Studienarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 2,0, Technische Universität Dresden, Veranstaltung: Deutsche Dichter in Italien, Sprache: Deutsch, Abstract: Über kaum eine andere Stadt wurde so viel geschrieben wie über Venedig, vor allem im 18. und 19. Jahrhundert. Diese Beschreibungen prägen das Bild Venedigs in der Literatur und vor allem in der Werbung. Wie der französische Schriftsteller und Kulturtheoretiker Michel Butor feststellt, hinterließen die Venedig-"Reisenden (...) ihre Spuren in den Städten ihrer Pilgerfahrten" (Butor, S. 43). Vor allem die englischen, deutschen und französischen Romantiker haben Venedig ihr eigen gemacht. So ist das Venedigbild heute noch stark von deren größtenteils idealisierenden Werken geprägt, obwohl der Zenit Venedigs selbst damals schon längst der Vergangenheit angehörte. Die Internationalität dieses Phänomens führt Sarter dazu, von einem Mythos im Sinne Barthes' zu sprechen, der einer Wechselwirkung unterliegt: "Die Berühmtheiten, die sich in Venedig aufgehalten haben, sind längst zum festen Bestandteil des Mythos geworden, wie sie andererseits an ihm mitgewirkt, ihn variiert und entwickelt haben. In ihnen scheint sich Venedig als Stadt der Kunst und der Künstler zu verkörpern; sie und ihre Werke laden die Stadt mit Bedeutungen auf, von denen wiederum zeitgenössische Künstler profitieren (...)"(Sarter, S. 15). Für die Schriftsteller der Moderne und Postmoderne ist es also nahezu unmöglich, sich zu Venedig zu äußern, ohne zu ihren literarischen Vorgängern Position zu beziehen, wie von Pfister/Schaff festgestellt wird: "Writing Venice (...) means relating oneself to the rich intertextual background of Venetian fiction - shaping and interpreting culture" (Pfister/Schaff, S. 11). Selbst Shakespeare und andere Schriftsteller, die nie in Venedig waren, siedelten ihre Werke in der Lagunenstadt an. Die Stadt ist allen vertraut: "So sind auch Bilder Venedigs und ein Begriff der Stadt in der Vorstellung von Leuten, die dort noch nie waren, gleichzeitig präformieren und strukturieren sie das Reiseerlebnis von jenen, die die Stadt besuchen." (Sarter, S. 6). Angesichts dieser Fülle an Information fragt sich Sartre: "Nehme ich überhaupt wahr oder erinnere ich mich nur. Ich sehe, was ich weiß, oder besser gesagt, was schon ein anderer weiß" (Sartre, S. 363). Die literarische Repräsentation Venedigs in der Moderne ist nicht unproblematisch. Schon Goethe beschrieb die Schwierigkeit, originelle Bilder für Venedig zu finden: "Von Venedig ist schon viel erzählt und gedruckt, dass ich mit Beschreibung nicht umständlich sein will" (zit. nach Comi/Pontzen, S. 259). Warum also heute noch über Venedig schreiben? Im zwanzigsten Jahrhundert dient die Stadt hauptsächlich als Kulisse für Unterhaltungs- bzw. Trivialromane. Dennoch hielten es Mann, Andersch und Koeppen noch für möglich, das Venedigbild zu verändern, in dem sie versuchen, der intertextuellen Landschaft neue Einsichten und Elemente hinzuzufügen. Genauso berechtigt wäre die Frage danach, warum man sich angesichts der beinahe unüberschaubaren Fülle an Sekundärliteratur zu Venedig-Texten heute noch mit diesem Themenbereich auseinandersetzt, vor allem nachdem er in den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts fast zu einer Modeerscheinung geworden ist. Diese Arbeit, in der die Brüche mit und Fortschreibung dieser literarischen Tradition in den Werken dieser Autoren aufgezeigt werden sollen, will ebenfalls neue Einsichten zum Venedigbild in der Literatur bieten. Behandelt werden Manns Tod in Venedig, Anderschs Die Rote, sowie Koeppens Ich bin gern in Venedig warum.
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