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"Ach Freund, mir stahl ein Bösewicht / Mein ungedrucktes Lehrgedicht": Der so klagende didaktische Dichter in Gottlieb Konrad Pfeffels Spottversen findet kein Mitleid, zu bedauern sei allein der Dieb. Goethe hält diesem verbreiteten Verdikt in einer kleinen Gattungsreflexion zwar diplomatisch entgegen, alle Poesie solle "belehrend sein, aber unmerklich". Doch dem schon seit Aristoteles beschädigten Ruf war lange kaum beizukommen. Wilhelm Kühlmann meldet jetzt entschieden Protest dagegen an. Wie kann man auch eine literarische Form ausgrenzen, die von Opitz bis Batteux eine Selbstverständlichkeit darstellt und selbst große Epen wie Vergils "Aeneis" prägt? Dieser Einspruch scheint umso wichtiger, als die neueste Forschung zu "Literatur und Wissen" diese zentrale Schnittstelle zwischen Kunst und Kenntnis gerne übergeht. Kühlmann führt durch die noch kaum erforschte lebensphilosophische, naturkundliche, medizinische, astronomische oder historische Fachlyrik zwischen Spätmittelalter und Aufklärung, die sich häufig auf antike Vorlagen bezieht und oft in gelehrtem Neulatein verfasst ist.
An Trouvaillen und Kuriositäten besteht kein Mangel, etwa wenn der Berner Chirurg Wilhelm Fabry in seinem "Christlichen Schlafftrunck" (1624) in Bild und Vers vor der Trunkenheit warnt: Zu sehen ist ein nacktes, gehörntes "Manneken Piss", vom Teufel zwischen Spielkarten und Büchern an der Kette geführt und sein Wasser abschlagend. Da so viele Autoren sich auf Lukrezens "De natura rerum" beziehen, wünscht man sich nach Lektüre von Kühlmanns Buch die 1803 von Goethe am Original überprüfte und als "Meisterwerk" empfohlene Übersetzung seines Freundes Karl Ludwig von Knebel in einer Neuausgabe.
kos.
Wilhelm Kühlmann: "Wissen als Poesie". Ein Grundriss zu Formen und Funktionen der frühneuzeitlichen Lehrdichtung im deutschen Kulturraum des 16. und 17. Jahrhunderts.
Verlag De Gruyter, Berlin 2016. 188 S., geb., 79,95 [Euro].
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Hanspeter Marti in: Arbitrium 2018; 36(1): 45-49