stephen Greenall, 1976 im australischen Moree geboren, lenkt den Blick des Lesers auf die Eigenheiten von Sprache und Handlung. Sein Debüt "Winter Traffic" sagt auf jeder Seite: Schau, diese Fülle an Ereignissen, dazu diese erlesene Diktion, was bin ich für ein Ausnahmewerk.
So überrascht es nicht, dass der Verlag das, was zwischen den Buchdeckeln passiert, wie folgt bejubelt: "Eine Art kriminalliterarischer ,Ulysses' auf höchstem Niveau. Die Sensation aus Australien, die die Maßstäbe für Kriminalliteratur verschiebt." Inhaltlich versorgt uns Greenall mit überraschungsfreien Thriller-Begebenheiten, die man besser auf zwei Bücher verteilt hätte.
Wir schreiben das Jahr 1994. Mick Rawson, Polizist mit stabilen Verbindungen zur Unterwelt von Sydney, befindet sich beruflich auf der Zielgeraden, weil eine Kollegin ihn beerben soll. Zwischen den Fronten steht Jamie Sutton, ein Verbrecher mit moralischem Kompass, der gleich zu Beginn demonstriert, wie man potente Gegner zu Hackfleisch verarbeitet. Rawson und Sutton planen einen Coup, der bei fachkundiger Ausführung viel Geld in die Delinquentenkasse spülen würde. Der Rest ist Genre-Allerlei: Leichen, Rache, Prostitution.
Formal zeigt sich Greenall ambitionierter als inhaltlich. Er zerhackt die Chronologie, indem er den ersten Teil des Romans mit dem siebenundzwanzigsten Kapitel beginnt und die Handlung Schritt für Schritt rückwärtslaufen lässt. Im zweiten Teil starten wir im dreizehnten Abschnitt, anschließend lesen wir noch einen dreizehnten Abschnitt - und spätestens dann hat sich die Zahlenspielerei totgelaufen. Sobald der Autor die Versatzstücke des Plots im Stakkato-Stil zusammenleimt, liegt der Vergleich zu James Ellroy nahe, wobei dieser die Kunst der zackig getakteten Ereignisfolge souverän beherrscht, während jener sein Material nicht gebändigt bekommt und sich mit peinlichen Manierismen selbst im Weg steht: "Die Vergangenheit, die Vergangenheit: Rawsons gordisches Haar und die vielen Tiber aus Schweiß, ein Koloss der gefälligen Schurken. Bevor er in der Moderne lebte, stand die Antike in seiner Schuld."
Derartiges Larifari reichert Greenall so lange mit Synonymen und Adjektiven an, bis sich der Leser nichts sehnlicher wünscht, als dessen Lektor zu sein, um die gröbsten Schnitzer aus dem Text jäten zu können. Zähneputzen wird zu "Beißerchenschrubben", und aus einem einfachen Blickwechsel meißelt der Möchtegernpoet eine Gedichtstrophe: "Die blassgrünen Augen seiner eidechsenartigen Kaltblütigkeit erscheinen ihr urwüchsiger, um Jahrtausende älter als der Rest." Hinzu kommt der verschwenderische Einsatz von deplazierten Satzzeichen: "Jemand, unten, pfeift", "Du. Siehst. Grauenhaft. Aus."
Schließlich werden sogar gut gewählte Schauplätze durch die Form ihrer Präsentation ruiniert: "Sie fuhren vorbei an Werftkränen, Brontosaurusse aus Stahl. (. . .) Zwei Kräne rosteten im roten Schrott wie Mars oder Titan an einem Film-Set. Einer umgekippt und geschlachtet / ein Kain-und-Abel-Krieg tobte zwischen ihnen."
Ihren Höhepunkt erreicht die Unlesbarkeit, wenn wissenschaftliche Angebergespräche Einzug in die Geschichte halten. Stichworte: Möbiusband, kalte Fusion, Unschärferelation. Wie beendet man Physik-Diskurse am schlechtesten? Mit der Kitschkeule: "Jetzt sieht sie ihn anders an, wie eine nach vielen gemeinsamen Leben wiedererkannte Seele." Man sollte sich auf keinen Fall von den Lorbeeren blenden lassen, mit denen der Roman nicht nur vom Verlag bedacht wurde. Der erste kriminalliterarische "Ulysses" lässt gewiss noch lange auf sich warten. Das gilt leider nicht für die Fortsetzung von "Winter Traffic", an der Stephen Greenall schon arbeitet.
KAI SPANKE
Stephen Greenall:
"Winter Traffic".
Thriller.
Aus dem Englischen von Conny Lösch. Hrsg. von Thomas Wörtche.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2021. 492 S., br., 16,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Stephen Greenalls Debüt "Winter Traffic"
Die Frage nach dem Verhältnis von Inhalt und Form stellt sich spätestens seit Raymond Chandler auch bei Kriminalromanen. Seine Plots platzen zwar aus allen Nähten; gemessen an Personal, Stimmung und Stil, sind sie aber zweitrangig. Dieses Konzept funktioniert so gut, dass John Banville einst hervorhob, was unter Anhängern des Genres längst unstrittig ist: Chandler war nicht bloß ein herausragender Krimiautor, nein, er war ein herausragender Autor, der Krimis schrieb.
Auch Stephen Greenall, 1976 im australischen Moree geboren, lenkt den Blick des Lesers auf die Eigenheiten von Sprache und Handlung. Sein Debüt "Winter Traffic" sagt auf jeder Seite: Schau, diese Fülle an Ereignissen, dazu diese erlesene Diktion, was bin ich für ein Ausnahmewerk.
So überrascht es nicht, dass der Verlag das, was zwischen den Buchdeckeln passiert, wie folgt bejubelt: "Eine Art kriminalliterarischer ,Ulysses' auf höchstem Niveau. Die Sensation aus Australien, die die Maßstäbe für Kriminalliteratur verschiebt." Inhaltlich versorgt uns Greenall mit überraschungsfreien Thriller-Begebenheiten, die man besser auf zwei Bücher verteilt hätte.
Wir schreiben das Jahr 1994. Mick Rawson, Polizist mit stabilen Verbindungen zur Unterwelt von Sydney, befindet sich beruflich auf der Zielgeraden, weil eine Kollegin ihn beerben soll. Zwischen den Fronten steht Jamie Sutton, ein Verbrecher mit moralischem Kompass, der gleich zu Beginn demonstriert, wie man potente Gegner zu Hackfleisch verarbeitet. Rawson und Sutton planen einen Coup, der bei fachkundiger Ausführung viel Geld in die Delinquentenkasse spülen würde. Der Rest ist Genre-Allerlei: Leichen, Rache, Prostitution.
Formal zeigt sich Greenall ambitionierter als inhaltlich. Er zerhackt die Chronologie, indem er den ersten Teil des Romans mit dem siebenundzwanzigsten Kapitel beginnt und die Handlung Schritt für Schritt rückwärtslaufen lässt. Im zweiten Teil starten wir im dreizehnten Abschnitt, anschließend lesen wir noch einen dreizehnten Abschnitt - und spätestens dann hat sich die Zahlenspielerei totgelaufen. Sobald der Autor die Versatzstücke des Plots im Stakkato-Stil zusammenleimt, liegt der Vergleich zu James Ellroy nahe, wobei dieser die Kunst der zackig getakteten Ereignisfolge souverän beherrscht, während jener sein Material nicht gebändigt bekommt und sich mit peinlichen Manierismen selbst im Weg steht: "Die Vergangenheit, die Vergangenheit: Rawsons gordisches Haar und die vielen Tiber aus Schweiß, ein Koloss der gefälligen Schurken. Bevor er in der Moderne lebte, stand die Antike in seiner Schuld."
Derartiges Larifari reichert Greenall so lange mit Synonymen und Adjektiven an, bis sich der Leser nichts sehnlicher wünscht, als dessen Lektor zu sein, um die gröbsten Schnitzer aus dem Text jäten zu können. Zähneputzen wird zu "Beißerchenschrubben", und aus einem einfachen Blickwechsel meißelt der Möchtegernpoet eine Gedichtstrophe: "Die blassgrünen Augen seiner eidechsenartigen Kaltblütigkeit erscheinen ihr urwüchsiger, um Jahrtausende älter als der Rest." Hinzu kommt der verschwenderische Einsatz von deplazierten Satzzeichen: "Jemand, unten, pfeift", "Du. Siehst. Grauenhaft. Aus."
Schließlich werden sogar gut gewählte Schauplätze durch die Form ihrer Präsentation ruiniert: "Sie fuhren vorbei an Werftkränen, Brontosaurusse aus Stahl. (. . .) Zwei Kräne rosteten im roten Schrott wie Mars oder Titan an einem Film-Set. Einer umgekippt und geschlachtet / ein Kain-und-Abel-Krieg tobte zwischen ihnen."
Ihren Höhepunkt erreicht die Unlesbarkeit, wenn wissenschaftliche Angebergespräche Einzug in die Geschichte halten. Stichworte: Möbiusband, kalte Fusion, Unschärferelation. Wie beendet man Physik-Diskurse am schlechtesten? Mit der Kitschkeule: "Jetzt sieht sie ihn anders an, wie eine nach vielen gemeinsamen Leben wiedererkannte Seele." Man sollte sich auf keinen Fall von den Lorbeeren blenden lassen, mit denen der Roman nicht nur vom Verlag bedacht wurde. Der erste kriminalliterarische "Ulysses" lässt gewiss noch lange auf sich warten. Das gilt leider nicht für die Fortsetzung von "Winter Traffic", an der Stephen Greenall schon arbeitet.
KAI SPANKE
Stephen Greenall:
"Winter Traffic".
Thriller.
Aus dem Englischen von Conny Lösch. Hrsg. von Thomas Wörtche.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2021. 492 S., br., 16,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rezensentin Sonja Hartl ist vollauf begeistert von diesem Thriller, der ihrer Meinung nach "die Grenzen des Kriminalromans weit hinter sich lässt", obwohl die Story auch in ihren Ohren eher konventionell klingt: ein korrupter Cop im Sidney des Jahres 1994 soll eine ambitionierte Kollegin bei der Aufklärung eines Falls unterstützen, in den sowohl er selbst als auch einer seiner engsten Freunde verwickelt sind. Was das Buch so besonders macht, sind der Kritikerin zufolge sein kunstvoller Aufbau, der mit Zeitsprüngen und verschiedenen Blickwinkeln spielt, das Stadtpanorama, das er entwirft, und die "eiskalt-hämmernde Sprache" - ein Roman, den man problemlos mehrmals lesen kann, schließt die beeindruckte Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Stephen Greenalls Winter Traffic ist vermutlich der außergewöhnlichste Spannungsroman des Jahres.« Die Presse am Sonntag 20210501