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1. Januar 2016. Sibylle Berg ist in Tel Aviv, Familienbesuch, und draußen gehen die Böller los. Moment mal, Böller zu Neujahr in Israel? Schreiende Menschen kommen die Straße gelaufen. Sie ducken sich, flüchten in Hauseingänge. Was sich unter dem Balkon abspielt, ist kein Fest. Es ist ein Anschlag. Die Autorin ist viel auf Reisen gewesen, jetzt ist der Spaß vorbei. Wollen wir wirklich in einer Welt herumfahren, wo der Strand zur Kampfzone wird, der Konzertsaal zum Bunker, wo neben dem Café die Bomben fliegen? Sibylle Berg erzählt, wie die Welt war, als wir noch Fernweh hatten: schön,…mehr

Produktbeschreibung
1. Januar 2016. Sibylle Berg ist in Tel Aviv, Familienbesuch, und draußen gehen die Böller los. Moment mal, Böller zu Neujahr in Israel? Schreiende Menschen kommen die Straße gelaufen. Sie ducken sich, flüchten in Hauseingänge. Was sich unter dem Balkon abspielt, ist kein Fest. Es ist ein Anschlag. Die Autorin ist viel auf Reisen gewesen, jetzt ist der Spaß vorbei. Wollen wir wirklich in einer Welt herumfahren, wo der Strand zur Kampfzone wird, der Konzertsaal zum Bunker, wo neben dem Café die Bomben fliegen? Sibylle Berg erzählt, wie die Welt war, als wir noch Fernweh hatten: schön, abenteuerlich, romantisch. Und sagt, wie sie heute, im 21. Jahrhundert, ist: zum Weglaufen. Aber wohin?

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Autorenporträt
Sibylle Berg, geboren in Weimar, lebt heute als Dramatikerin und Autorin in Zürich und Tel Aviv. Bisher veröffentlichte sie 15 Romane, 17 Theaterstücke und unzählige Essays. Ihre Werke wurden in 34 Sprachen übersetzt. Bei Hanser erschienen Der Mann schläft (Roman, 2009), Vielen Dank für das Leben (Roman, 2012), Wie halte ich das nur alles aus? (Fragen Sie Frau Sibylle, 2013), Der Tag, an dem meine Frau einen Mann fand (Roman, 2014) und zuletzt Wunderbare Jahre (Als wir noch die Welt bereisten, 2016).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2016

Für die Tasche Ein trauriges Reisebuch hat Sibylle Berg da geschrieben. Aber etwas anderes würde man von der Autorin kaum erwarten. War die Welt, war das Reisen früher besser, fragt sie. Einerseits, andererseits. Berg, in Weimar geboren, in Zürich lebend, ist viel gereist, sicherlich immer schon mit einem kritischen Blick, doch die Unschuld der Reisenden hat sie in einem, ihrem Urmoment verloren: Im Januar 2016 wird sie in Tel Aviv Zeugin eines Anschlags. Berg war in Bayreuth und im Wallis, in Südafrika, London. Das Buch durchzieht der brillante, rotzige Berg-Ton, nur manchmal begibt sie sich in die Niederungen des Hohns. So mokiert sie sich bei einer Luxus-Zugreise über die Bildungsbürger, macht sich über deren Träume lustig, und über "dünne, traurig wirkende Gesäße" der Damen. Steckt ihr hier die Angst vor dem eigenen, alternden Alter Ego in den Knochen? Jedem Text folgt ein PS mit Fakten zur harten Wirklichkeit. Es geht um Flüchtlinge, Konflikte, Kriege, Vergewaltigungen, Lawinengefahr, Reisewarnungen - und in der Eisenbahngeschichte um Attentate auf Züge. Um das ganz normale, schlimme Leben eben. Natürlich ist Frau Berg keine Touristin, wenn sie reist. So besichtigt sie in Los Angeles "Viertel, die kaum je ein touristischer Fuß betrat". Dicht und hochromantisch liest sich schließlich einer ihrer Italientexte. Wieder einmal ist sie hingefahren und erinnert sich voll Wehmut an ihre erste Reise in den Süden. Sie sieht: Das Älterwerden und Klügerwerden geht einher mit dem Verlust der Frische, der Neugierde, dem bisschen Naivität. Ihre politischen Anhängsel zu ihren Texte zeigen ja, die Welt war auch früher keine bessere. So wird das Leiden an den Zuständen der Welt zum individuellen Weltschmerz mit dem Wissen, "dass ein schönes Gebäude, der Duft von Pinien und Abendwärme nichts an deinem Zustand ändern kann. Wir werden es nie mehr finden, das Gefühl unserer ersten Italienreise." Denn: "Das Meer ist nur noch Wasser." Sätze wie diese. Wunderschön, klug und unendlich traurig.

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Sibylle Berg: "Wunderbare Jahre. Als wir noch die Welt bereisten". Mit Zeichnungen von Isabel Kreitz. Hanser, 192 Seiten, 18 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2016

Man reist,
um
jammern
zu
können
Sibylle Berg rafft
sich auf,
die Welt zu sehen
und schrecklich
zu finden
– und zwischendurch
einen Schimmer
von Glück
zu erleben
Früher war alles besser. Vor allem das Reisen. Laut alten Berichten ungefähr so: Freundliche Beduinen brieten ein Schaf, wenn Gäste aus dem Okzident kamen, und die Gemeinschaft feierte zu den Klängen einer Schalmei. Die Welt war rau und noch nicht von Satelliten vermessen. Und man musste nicht vor den Toren des Petersdoms wie am Flughafen darauf warten, komplett durchleuchtet zu werden, bevor man Einlass erhält.
  Und doch weiß man, dass Nostalgie nie die ganze Wahrheit ist. Es erstaunt deshalb, dass ausgerechnet Sibylle Berg ein nostalgisches Buch über das Reisen geschrieben haben soll. Diese menschenfreundliche Realistin, die sich jede Woche in ihrer Kolumne für Spiegel Online wieder dazu aufraffen zu müssen scheint, sich über die Welt zu wundern. „Wunderbare Jahre“ heißt dieses Buch. Im Untertitel: „Als wir noch die Welt bereisten.“ Der Klappentext behauptet, der Strand sei längst „zur Kampfzone geworden“.
  Dieser Band versammelt Reisetexte, die Berg an anderer Stelle bereits veröffentlicht hat. Für die Buchausgabe hat sie sie überarbeitet und neu arrangiert sowie, das ist der Clou, jeweils mit einem Postscriptum versehen, das nüchtern in Nachrichtensprache zusammenfasst, was seit der Erstveröffentlichung an den bereisten Orten passiert ist: Unterdrückung, Umweltkatastrophen, Kriege, Terroranschläge. Nichts Gutes.
  Die Sache ist nur: Auch in Sibylle Bergs Reportagen, den Selbsterfahrungsberichten und fiktionalen Texten, geht es um Unterdrückung, um Umweltkatastrophen, Kriege und Terroranschläge. Sibylle Bergs Reisen waren niemals nur wunderbar. Außer vielleicht jene eine nach Italien, als sie, frisch verliebt, zum ersten Mal in einem schönen Hotel wohnte. Das ahnt man schon, wenn man liest, wo sie so unterwegs war: im Kosovo nämlich, und zwar während des Kriegs. In einem Inselarchipel vor Myanmar, wo ein paar Rebellenjungs lange mit sich zu ringen scheinen, bis sie Berg und ihren Dolmetscher dann doch am Leben lassen. „So ist das also“, schreibt sie da, „worüber man ab und an einen Vierzeiler in der Presse liest. Touristen als Geiseln genommen, zu Tode gekommen. Und die das lesen, denken: Selber schuld.“ Oder in Südafrika, wo sich hinter hübschen Weinbergen hässliche Reste der Apartheid, große Armut und unfassbare Kriminalität verbergen. Nicht einmal in Wien und Cannes ist alles schön, wenn es Sibylle Berg ist, die reist und beschreibt: Ständig scheint Regen ans Fenster ihres ärmlichen Hotelzimmers zu schlagen, obwohl das Wetter in Wahrheit trocken ist, nur grau, und die Menschen sind alt und garstig. In Cannes kommt man entweder nicht rein in die Villa mit der Filmfestival-Party, für die George Clooney angekündigt ist. Oder, denn Sibylle Berg kommt rein, es ist so: „98 % Produzenten, Verleiher, Investoren, 1 % Journalisten, und 1 einziger George Clooney. Der sitzt auf dem Sofa und lächelt. Alle trinken ein Glas Champagner und lächeln, tun so, als ob sie George Clooney auf dem Sofa nicht sähen“. Glamour? Fehlanzeige. Vielmehr: Alles zutiefst enttäuschend, aber zum Glück auch immer gesprenkelt mit kleinen Schimmern von Schönheit, die inmitten von Schrecklichkeit Trost spenden.
  In Brasilien zum Beispiel. Sibylle Berg reist in den Dschungel. Dorthin, wo die, die nichts mehr zu verlieren haben, in altertümlichen Minen nach Gold schürfen, auf einen Kiloklumpen hoffen, aber immer nur Goldstaub finden. Auf dem Weg zu einem Goldgräberlager lernt Berg eine junge Frau kennen, freundet sich mit ihr an. Nachts gehen sie zusammen baden, im Mondlicht in einem Fluss namens Piranha, „der gelb vor Quecksilber schimmert“. Ein bisschen Freundschaft, ein bisschen überraschende Furchtlosigkeit: Das ist so ein Reiseglücksmoment. Einer, der aus dem Schrecklichen hervorleuchtet, das überall zu finden ist, wohin man sich auf Reisen begibt. Damals, heute, immer eigentlich. Wenn dann im Postscriptum steht, dass sich der toxische Schlamm aus den Minen mittlerweile ins Meer ergießt, dann ist das schrecklich. Ein schockierender Kontrast zwischen vergangenen Zeiten und der Gegenwart ist es nicht.
  Sibylle Berg ist viel zu wenig naiv, um auf einer Pazifiküberquerung mit einem Containerschiff viel anderes zu empfinden als Leid wegen der zermürbenden Hässlichkeit der Pressspaneinrichtung in der Kabine. Anderes als zermürbende, große graue Langeweile. Sie ist aber auch viel zu sensibel, um nicht von warmer Menschlichkeit gerührt zu sein, egal, wo sie ihr begegnet: „Ron und Norine sitzen mit am Tisch. Der 82-jährige Australier und die 77-jährige Kanadierin haben sich vor zehn Jahren auf einer Frachtschiffreise kennengelernt. Heute sind sie ein Liebespaar und machen bereits ihre zehnte Tour zusammen.“ Nach einem kurzen Gespräch „küsst Norine Ron, und die beiden ziehen sich vom Tisch zurück, um ein bisschen Puzzle zu spielen oder zu fummeln“.
  Lohnt es sich, für diese kleinen Momente so gewaltige Reisen zu unternehmen wie eine zehntägige Pazifiküberquerung, an der man 99 Prozent der Zeit leidet? Man müsste wohl sagen: nein. Wäre da nicht der Wert der Enttäuschung an sich. Es geht beim Reisen, wie Sibylle Berg es betreibt, gerade um die Desillusionierung, um das erkenntnisreiche Zertrümmern von kitschigen Wunschvorstellungen. Wie schön und wie perfekt wäre das Leben, denkt sich Berg, wenn ich in diesem einen kleinen rot gestrichenen Holzhaus im Laurel Canyon bei Los Angeles wohnte. Sie verbringt dann ein paar Wochen in Los Angeles, kennt fast niemanden, alle fahren ständig Auto. Irgendwann schleicht sich eine Erkenntnis ein: „Fast vermute ich, dass es hier genauso viel Scheiße gibt wie zu Hause, dass sie nur einfach besser beworben wird.“ Jeder zertrümmerte Traum ist eine Erkenntnis mehr. Das Glück der Reise liegt immer irgendwo am Rand, nie in der Erfüllung von Klischees. In Sibylle Bergs Reiselust schwingt jene Weisheit der Vielgereisten immer schon mit, die eigentlich eine routinierte Enttäuschungserwartung ist.
KATHLEEN HILDEBRAND
So ist das also, wenn man
als Tourist von Rebellen gefangen
genommen wird
    
  
  
    
Sibylle Berg: Wunderbare Jahre. Als wir noch die Welt bereisten. Carl Hanser Verlag, München 2016. 192 Seiten, 18 Euro. E-Book 13,99 Euro.
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"Ein trauriges Reisebuch hat Sybille Berg da geschrieben (...) Wunderschön, klug und unendlich traurig." Barbara Schäfer, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 04.12.16

"Das Glück der Reise liegt immer irgendwo am Rand, nie in der Erfüllung von Klischees. In Sibylle Bergs Reiselust schwingt jene Weisheit der Vielgereisten immer schon mit (...)" Kathleen Hildebrand, Süddeutsche Zeitung, 18.10.16

"Man liest Sibylle Berg wegen ihres Sounds, dieses sensibel-rotzigen Stils, dieser Art, die Dinge an ihre sehr dünne Haut herankommen zu lassen und mit voller sprachlicher Wut draufzuschlagen. Wer das liebt, kommt auch in diesen Reisestücken auf seine Kosten." Martin Ebel, Der Tages-Anzeiger, 30.09.16

"Sie ist eine Moralistin unter uns Zeitgenossen, eine große Komödiantin, die Angehörige einer Spezies, die nicht aussterben darf, zwischen all den comidians in ihrer dauererregten Albernheit." Rose-Maria Gropp, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.11.16

"Berg packtden Leser unterhaltsam und kritisch mit Fakten, die überzeugen." Annerose Kirchner, Ostthüringer Zeitung, 15.10.16