»"Sie meinen also, dass Homosexuelle ins Gefängnis gehören?"
"Ja", sagte der Mann.
"Warum?" Der Mann wich ein Stück vom Mikrofon zurück und starrte die Korrespondentin an, als habe sie den Verstand verloren. "Weil wir hier Werte haben"« |283
Wenn Obiefuna glücklich ist, spürt er das Gewicht von
Missbilligung und Sorge auf sich. Er passt nicht in das Bild eines nigerianischen Jungen und sucht…mehr»"Sie meinen also, dass Homosexuelle ins Gefängnis gehören?"
"Ja", sagte der Mann.
"Warum?" Der Mann wich ein Stück vom Mikrofon zurück und starrte die Korrespondentin an, als habe sie den Verstand verloren. "Weil wir hier Werte haben"« |283
Wenn Obiefuna glücklich ist, spürt er das Gewicht von Missbilligung und Sorge auf sich. Er passt nicht in das Bild eines nigerianischen Jungen und sucht eher leise seinen Platz. Doch sein Wesen blitzt durch und als der Lehrling Aboy seinen Blick erwidert, entsteht eine zarte intime Verbindung, die ein dramatisches Ende nehmen wird. Sein hilfloser Vater verjagt Aboy und verbannt Obiefuna in ein streng christliches Internat und seine schützende Mutter zieht sich in Liebe und Rücksicht zurück.
Große Worte und Aussprachen sucht das beachtliche Debüt »Wünschen« nicht, auch wenn es zum Ende viel Kontext einfließen lässt zu der bedrohlichen Situation queerer Menschen in einer oppressiven nigerianischen Gesellschaft, die wenig Raum lässt für Menschen, deren Begehren und Wesen anders ist, als die strengen Ideale von durch Religionen und Traditionen begründeten Wertegrenzen. Wie Obiefuna nicht reden kann, manchmal auch noch nicht denken, spürt der Text auf und macht die Grenzen erfahrbar, auf die er in seiner schwulen Bewusstwerdung gestoßen wird. Doch es gibt auch unerwartete Öffnungen, Wärme und vertrauensvolle Nähe, unwiderstehliche Lust und Geborgenheit, die Obiefuna immer wieder finden. Durch die permanente Bedrohung baut »Wünschen« Spannung und Tempo auf, die Ibeh durch Zartheit und Stille der Figur ausbalanciert und mit der Zeichnung einer offen blickenden Liebe einer bemerkenswerten Mutterfigur komplettiert.
»Wünschen« berührt emotional und schafft es, ohne platte Verurteilungen die Konfliktlinien des bevölkerungsreichsten Landes des afrikanischen Kontinents nachzuzeichnen, die postkoloniale Situation einzuweben und mit Themen zu verbinden wie Flucht und Migration nach innen und nach Europa oder der Universalität, was Menschen ausmacht, wie sie zu ihren Talenten, zu Erfüllung und Magie im Leben finden können. Überraschend und beeindruckend ist die Dichte und einnehmende Wärme dieses Textes. Es ist mir kaum vorstellbar, dass Obiefuna und seine Mutter Uzoamaka anderes als Zuneigung, Sorge, Verzweiflung und Hoffnung auslösen können. Große Freude macht dieser Roman, ich empfehle ihn sehr.