Das beste Buch zum größten Festival aller Zeiten. Jetzt endlich auf Deutsch. Woodstock 1969: ein Meilenstein der Musikgeschichte. Kein Buch beschreibt die einmalige Atmosphäre besser als dieser New-York-Times-Bestseller. Michael Lang, damals Organisator des Festivals, erweist sich als humorvoller, intelligenter Erzähler, der die Magie von Woodstock wunderbar einfängt. Sein Tatsachenbericht zeigt aber auch schonungslos die zum Teil bittere Realität hinter den Kulissen.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.08.2019Urschlamm
50 Jahre Woodstock: Ein Bildband zeigt, dass sich die große Hippie-Party schon damals auch um ihren Mythos sorgte
Nur, um das gerade zu rücken, die Dinge geraten ja leicht durcheinander mit einem halben Jahrhundert Abstand: der „Summer of Love“ war nicht der Sommer der Mondlandung und des Woodstock-Festivals. Dieser Liebessummer hatte zwei Jahre zuvor stattgefunden, 1967. Im Frühling war „Sergeant Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ der Beatles erschienen, der Sommer, der die Welt bewegen sollte, hatte kalifornische Wurzeln, drehte sich in Haight-Ashbury, einem Stadtteil von San Francisco, tatsächlich und ausdrücklich um LSD und fand mit dem Monterey Pop Festival (im kalifornischen Monterey) seinen musikalischen Höhepunkt.
Die lovepeacebeseelte Jugend fand dann im Oktober des Jahres noch einmal in Washington zu einem Marsch auf das Pentagon zusammen, um mit 200 000 Stimmen gegen den Vietnamkrieg zu protestieren. Ach ja, ebenfalls im Oktober ’67 fand die symbolische Beerdigung des Hippies statt, „Death of Hippie“ (Tod des Hippies) wurde sie genannt.
Denn alle schmachtende Glückseligkeit und das erinnerungstriefende Sentiment für jenes angebliche Hochamt der Hippiebewegung, das zwei Jahre später auf den Weidefeldern eines Milchbauern in White Lake bei Bethel, New York stattfand, trübt den Blick. Darauf nämlich, dass diese sicherlich farbenprächtige, manchmal witzige, oft einfallsreiche und gelegentlich auch groteske Anmutung der hochgerechnet halben Million Teilnehmer des besagten Festivals in Woodstock da schon als Kostümierung begriffen wurde, als Flowerpower-Ramsch und Alternativfolklore.
Woodstock war der Laufsteg eines bereits sattelfesten, etablierten Mainstream-Pop, war selber schon Inszenierung eines Mythos. Einer, der nun, 50 Jahre später, sogar zum Mythosmythos der angeblich unwiederbringlichen Jugendkultur, der besseren Gegen-Gesellschaft aus dem Untergrund, nein: aus dem Schlamm des festivalkonform verregneten Woodstock stilisiertwird. Einen ganz herzlichen, metallharten Gruß übrigens an dieser Stelle an jene Unverdrossenen, die sich an diesem Wochenende im Schlamm des kühlen Nordens, in Wacken, beim dortigen, nun auch schon 30. Open Air wälzen! Wenn man so will, seid ihr die ungezogenen, bösen, lauten Kinder der Woodstockwallawalla–Eltern.
Man darf außerdem niemals vergessen, dass beim Original-Woodstock 1969 die Protagonisten des tatsächlich gegenkulturellen, politischen Pop, die Avantgarde des Rock’n’Roll wie des goldenen Blues nicht auf der heiligen Weide zugegen waren: Es fehlten etwa Bob Dylan, The Rolling Stones, The Beatles, The Doors, Eric Burdon, James Brown und Aretha Franklin.
Ja, ja, Janis Joplin, The Who und Jefferson Airplane waren schon da, und natürlich auch Jimi Hendrix, der dort allerdings nicht seinen überzeugendsten Auftritt hatte. Doch wer hatte das! Creedence Clearwater Revival, Janis Joplin und die hier mal hitparadenseichten Grateful Dead bleiben deswegen jedenfalls nicht in Erinnerung. Klar, dass Joe Cocker hier legendär mit einer Beatles-Adaption um „ein wenig Hilfe von seinen Freunden“ bitten musste.
Joni Mitchell, die es selber nicht auf die Bühne geschafft hatte, leistete sich später mit „Woodstock“ nicht nur eine gehörganggefährdende Schnulze, sondern mit den Zeilen „We are stardust / We are golden / And we’ve got to get ourselves / Back to the garden“ erste Arbeit am Mythos.
Was aber auch niemand vergessen darf: Schon dem Original-Woodstock-Festival und erst recht der gleichnamigen, dreistündigen Festival-Doku, die ein Jahr später veröffentlicht wurde, schlug jener Vorwurf entgegen, den man im Mai 1969 schon dem in Cannes gezeigten „Easy Rider“ entgegengebracht hatte. Der, „dass Kapitalisten die Kultur der jungen Leute an sich gerissen und sie ihnen wieder zurückverkauft haben“, wie es der Pop-Philosoph Helmut Salzinger 1972 formulierte.
Und darum ist es wunderbar, dass Michael Lang, einer der Organisatoren des Original-Woodstock-Festivals und nun gescheiterter Organisator seiner Wiederauflage (siehe Kasten), zum 50. Jahrestag einen Bildband betreut hat, in dem es gleich im ersten Kapitel um Geld geht. Lang, der damals mit dem Musikproduzenten Artie Kornfeld die Firma Woodstock Ventures gründete und für die Suche nach einem Festivalort und zuvor nach Risiko-Kapital verantwortlich zeichnete, spricht von „Vermengung von Kunst und Kommerz“, wobei seine PR-Abteilung meinte, dass der Slogan „Three Days of Peace & Music“ auf dem mittlerweile berühmten Poster ok, die arg klein gedruckten Namen der Acts jedoch „anti-intuitiv“ seien.
Ein solides, ehrliches Buch also, und so sind die Bilder. Sie zeigen nicht die Bühnenhelden des Pop im Strahlenkranz der Scheinwerfer, sondern Porträts jener bestens aufgelegten Durchgeknallten, die sich diese drei chaotischen Tage des Festivals angetan haben. Schon der „kosmische Verkehrsstau“ (Greil Marcus) auf dem Weg dorthin war Teil des Erlebnisses. Der Band belegt, warum.
BERND GRAFF
Michael Lang: Woodstock. 3 Days of Peace and Music. Reel Art Press, London 2019. 290 Seiten, 41,50 Euro.
Das Festival wurde schon
damals als Kostümfest und
Ausverkauf begriffen
Was man so macht, wenn man bei lauter Musik auf sehr viele Menschen gleichen Alters trifft:
Der Magier „Moonfire“ predigt den Weltfrieden (oben, links), ein Zelt den „reinen Wahnsinn“ (darunter).
Für die Woodstock-Postille (Mitte) benötigt man Durchblick – oder auch nicht. Michael Lang (oben) hat von einem improvisierten Trailer aus alles organisiert.
Fotos: Alle Bilder a. d. bespr. Band
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50 Jahre Woodstock: Ein Bildband zeigt, dass sich die große Hippie-Party schon damals auch um ihren Mythos sorgte
Nur, um das gerade zu rücken, die Dinge geraten ja leicht durcheinander mit einem halben Jahrhundert Abstand: der „Summer of Love“ war nicht der Sommer der Mondlandung und des Woodstock-Festivals. Dieser Liebessummer hatte zwei Jahre zuvor stattgefunden, 1967. Im Frühling war „Sergeant Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ der Beatles erschienen, der Sommer, der die Welt bewegen sollte, hatte kalifornische Wurzeln, drehte sich in Haight-Ashbury, einem Stadtteil von San Francisco, tatsächlich und ausdrücklich um LSD und fand mit dem Monterey Pop Festival (im kalifornischen Monterey) seinen musikalischen Höhepunkt.
Die lovepeacebeseelte Jugend fand dann im Oktober des Jahres noch einmal in Washington zu einem Marsch auf das Pentagon zusammen, um mit 200 000 Stimmen gegen den Vietnamkrieg zu protestieren. Ach ja, ebenfalls im Oktober ’67 fand die symbolische Beerdigung des Hippies statt, „Death of Hippie“ (Tod des Hippies) wurde sie genannt.
Denn alle schmachtende Glückseligkeit und das erinnerungstriefende Sentiment für jenes angebliche Hochamt der Hippiebewegung, das zwei Jahre später auf den Weidefeldern eines Milchbauern in White Lake bei Bethel, New York stattfand, trübt den Blick. Darauf nämlich, dass diese sicherlich farbenprächtige, manchmal witzige, oft einfallsreiche und gelegentlich auch groteske Anmutung der hochgerechnet halben Million Teilnehmer des besagten Festivals in Woodstock da schon als Kostümierung begriffen wurde, als Flowerpower-Ramsch und Alternativfolklore.
Woodstock war der Laufsteg eines bereits sattelfesten, etablierten Mainstream-Pop, war selber schon Inszenierung eines Mythos. Einer, der nun, 50 Jahre später, sogar zum Mythosmythos der angeblich unwiederbringlichen Jugendkultur, der besseren Gegen-Gesellschaft aus dem Untergrund, nein: aus dem Schlamm des festivalkonform verregneten Woodstock stilisiertwird. Einen ganz herzlichen, metallharten Gruß übrigens an dieser Stelle an jene Unverdrossenen, die sich an diesem Wochenende im Schlamm des kühlen Nordens, in Wacken, beim dortigen, nun auch schon 30. Open Air wälzen! Wenn man so will, seid ihr die ungezogenen, bösen, lauten Kinder der Woodstockwallawalla–Eltern.
Man darf außerdem niemals vergessen, dass beim Original-Woodstock 1969 die Protagonisten des tatsächlich gegenkulturellen, politischen Pop, die Avantgarde des Rock’n’Roll wie des goldenen Blues nicht auf der heiligen Weide zugegen waren: Es fehlten etwa Bob Dylan, The Rolling Stones, The Beatles, The Doors, Eric Burdon, James Brown und Aretha Franklin.
Ja, ja, Janis Joplin, The Who und Jefferson Airplane waren schon da, und natürlich auch Jimi Hendrix, der dort allerdings nicht seinen überzeugendsten Auftritt hatte. Doch wer hatte das! Creedence Clearwater Revival, Janis Joplin und die hier mal hitparadenseichten Grateful Dead bleiben deswegen jedenfalls nicht in Erinnerung. Klar, dass Joe Cocker hier legendär mit einer Beatles-Adaption um „ein wenig Hilfe von seinen Freunden“ bitten musste.
Joni Mitchell, die es selber nicht auf die Bühne geschafft hatte, leistete sich später mit „Woodstock“ nicht nur eine gehörganggefährdende Schnulze, sondern mit den Zeilen „We are stardust / We are golden / And we’ve got to get ourselves / Back to the garden“ erste Arbeit am Mythos.
Was aber auch niemand vergessen darf: Schon dem Original-Woodstock-Festival und erst recht der gleichnamigen, dreistündigen Festival-Doku, die ein Jahr später veröffentlicht wurde, schlug jener Vorwurf entgegen, den man im Mai 1969 schon dem in Cannes gezeigten „Easy Rider“ entgegengebracht hatte. Der, „dass Kapitalisten die Kultur der jungen Leute an sich gerissen und sie ihnen wieder zurückverkauft haben“, wie es der Pop-Philosoph Helmut Salzinger 1972 formulierte.
Und darum ist es wunderbar, dass Michael Lang, einer der Organisatoren des Original-Woodstock-Festivals und nun gescheiterter Organisator seiner Wiederauflage (siehe Kasten), zum 50. Jahrestag einen Bildband betreut hat, in dem es gleich im ersten Kapitel um Geld geht. Lang, der damals mit dem Musikproduzenten Artie Kornfeld die Firma Woodstock Ventures gründete und für die Suche nach einem Festivalort und zuvor nach Risiko-Kapital verantwortlich zeichnete, spricht von „Vermengung von Kunst und Kommerz“, wobei seine PR-Abteilung meinte, dass der Slogan „Three Days of Peace & Music“ auf dem mittlerweile berühmten Poster ok, die arg klein gedruckten Namen der Acts jedoch „anti-intuitiv“ seien.
Ein solides, ehrliches Buch also, und so sind die Bilder. Sie zeigen nicht die Bühnenhelden des Pop im Strahlenkranz der Scheinwerfer, sondern Porträts jener bestens aufgelegten Durchgeknallten, die sich diese drei chaotischen Tage des Festivals angetan haben. Schon der „kosmische Verkehrsstau“ (Greil Marcus) auf dem Weg dorthin war Teil des Erlebnisses. Der Band belegt, warum.
BERND GRAFF
Michael Lang: Woodstock. 3 Days of Peace and Music. Reel Art Press, London 2019. 290 Seiten, 41,50 Euro.
Das Festival wurde schon
damals als Kostümfest und
Ausverkauf begriffen
Was man so macht, wenn man bei lauter Musik auf sehr viele Menschen gleichen Alters trifft:
Der Magier „Moonfire“ predigt den Weltfrieden (oben, links), ein Zelt den „reinen Wahnsinn“ (darunter).
Für die Woodstock-Postille (Mitte) benötigt man Durchblick – oder auch nicht. Michael Lang (oben) hat von einem improvisierten Trailer aus alles organisiert.
Fotos: Alle Bilder a. d. bespr. Band
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"[...] so intensiv und ungeschminkt, als wäre man vor 50 Jahren selbst backstage dabei gewesen." Stern 20190711