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© BÜCHERmagazin, Lore Kleinert
Für Leser, die gern Zuschauer sind: Das Thriller-Debüt der Brüder Daan und Thomas Heerma van Voss
Der Ort, an dem der Mord sich anbahnt, ist perfekt. Es ist Mardi Gras, Fastnachtsdienstag in New Orleans, alle Welt ist in Maskerade auf den Straßen. "Ein paar Sekunden standen sie einander reglos mitten in all dem Lärm gegenüber", heißt es gleich auf der ersten Seite, "Nathalie und der als Skelett verkleidete Mann. Schwarzer Stoff bedeckte seinen Körper, die aufgemalten Knochen waren fluoreszierend weiß." Nathalie Underwood kommt durch viele Messerstiche in den Sümpfen unweit der Stadt zu Tode. Schnell in Verdacht gerät ihr Freund Alexander van Zandt, der wie sie an der Universität von New Orleans studiert. Auf der Suche nach dem Täter beginnt ein ausgeklügeltes böses Spiel, in dem die Polizistin Hanna Vincennes, selbst mit privaten und beruflichen Konflikten belastet, die Ermittlungen leitet.
"Zeuge des Spiels" - im Original "Ultimatum" - heißt entsprechend auf Deutsch der erste Thriller, den die in Amsterdam lebenden Brüder Daan und Thomas Heerma van Voss gemeinsam geschrieben haben. Das junge Autorenduo, Jahrgang 1986 und 1990, entfaltet beachtliche Energien, um die Leser in ein komplexes System von scheinbar offensichtlichen wie verborgen insistierenden Zusammenhängen zu führen, ein Labyrinth von plausiblen Motiven und ihren Ungereimtheiten, in deren Auflösung sich vor allem die Ermittlerin immer tiefer verstrickt.
Damit nicht genug: Auch der Vater des Verdächtigen, der ehemalige Psychiater Aron Mulder, dessen Frau vor Jahren in Holland einem bis heute unaufgeklärten Gewaltverbrechen zum Opfer fiel, reist nach New Orleans, um auf eigene Faust die Unschuld des gemeinsamen, ihm entfremdeten Sohns zu beweisen, der sich dort eben Alexander van Zandt nennt. Denn Mulder will in den beiden Morden, auf psychologischer Ebene, Koinzidenzen erkannt haben.
In ständigen Wechseln der Perspektive setzt sich das Geschehen im Roman zusammen, wie in einem Kaleidoskop. Das studentische Umfeld des Verdächtigen kommt ins Visier; der seltsam uneindeutige Lebenswandel der Ermordeten wird ausgeleuchtet; die Ermittlerin kämpft um die Beziehung mit ihrem Lebenspartner. Haupt- und Nebenwege dieser inzwischen zweigleisigen Recherche werden verfolgt. Zumal der angereiste Vater Alexanders einen Privatdetektiv engagiert, der früher bei der Polizei gearbeitet hat.
Derweil bleibt die längste Zeit der Täter unbekannt; aus dessen Perspektive heißt es an zentraler Stelle, nach gut hundert Seiten: "Die Leute glauben, dass ein Mord nur eine Tat ist. Das ist ein Irrtum. Mord ist in erster Linie ein Gedanke. Ein Gedanke, den man anfangs noch von sich weist. Was man aber auch tun mag, der Gedanke wird immer zu einem zurückfinden, es ist die permanente Einflüsterung von etwas Sublimem. Täglich werden Hunderte Mörder geboren, sie warten auf den einen überspringenden Funken." Da wird also in den verqueren Hirnwindungen des Täters nichts Geringeres als das Erhabene heruntergebrochen auf das, wie sich zeigen wird, buchstäblich Banale des Tötens aus Eifersucht.
Doch selbst wer sehr aufmerksam gelesen hat, kann keine erste Ahnung vom Killer bekommen, um sich jetzt an seine Fersen zu heften - worin doch ein Hauptreiz des klassischen Thrillers besteht, zumal wenn er mit seelischen Abgründen operiert. Zu wenig eingeführt und herausgearbeitet ist er, zu blass bleibt als Person das inkarnierte Böse im Skelettkostüm. Fast am Schluss offenbart sich der Täter selbst, nach welchem Geschehen, wie und wem, das sei nicht verraten, so viel doch: "Aber worin besteht der Nutzen eines Spiels, wenn niemand gewonnen hat? Sie sind mein Zeuge", sagt der Mörder da zu seinem Gegenüber.
Wem diese Zuschauerrolle als Leser genügt, der ist mit dem Roman gut bedient. Alle anderen mögen sich von den Brüdern Heerma van Voss am Ende - bei aller sprachlichen Verspieltheit, die Ulrich Faures Übersetzung transportiert, und bei allem Suspense nach den Regeln des Genres über dreihundert Seiten hin - doch ähnlich alleingelassen fühlen wie Aron Mulder. Sein verzweifeltes Gefühl des Scheiterns schlägt als seltsame Leere auf sie zurück.
ROSE-MARIA GROPP
Daan Heerma van Voss und Thomas Heerma van Voss: "Zeuge des Spiels". Thriller.
Aus dem Niederländischen von Ulrich Faure.
Schöffling Verlag,
Frankfurt am Main 2018.
304 S., br., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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