Als sie ihre erste Puppe in der Hand hält, ist Anna Reinhardt fünf Jahre alt. Sie zieht ihr die Kleider aus und schneidet ihr den Zopf ab. Warum?, fragt die Mutter. Anna weiß es nicht. Heute, als 70-Jährige, versteht sie: Sie spielte nach, was in den Arbeitslagern der Nationalsozialisten mit ihrer Familie passiert war. Anna Reinhardt ist Sintiza, eine Zigeunerin. 1940 wurde sie als Baby mit Tausenden anderer Sinti ins besetzte Polen deportiert. "Porajmos", das Verschlingen, heißt auf Romanes der Völkermord, den die Nationalsozialisten an den europäischen Sinti und Roma begingen. Das Schicksal der Familie Reinhardt aus Nördlingen ist ein Teil dieser oft verdrängten Geschichte. In diesem Buch berichtet Angela Bachmair von ihren Gesprächen mit Anna Reinhardt, die den Porajmos überlebte. Die Journalistin hat sich auf die Spuren der Reinhardts gemacht und zeichnet das Schicksal von Verfolgten, Ermordeten und Überlebenden nach. Sie erzählt auch von dem langen Kampf um Wiedergutmachung, von dem Leben der Sinti damals wie heute und von einer missverstanden Kultur in unserer Mitte.
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