1. Januar 2016. Sibylle Berg ist in Tel Aviv, Familienbesuch, und draußen gehen die Böller los. Moment mal, Böller zu Neujahr in Israel? Schreiende Menschen kommen die Straße gelaufen. Sie ducken sich, flüchten in Hauseingänge. Was sich unter dem Balkon abspielt, ist kein Fest. Es ist ein Anschlag. Die Autorin ist viel auf Reisen gewesen, jetzt ist der Spaß vorbei. Wollen wir wirklich in einer Welt herumfahren, wo der Strand zur Kampfzone wird, der Konzertsaal zum Bunker, wo neben dem Café die Bomben fliegen? Sibylle Berg erzählt, wie die Welt war, als wir noch Fernweh hatten: schön, abenteuerlich, romantisch. Und sagt, wie sie heute, im 21. Jahrhundert, ist: zum Weglaufen. Aber wohin?
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2016Für die Tasche Ein trauriges Reisebuch hat Sibylle Berg da geschrieben. Aber etwas anderes würde man von der Autorin kaum erwarten. War die Welt, war das Reisen früher besser, fragt sie. Einerseits, andererseits. Berg, in Weimar geboren, in Zürich lebend, ist viel gereist, sicherlich immer schon mit einem kritischen Blick, doch die Unschuld der Reisenden hat sie in einem, ihrem Urmoment verloren: Im Januar 2016 wird sie in Tel Aviv Zeugin eines Anschlags. Berg war in Bayreuth und im Wallis, in Südafrika, London. Das Buch durchzieht der brillante, rotzige Berg-Ton, nur manchmal begibt sie sich in die Niederungen des Hohns. So mokiert sie sich bei einer Luxus-Zugreise über die Bildungsbürger, macht sich über deren Träume lustig, und über "dünne, traurig wirkende Gesäße" der Damen. Steckt ihr hier die Angst vor dem eigenen, alternden Alter Ego in den Knochen? Jedem Text folgt ein PS mit Fakten zur harten Wirklichkeit. Es geht um Flüchtlinge, Konflikte, Kriege, Vergewaltigungen, Lawinengefahr, Reisewarnungen - und in der Eisenbahngeschichte um Attentate auf Züge. Um das ganz normale, schlimme Leben eben. Natürlich ist Frau Berg keine Touristin, wenn sie reist. So besichtigt sie in Los Angeles "Viertel, die kaum je ein touristischer Fuß betrat". Dicht und hochromantisch liest sich schließlich einer ihrer Italientexte. Wieder einmal ist sie hingefahren und erinnert sich voll Wehmut an ihre erste Reise in den Süden. Sie sieht: Das Älterwerden und Klügerwerden geht einher mit dem Verlust der Frische, der Neugierde, dem bisschen Naivität. Ihre politischen Anhängsel zu ihren Texte zeigen ja, die Welt war auch früher keine bessere. So wird das Leiden an den Zuständen der Welt zum individuellen Weltschmerz mit dem Wissen, "dass ein schönes Gebäude, der Duft von Pinien und Abendwärme nichts an deinem Zustand ändern kann. Wir werden es nie mehr finden, das Gefühl unserer ersten Italienreise." Denn: "Das Meer ist nur noch Wasser." Sätze wie diese. Wunderschön, klug und unendlich traurig.
bfer
Sibylle Berg: "Wunderbare Jahre. Als wir noch die Welt bereisten". Mit Zeichnungen von Isabel Kreitz. Hanser, 192 Seiten, 18 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Sibylle Berg: "Wunderbare Jahre. Als wir noch die Welt bereisten". Mit Zeichnungen von Isabel Kreitz. Hanser, 192 Seiten, 18 Euro
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"Ein trauriges Reisebuch hat Sybille Berg da geschrieben (...) Wunderschön, klug und unendlich traurig." Barbara Schäfer, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 04.12.16
"Das Glück der Reise liegt immer irgendwo am Rand, nie in der Erfüllung von Klischees. In Sibylle Bergs Reiselust schwingt jene Weisheit der Vielgereisten immer schon mit (...)" Kathleen Hildebrand, Süddeutsche Zeitung, 18.10.16
"Man liest Sibylle Berg wegen ihres Sounds, dieses sensibel-rotzigen Stils, dieser Art, die Dinge an ihre sehr dünne Haut herankommen zu lassen und mit voller sprachlicher Wut draufzuschlagen. Wer das liebt, kommt auch in diesen Reisestücken auf seine Kosten." Martin Ebel, Der Tages-Anzeiger, 30.09.16
"Sie ist eine Moralistin unter uns Zeitgenossen, eine große Komödiantin, die Angehörige einer Spezies, die nicht aussterben darf, zwischen all den comidians in ihrer dauererregten Albernheit." Rose-Maria Gropp, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.11.16
"Berg packtden Leser unterhaltsam und kritisch mit Fakten, die überzeugen." Annerose Kirchner, Ostthüringer Zeitung, 15.10.16
"Das Glück der Reise liegt immer irgendwo am Rand, nie in der Erfüllung von Klischees. In Sibylle Bergs Reiselust schwingt jene Weisheit der Vielgereisten immer schon mit (...)" Kathleen Hildebrand, Süddeutsche Zeitung, 18.10.16
"Man liest Sibylle Berg wegen ihres Sounds, dieses sensibel-rotzigen Stils, dieser Art, die Dinge an ihre sehr dünne Haut herankommen zu lassen und mit voller sprachlicher Wut draufzuschlagen. Wer das liebt, kommt auch in diesen Reisestücken auf seine Kosten." Martin Ebel, Der Tages-Anzeiger, 30.09.16
"Sie ist eine Moralistin unter uns Zeitgenossen, eine große Komödiantin, die Angehörige einer Spezies, die nicht aussterben darf, zwischen all den comidians in ihrer dauererregten Albernheit." Rose-Maria Gropp, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.11.16
"Berg packtden Leser unterhaltsam und kritisch mit Fakten, die überzeugen." Annerose Kirchner, Ostthüringer Zeitung, 15.10.16