Es gab einen bestimmten Grund, weshalb ich das Buch lesen wollte, nämlich die Aktionen der »Letzten Generation zu verstehen, die überall zu hitzigen Diskussionen führen. Deshalb fange ich meine Rezension heute mal von hinten an. Raphael Thelen ist ein ehemaliger SPIEGEL- und ZEIT-ONLINE-Jounalist,
der seinen Job an den Nagel gehangen hat und sich seit Januar in der Letzten Generation engagiert. Er…mehrEs gab einen bestimmten Grund, weshalb ich das Buch lesen wollte, nämlich die Aktionen der »Letzten Generation zu verstehen, die überall zu hitzigen Diskussionen führen. Deshalb fange ich meine Rezension heute mal von hinten an. Raphael Thelen ist ein ehemaliger SPIEGEL- und ZEIT-ONLINE-Jounalist, der seinen Job an den Nagel gehangen hat und sich seit Januar in der Letzten Generation engagiert. Er begleitet schon seit Jahren die Klimabewegung, hat ein Sachbuch dazu geschrieben und setzt sich in seinem Debüt »Wut« mit der emotionalen Seite des Klimawandels und der Klimabewegung auseinander. Wie weit darf oder muss ziviler Ungehorsam heute gehen? Wie entsteht Wut und kann sie die Welt verändern?
Kommen wir zum Inhalt.
Drei junge Menschen sind mitten in einer »Latschdemo« in der Gluthitze Berlins. Sie fragen sich, ob diese Art von Protest überhaupt noch zu Ergebnissen führt. Aus einem spontanen Aktionismus heraus stürmen sie die Zentrale der DE (Deutschen Energie) und nehmen die Chefin als Geisel. Doch dann wissen sie nicht weiter. Parallel läuft die Demo weiter durch Berlin, wird von der Polizei verfolgt und besetzt die Baustelle einer Pipeline. Wut und Verzweiflung treibt die Aktivisten an und hat natürlich Folgen.
Hauptsächlich folgen wir den Geschehnissen und Gedanken aus der Perspektive von Vallie, aber auch Sara, ihrer Freundin, und Wassim kommen zu Wort, indem uns Thelen die Vergangenheit der jungen Protagonisten beleuchtet, ihren unterschiedlichen Backgrounds, ihre ganz persönlichen Gründe, sich der Klimabewegung anzuschließen. Das ist für mich sehr schlüssig dargestellt. Auch den spontanen Affekt, die DE zu stürmen. Nur würde ich es nicht Wut, sondern Verzweiflung nennen.
Thelen will zeigen, dass Wut alte Denkmuster aufbrechen und zu neuen Lösungen führen kann, so sein O-Ton in einem Interview. Er ist der Meinung, es braucht mehr Wut, um die großen Ziele zu erreichen.
Bin ich ganz bei ihm und ich finde, das alles hat er bis auf eine Ausnahme, die für mich inakzeptabel war (Robert, der nicht schlüssig bis zum Ende gezeigt wurde), auch plausibel dargestellt.
Über das Buch zu schreiben ist mir nicht leicht gefallen, denn dafür ist es einfach zu nah an den aktuellen Geschehnissen dran, die ich nur schwer ausblenden kann. Soll es nun eine reine Fiktion sein oder sollen hier Möglichkeiten aufgezeigt werden? Jetzt im Nachhinein bleibt seine Geschichte für mich zweigeteilt. Bis zum Ende der Demo, die übrigens in einem filmreifen Ende gipfelt, fühlte es sich für mich sehr glaubhaft an, nah an einem denkbaren Szenario. Allerdings ist seine abschließende Zukunftsutopie aus der Luft gegriffen, auch wenn es für ihn persönlich vorstellbar ist. Das hat die durchweg gute Story für mich zerstört.
»Was wir brauchen, ist nicht ihr Weiterso, sondern einen Neuanfang. Was wir brauchen, ist nicht ständige Angst, die uns eng, klein und hilflos macht, sondern Mut, Weite und Liebe.« S.152
… schreibt er kurz vor dem Ende. Ja, da stimme ich ihm zu. Aber Neuanfang bedeutet für mich eine Veränderung von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen, denn nur so lassen sich auch viele andere Missstände, für die heute gekämpft wird, angehen und überwinden. Hätte das Buch etwas mehr Umfang gehabt und wäre ein Weg dorthin sichtbar gewesen, hätte ich ihm gern auch seine utopischen Ausblicke abgenommen. Aber so steht dieser Blick auf eine komplett andere Gesellschaftsordnung, die aus illusorischen Lebensmodellen besteht, isoliert am Ende. Aber gut, jeder Generation hat ihre Träume, ich lasse sie träumen.
Allgemein hätte das Buch gern etwas wütender sein dürfen, weniger verzweifelt. Für mich ist das Buch leider kein Hoffnungsträger, auch wenn ich voll hinter den zu erreichenden Zielen stehe. Das mag aber an meiner Erwartung gelegen haben.
Fazit
Ich würde das Buch gern allen empfehlen, die sich mit der Thematik auseinandersetzen wollen, denn es bietet in jede Richtung kritischen Diskussionsstoff.