Ein Frauenleben in Korea
Wie schon in ihrem international erfolgreichen Roman „ Kim Jiyoung, geboren 1982“ ( das Buch wurde in 19 Sprachen übersetzt und über zwei Millionen mal verkauft ) steht auch hier wieder eine Frau Mitte Dreißig im Zentrum der Geschichte.
Die Ich- Erzählerin Mani lebt
immer noch bei ihren Eltern in einem der ärmsten Viertel von Seoul. Hier hausen dicht an dicht die…mehrEin Frauenleben in Korea
Wie schon in ihrem international erfolgreichen Roman „ Kim Jiyoung, geboren 1982“ ( das Buch wurde in 19 Sprachen übersetzt und über zwei Millionen mal verkauft ) steht auch hier wieder eine Frau Mitte Dreißig im Zentrum der Geschichte.
Die Ich- Erzählerin Mani lebt immer noch bei ihren Eltern in einem der ärmsten Viertel von Seoul. Hier hausen dicht an dicht die Menschen in heruntergekommenen Wohnungen, unter primitivsten Bedingungen. Ihr Vater betreibt einen kleinen Imbissladen, die Mutter sitzt freudlos zu Hause. Mani ist gescheitert, ohne Freunde, ohne Mann und Kinder. Dabei waren ihre Ansprüche an einen möglichen Ehepartner nicht hoch: Er sollte vor allem eine Wohnung mit Spültoilette haben.
Da wird ihr von einem Tag auf den anderen gekündigt und sie kann nicht mehr mit ihrem Verdienst zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Ein weiterer Tiefpunkt in ihrem ohnehin deprimierenden Leben.
Dabei hatte sie als Kind hochfliegende Träume. Angeregt durch Fernsehbilder von den Olympischen Spielen will sie Kunstturnerin werden, so wie ihr Vorbild, die rumänische Turnerin Nadia Comaneci.
Unter großen Entbehrungen ermöglichen ihr die Eltern den Besuch einer teuren Turnschule. Doch bald merkt Mani selbst, dass ihr dafür einfach das Talent fehlt und zwischen den reichen Sprößlingen fühlt sie sich fehl am Platz. Desillusioniert und gedemütigt begräbt sie ihren Lebenstraum und die Hoffnung auf einen sozialen Aufstieg.
Nun aber scheint sich eine Wende in ihrem Leben anzubahnen. Es tut sich endlich etwas im Viertel. Die Stadtverwaltung hat ein großes Sanierungsprogramm beschlossen und Mani und ihre Familie haben die Chance auf einen Neuanfang. Doch dafür müssen sie ihre Prinzipien hinter sich lassen.
Die koreanische Autorin Cho Nam-Joo kennt die Verhältnisse, über sie hier schreibt, aus eigenem Erleben. Sie weiß, was es bedeutet, in Armut aufzuwachsen. Das wird an vielen Details sichtbar. „ Jemand, der nie ein Hockklosett benutzt hat, hat kein Anrecht, sich über das Leben zu äußern.“ Sie beschreibt nicht nur das harte und trostlose Leben vieler Menschen, die sich täglich abmühen und trotzdem nie aus ihrer Armut herauskommen. Sondern sie zeigt auch politische Fehlentwicklungen und wie sich große Firmen selbst bereichern.
Neben der lautstark vorgetragenen Sozialkritik zeichnet der Roman auch das Psychogramm einer Frau, die sich fragen muss, wie sie dahin kommen konnte, wo sie heute ist. In Rückblenden lesen wir von geplatzten Träumen, von peinlichen Erlebnissen und Mobbing. Das alles ist zutiefst deprimierend, trotzdem lässt der Erzählstil keine wirkliche Nähe zu den Figuren zu. Man empfindet Mitleid und gleichzeitig Ärger über ihr Verhalten. Z.B. versinkt Mani nach ihrer Entlassung in völlige Apathie. Antriebslos verschläft sie ihre Tage, nur unterbrochen von den Streitigkeiten mit ihrer Mutter. Auch der Umgangston in der Familie war mir zu ruppig und zu derb.
Die Autorin beschreibt schonungslos und sehr ausführlich das eintönige und trostlose Dasein, das Vielen in dieser Welt vorbestimmt ist. „ Niemand ist glücklich, doch auch niemand betrübt. Es leben nur alle fleißig ihr Leben.“ heißt es am Ende .
„ Wo ich wohne, ist der Mond ganz nahe“ ist ein Roman, der ein wenig einnehmendes Bild vom Alltag in Korea vermittelt. Entstanden ist er schon 2016; es ist zu hoffen, dass sich manches seitdem verbessert hat.
Es ist sicherlich nicht der beste Roman der Autorin. Wer sie noch nicht kennt, dem empfehle ich den schon erwähnten Bestseller „ Kim Jiyoung, geboren 1982“ oder ihren ebenfalls auf Deutsch erschienenen Erzählband „ Miss Kim Bescheid“. Dort kann Cho Nam-Joo auch literarisch überzeugen.