Wissenschaftlicher Aufsatz aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Ethik, , Sprache: Deutsch, Abstract: Vor genau 50 Jahren (1953) haben Watson und Crick die Struktur der sog. DNA-Doppelspirale entdeckt. Damit war erstmals bewiesen, dass die Erbanlagen für jedes Lebewesen und auch für den Menschen in einer bestimmten molekularen Struktur chemisch festgelegt sind. Das Faszinierende und Revolutionierende dieser Entdeckung ist die Erkenntnis, dass die DNA und damit die Gene als Träger der Erbinformation bei allen Lebewesen vom Bakterium bis zum Menschen aus lediglich 20 variablen chemischen Baueinheiten, den sog. Aminosäuren, bestehen, die nahezu unendliche Kombinationsmöglichkeiten für den Aufbau des Organismus bieten. Die beiden DNA-Stränge ergänzen sich wie Schlüssel und Schloss, d.h. bei der Zellteilung geht von jedem Chromosom je ein DNA-Strang in die Tochterzellen ein, der die komplette Information enthält für die Replikation der jeweils fehlenden Hälfte. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die Erbinformation von der befruchteten Eizelle im Laufe der nachfolgenden Abermillionen von Zellteilungen bis zum ausgewachsenen Individuum in alle Körperzellen lückenlos weitergegeben wird. Damit war also ein biologisches System entdeckt, das seit ca. 2 Milliarden Jahren in allen Lebewesen identisch funktioniert. Darüber hinaus ist es Anfang dieses Jahres erstmals gelungen, das menschliche Genom komplett zu entschlüsseln. Demnach sind auf 46 Chromosomen etwa 30.000 Gene lokalisiert, die ca. 1 Million verschiedene Proteine herstellen. Die Euphorie über dadurch sich eröffnende unbegrenzte Möglichkeiten, regulierend in die menschliche Keimbahn einzugreifen, ist groß. Allerdings ist damit nichts gesagt über die Funktionen und das Zusammenspiel der Gene im Entwicklungsprozess. Diese sind nach wie vor ein Buch mit sieben Siegeln. Man könnte die Situation vergleichen mit einem Computer, der zwar den Text des Neuen Testaments vollständig „einlesen“ kann, aber nicht weiß, ob er ihn unter dem Ordner „Badekuren“ oder dem Unterverzeichnis „Fischereiwirtschaft“ abspeichern soll. Albert Schweitzer hat sich zur Entdeckung der DNA-Doppelhelix, soweit ich weiß, nicht geäußert. Er hätte sie zunächst als eine wunderbare naturwissenschaftliche Bestätigung seiner mystischen Grunderfahrung der universalen Zusammengehörigkeit und Allverbundenheit der Schöpfung rundum nur begrüßen können. [...]