Als ein Teenager aus der mysteriösen Heiler-Kommune seines Vaters in der Mojave-Wüste flüchtet, setzt er damit eine spektakuläre Reihe von Ereignissen in Gang, an deren Ende sich die Wege von mehreren Personen kreuzen, die allesamt ihrer Vergangenheit entfliehen wollen. Da ist der Mörder Ren, der in L. A. seine Mutter sucht, Britt, die ein dunkles Geheimnis mit sich trägt, Tony, ein unglücklicher Anwalt kurz vor dem Nervenzusammenbruch, und da sind die Gewalttäter Sam und Blake, die sich im Wonder Valley verstecken. Unter der gnadenlosen Sonne Kaliforniens knallen die Schicksale der verlorenen Seelen auf eine schockierende Weise aufeinander, wie es nur in dieser so betörenden wie gefährlichen Metropole möglich ist - ein mit visionärer literarischer Kraft geschriebenes Porträt von Los Angeles, eine Bestandsaufnahme der Hoffnungen unserer Gegenwart, aber auch ein Thriller voller Twists mit einem grandiosen Finale.
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
buecher-magazin.deEin nackter Mann läuft durch den morgendlichen Berufsverkehr von Los Angeles, und damit beginnt eine Tour de Force durch Kalifornien, die bisweilen an die Zeiten erinnert, als die Mörderinnenbande Charles Mansons dem "summer of love" ein blutiges Ende bereitete. Eine junge Frau landet auf einer esoterisch angehauchten Hühnerfarm. Ein flüchtiger Totschläger sieht sich und seinen Kumpan von einem Fluch verfolgt. Ein gerade aus dem Gefängnis entlassener junger Mann sucht seine Mutter. Und ein Vertreter der Besserverdienenden Kaliforniens läuft dem nackten Jogger nach und vor seiner Karriere davon. Aus der Perspektive wechselnder Protagonisten, mit Vor- und Rückblenden, führt die Tour durch noble Vororte und billige Absteigen, halb ausgestorbene Siedlungen und eine Hippieranch, und wer nicht in der Wüste verschwindet, dem droht am Ende das Obdachlosenviertel rund um die "Skid Row", auf dessen Pflaster zeitweise 50000 Obdachlose kampieren. Das Meer, an dem die Stadt liegt, haben die meisten von ihnen nie zu sehen bekommen. Umso allgegenwärtiger sind die Hitze und Trockenheit, die jederzeit einen verheerenden Flächenbrand auslösen könnten. Und doch ist das Meer da, und scheint am Ende zum Schauplatz einer Art von Wiedergeburt zu werden.
© BÜCHERmagazin, Ulrich Baron (ub)
© BÜCHERmagazin, Ulrich Baron (ub)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.07.2019Lagerkoller in Los Angeles
Die Stadt der Engel mit der Kunst suchend: Ivy Pochodas zwiespältiges deutsches Debüt "Wonder Valley"
Ein Jogger rennt auf dem Freeway mitten durch Los Angeles, zieht locker an den im morgendlichen Dauerstau feststeckenden Limousinen vorbei - und dabei alle Blicke und Handykameras auf sich. Denn er rennt splitterfasernackt. Ivy Pochodas "Wonder Valley" beginnt mit einem starken Bild. Wie eine Sensationsreporterin stürzt sie sich auf diesen Reißer des Tages, ganz so wie man es in einer hyperaktiven Metropole wie Los Angeles eben erwarten würde, um dann doch lieber wie für ein investigatives Lesestück allmählich die Geschichten dahinter aufzurollen.
Geschichten von Leuten, die gelangweilt sind vom immer gleichen Wohlstandstrott, von der Familie entfremdet, von Armut und Ängsten getrieben oder auf der Flucht vor ihrer eigenen Vergangenheit, vor Verfehlungen, Versäumnissen. Erlösung nicht in Sicht. Das sogenannte Erdbebenwetter, über das sich irgendwann jemand beschwert, ist für sie ein Dauerzustand. Eine Abfolge bedeckter Tage, die noch nicht einmal auf Regen hoffen lassen: "Die ganze Stadt wie erstickt, der Himmel ein immer gleiches Badewassergrau, die Luft so reglos, dass man noch im Freien einen Lagerkoller kriegte."
Ähnlich einem Episodenfilm erzählt "Wonder Valley" in Kapiteln, die in und um die Stadt der Engel angesiedelt sind und zwischen den Jahren 2006 und 2010 springen, von Britt, die auf einer Hühnerfarm in der kalifornischen Wüste landet, auf der sich Neo-Hippies um einen ominösen Heiler scharen. Von einem jungen Schwarzen namens Ren, der gerade aus dem Jugendknast freigekommen ist und nun quer durch die Vereinigten Staaten fährt, auf der Suche nach seiner durchgebrannten Mutter. Von zwei Schwerverbrechern, die in der Wüste untertauchen wollen. Von Tony, einem gutsituierten Familienvater in der Midlifecrisis. Ihre Geschichten beginnen an verschiedenen Polen, verlaufen für ein Teilstück des Weges parallel oder schildern dem Rashomon-Prinzip entsprechend dasselbe Ereignis aus verschiedenen Perspektiven.
"Wonder Valley" ist das erste ins Deutsche übersetzte, eigentlich aber schon das dritte Buch von Ivy Pochoda, einer ehemaligen professionellen Squash-Spielerin. Sie lebt in Los Angeles, stammt aber aus Brooklyn. Wahrscheinlich hat sie deshalb diese ostküstentypisch distanzierte Hassliebe zu der Stadt entwickelt, die dem Buch aus jeder Zeile quillt. Seitenlang degradiert sie ihren Plot zur Nebensache, beschreibt lieber Umgebungen, erschafft Atmosphären. Der unerbittliche Sonnenschein, der in der Wüste jedes pflanzliche Leben innerhalb von Stunden verdorren lässt. Die heruntergekommensten Ecken von Downtown, die Gleichförmigkeit von Suburbia. Egal ob Großstadt oder Natur, reiche oder arme Nachbarschaft, mit oder ohne Dach über dem Kopf - in "Wonder Valley" ist jede Umgebung auf ihre eigene Weise überlebensfeindlich, barbarisch.
Schreiben kann Pochoda also ohne Zweifel, nur verlässt sie sich dabei immer wieder auf die gleichen Strategien, deutet die Jahre zurückliegenden Sündenfälle ihrer Protagonisten wiederholt nur an, um einem den real scoop irgendwann scheinbar beiläufig in einem Nebensatz vor die Füße fallen zu lassen. Zunächst einmal mag das als clevere Verzögerungstaktik durchgehen. Nur wird die Methode irgendwann vorhersagbar und lässt die Geschichte wie eine einzige ausufernde Exposition erscheinen, bis das Ende regelrecht verpufft. Antiklimaktisch, unbefriedigend gar. Die Erkenntnisse bleiben eindimensional, die Nebenfiguren und Feindbilder wirken wie Bequemlichkeiten einer Autorin, die für die Weltsicht ihrer kaputten Antihelden vielleicht ein wenig zu viel Empathie aufbringt. Es ist nun einmal schockierend einfach, überspannte Helikoptermütter und naiv-verzogene Hippiemädchen so zu beschreiben, dass jeder sie als Nervensägen empfindet.
Der einzige Ausweg - nicht aus ihrer wirtschaftlichen Misere, aber immerhin aus der mentalen Abwärtsspirale -, der den Figuren in "Wonder Valley" bleibt, ist die Kunst. Sie hüten handgeschnitzte Schachfiguren wie ein Erbstück von unschätzbarem Wert, zeichnen auf herumliegenden Zeitungsseiten, Wohnungslose zücken Kodak-Einwegkameras und berichten stolz von ihren Fotoausstellungen im Gemeindezentrum, wieder andere sprayen ihre Grafitti auf alles, was lang genug stillhält. Pochoda gibt sich als Anwältin einer solchen gesellschaftlichen Polyphonie; das Wertvolle an Kunstwerken gleich welcher Qualität sei doch gerade, dass jeder seine eigene Wahrheit aus ihnen herauslesen könne. Nur um dann doch die Vielstimmigkeit abrupt zu unterbrechen: Am Ende wendet sich die Erzählerinnenstimme direkt an die Leserschaft wie die Moderatorin einer drittklassigen Fernsehreportage, um noch dem Letzten zu erklären, wie das Schicksal der Figuren das reale Leben spiegelt.
KATRIN DOERKSEN.
Ivy Pochoda: "Wonder Valley". Roman.
Aus dem Englischen von Sabine Roth und Rudolf Hermstein.
ars vivendi Verlag, Cadolzburg 2019.
400 S., br., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Stadt der Engel mit der Kunst suchend: Ivy Pochodas zwiespältiges deutsches Debüt "Wonder Valley"
Ein Jogger rennt auf dem Freeway mitten durch Los Angeles, zieht locker an den im morgendlichen Dauerstau feststeckenden Limousinen vorbei - und dabei alle Blicke und Handykameras auf sich. Denn er rennt splitterfasernackt. Ivy Pochodas "Wonder Valley" beginnt mit einem starken Bild. Wie eine Sensationsreporterin stürzt sie sich auf diesen Reißer des Tages, ganz so wie man es in einer hyperaktiven Metropole wie Los Angeles eben erwarten würde, um dann doch lieber wie für ein investigatives Lesestück allmählich die Geschichten dahinter aufzurollen.
Geschichten von Leuten, die gelangweilt sind vom immer gleichen Wohlstandstrott, von der Familie entfremdet, von Armut und Ängsten getrieben oder auf der Flucht vor ihrer eigenen Vergangenheit, vor Verfehlungen, Versäumnissen. Erlösung nicht in Sicht. Das sogenannte Erdbebenwetter, über das sich irgendwann jemand beschwert, ist für sie ein Dauerzustand. Eine Abfolge bedeckter Tage, die noch nicht einmal auf Regen hoffen lassen: "Die ganze Stadt wie erstickt, der Himmel ein immer gleiches Badewassergrau, die Luft so reglos, dass man noch im Freien einen Lagerkoller kriegte."
Ähnlich einem Episodenfilm erzählt "Wonder Valley" in Kapiteln, die in und um die Stadt der Engel angesiedelt sind und zwischen den Jahren 2006 und 2010 springen, von Britt, die auf einer Hühnerfarm in der kalifornischen Wüste landet, auf der sich Neo-Hippies um einen ominösen Heiler scharen. Von einem jungen Schwarzen namens Ren, der gerade aus dem Jugendknast freigekommen ist und nun quer durch die Vereinigten Staaten fährt, auf der Suche nach seiner durchgebrannten Mutter. Von zwei Schwerverbrechern, die in der Wüste untertauchen wollen. Von Tony, einem gutsituierten Familienvater in der Midlifecrisis. Ihre Geschichten beginnen an verschiedenen Polen, verlaufen für ein Teilstück des Weges parallel oder schildern dem Rashomon-Prinzip entsprechend dasselbe Ereignis aus verschiedenen Perspektiven.
"Wonder Valley" ist das erste ins Deutsche übersetzte, eigentlich aber schon das dritte Buch von Ivy Pochoda, einer ehemaligen professionellen Squash-Spielerin. Sie lebt in Los Angeles, stammt aber aus Brooklyn. Wahrscheinlich hat sie deshalb diese ostküstentypisch distanzierte Hassliebe zu der Stadt entwickelt, die dem Buch aus jeder Zeile quillt. Seitenlang degradiert sie ihren Plot zur Nebensache, beschreibt lieber Umgebungen, erschafft Atmosphären. Der unerbittliche Sonnenschein, der in der Wüste jedes pflanzliche Leben innerhalb von Stunden verdorren lässt. Die heruntergekommensten Ecken von Downtown, die Gleichförmigkeit von Suburbia. Egal ob Großstadt oder Natur, reiche oder arme Nachbarschaft, mit oder ohne Dach über dem Kopf - in "Wonder Valley" ist jede Umgebung auf ihre eigene Weise überlebensfeindlich, barbarisch.
Schreiben kann Pochoda also ohne Zweifel, nur verlässt sie sich dabei immer wieder auf die gleichen Strategien, deutet die Jahre zurückliegenden Sündenfälle ihrer Protagonisten wiederholt nur an, um einem den real scoop irgendwann scheinbar beiläufig in einem Nebensatz vor die Füße fallen zu lassen. Zunächst einmal mag das als clevere Verzögerungstaktik durchgehen. Nur wird die Methode irgendwann vorhersagbar und lässt die Geschichte wie eine einzige ausufernde Exposition erscheinen, bis das Ende regelrecht verpufft. Antiklimaktisch, unbefriedigend gar. Die Erkenntnisse bleiben eindimensional, die Nebenfiguren und Feindbilder wirken wie Bequemlichkeiten einer Autorin, die für die Weltsicht ihrer kaputten Antihelden vielleicht ein wenig zu viel Empathie aufbringt. Es ist nun einmal schockierend einfach, überspannte Helikoptermütter und naiv-verzogene Hippiemädchen so zu beschreiben, dass jeder sie als Nervensägen empfindet.
Der einzige Ausweg - nicht aus ihrer wirtschaftlichen Misere, aber immerhin aus der mentalen Abwärtsspirale -, der den Figuren in "Wonder Valley" bleibt, ist die Kunst. Sie hüten handgeschnitzte Schachfiguren wie ein Erbstück von unschätzbarem Wert, zeichnen auf herumliegenden Zeitungsseiten, Wohnungslose zücken Kodak-Einwegkameras und berichten stolz von ihren Fotoausstellungen im Gemeindezentrum, wieder andere sprayen ihre Grafitti auf alles, was lang genug stillhält. Pochoda gibt sich als Anwältin einer solchen gesellschaftlichen Polyphonie; das Wertvolle an Kunstwerken gleich welcher Qualität sei doch gerade, dass jeder seine eigene Wahrheit aus ihnen herauslesen könne. Nur um dann doch die Vielstimmigkeit abrupt zu unterbrechen: Am Ende wendet sich die Erzählerinnenstimme direkt an die Leserschaft wie die Moderatorin einer drittklassigen Fernsehreportage, um noch dem Letzten zu erklären, wie das Schicksal der Figuren das reale Leben spiegelt.
KATRIN DOERKSEN.
Ivy Pochoda: "Wonder Valley". Roman.
Aus dem Englischen von Sabine Roth und Rudolf Hermstein.
ars vivendi Verlag, Cadolzburg 2019.
400 S., br., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main