From the author of the Man Booker longlisted The Underground Railroad
A pandemic has devastated the planet, sorting humanity into two types: the uninfected and the infected, the living and the living dead. The worst of the plague is now past, and Manhattan is slowly being resettled. Armed forces have successfully reclaimed the island south of Canal Street - aka 'Zone One' and teams of civilian volunteers are clearing out the remaining infected 'stragglers'.
Mark Spitz is a member of one of these taskforces and over three surreal days he undertakes the mundane mission of malfunctioning zombie removal, the rigours of Post-Apocalyptic Stress Disorder, and attempting to come to terms with a fallen world.
But then things start to go terribly wrong...
A pandemic has devastated the planet, sorting humanity into two types: the uninfected and the infected, the living and the living dead. The worst of the plague is now past, and Manhattan is slowly being resettled. Armed forces have successfully reclaimed the island south of Canal Street - aka 'Zone One' and teams of civilian volunteers are clearing out the remaining infected 'stragglers'.
Mark Spitz is a member of one of these taskforces and over three surreal days he undertakes the mundane mission of malfunctioning zombie removal, the rigours of Post-Apocalyptic Stress Disorder, and attempting to come to terms with a fallen world.
But then things start to go terribly wrong...
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Frankfurter Allgemeine ZeitungSo funktioniert die Politik nach dem Ende aller Medien
Der amerikanische Autor Colson Whitehead überrascht mit einem Zombie-Roman. Doch man sollte sich nicht täuschen lassen: "Zone One" ist vor allem ein gewitztes Porträt unserer digitalen Gegenwart.
Dass die Gegenwart ein verrätselter Ort ist, dessen Codes sich nicht mehr aufschließen lassen und die Zombies längst unter uns sind, davon erzählt die Pop-Literatur schon seit längerem. Dass nun aber auch der smarte New Yorker Schriftsteller Colson Whitehead sich unter die Zombie-Autoren begeben hat, überrascht auf den ersten Blick. Auf den zweiten aber schon wieder nicht. Denn dass der 1969 geborene Autor eine Vorliebe für alte, eher obskure Science-Fiction-Filme hat, konnte man schon aus seinem Porträt herauslesen, das er vor Jahren über seine Heimatstadt schrieb. Diese hinreißende, hochliterarische Hommage in dreizehn Kapiteln benannte er nach einem klassischen B-Picture "The colossus of New York".
Auch seine anderen Romane, ob sie nun von einer "Fahrstuhlinspektorin" erzählen oder von der Legende um den schwarzen Vorkämpfer "John Henry Days", samt Technikgeschichte und Klassenkampf, oder, wie zuletzt in "Der letzte Sommer auf Long Island", von jenem kleinen Kaff an der Ostküste, an dem die schwarze New Yorker Mittelschicht ihre Sommerfrische verbringt - alle diese Bücher zeigen immer wieder, wie gern sich dieser Autor zwischen skurriler Phantastik und allegorischer Tiefe bewegt.
Und als vor gut zwei Jahren im "New Yorker" nachzulesen war, wie Colson Whitehead die langen Tage seiner Kindheit an der Upper East Side verbracht hat, klärte das im Nachhinein nicht nur, warum der Mann mit den Rastalocken nach seinem Harvard-Studium zunächst Fernsehkritiker bei der "Village Voice" wurde: Während nämlich seine Schulfreunde nach dem Unterricht sofort hinaus in den Central Park zogen, verbrachte er die Nachmittage lieber zu Hause im Wohnzimmer, wo er sich, auf dem Teppich liegend, Horrorfilme anschaute. Freilich verstand der Viertklässler nicht, was er sah, und war überfordert von all dem Unheimlichen. "Eine psychotische Kindheit - Was man von schlechten Filmen lernen kann" nannte er denn auch den Essay im "New Yorker", und er schrieb "Zone One".
Dass der Roman viel mehr mit dem Genre spielt, als dass er sich seinen Regeln unterwerfen würde, versteht sich von selbst. Das Genretypische jedenfalls, all der Horror, die Gewalt, der Krieg, spielt in "Zone One" nicht die tragende Rolle. Colson Whitehead nimmt stattdessen unsere Gegenwart in den Blick, und zwar aus der Perspektive eines Überlebenden. So liest sich "Zone One" nicht nur als Persiflage auf heute, sondern auch, wie schon "Der Koloss", als eine Art Liebeserklärung an New York. Das zeitdiagnostische Experiment nimmt dabei auch den nichtzombie-affinen Leser für sich ein. Und natürlich handelt es sich bei dieser Versuchsanordnung um eine Verneigung vor Richard Mathesons berühmtem Science-Fiction-Roman "I am Legend" von 1954, der Generationen von Autoren prägte und mehrfach verfilmt wurde, zuletzt 2007 mit Will Smith in der Hauptrolle.
In "Zone One" befinden wir uns im New York nach der Apokalypse. Die meisten Menschen haben die Seuche, die vor Jahren über die Menschheit hereinbrach, nicht überlebt. Nur einige wenige Versprengte gibt es noch. Und wenn sie sich in den vermeintlich sicheren Zonen treffen, dann erzählen sie sich anrührende Geschichten von ihrer "letzten Nacht" vor der Katastrophe. Auch Mark Spitz hat überlebt, und er selbst führt das auf seine Durchschnittlichkeit zurück - ein typischer Zweier-Schüler: "Seine Fähigkeiten lagen im geschickten Durchwursteln", heißt es über ihn, "wobei er niemals glänzte und niemals durchrasselte, sondern jeweils nur genau das tat, was erforderlich war, um über das nächste willkürliche Hindernis des Lebens hinwegzukommen."
Obwohl er nicht schwimmen kann, nennt man ihn seit der Katastrophe wie den berühmten Schwimmer, der für Amerika mehr Goldmedaillen gewann als jeder andere. Mark Spitz ist Teil der "Sweeper"-Einheit, die im Auftrag der fernen Regierung in Buffalo New York wieder aufräumen soll, Block für Block. Die Aufgabe ist deshalb so gefährlich, weil Zombies in den leerstehenden Gebäuden ihr Unwesen treiben und jeden töten, der sich ihnen in den Weg stellt. Sie haben es darauf abgesehen, Menschen durch Bisse zu infizieren. Und wer von den Sweepern nicht schnell genug zum Gegenmittel greifen kann, der hat schon verloren.
Neben den durchweg bösen Skels gibt es eine weitere, harmlose Variante der Untoten, die sogenannten Irrläufer. Dabei handelt es sich um Menschen, die in der Situation wie schockgefroren wurden. Sie können diesen Moment jedenfalls nicht mehr verlassen und erinnern, wie sie da stumm und bewegungslos stehen, wohl nicht zufällig an die von Lava umgossenen Bewohner Pompejis. Mark Spitz ist jedes Mal gerührt, wenn er bei seinem Marsch durch das südliche Manhattan in voller Kampfmontur wieder auf eine dieser lebenden Skulpturen stößt. Im menschenleeren Supermarkt, am Schreibtisch in der verwüsteten Wohnung.
Natürlich ist "Zone One" eine herrliche Satire auf unsere Gegenwart der digitalen Vielfalt, in der Kaffeemaschinen die Uhrzeiten angeben, Wörterbücher nicht mehr aus Papier bestehen und Familienkameras ihre Koordinaten an erdumkreisende Satelliten senden. Auch die Helden dieser Zukunftswelt rücken nach völlig veränderten Definitionen von Tapferkeit und Einfallsreichtum ins Rampenlicht, und wie Politik funktioniert, wenn es keine Medien und keine Zeitungen mehr gibt, auch das lässt sich hier studieren. Was aber diesen Roman in der Tiefe ausmacht, ist seine überraschende Stille. Denn meist passiert fast nichts, sondern wir lesen, was Mark Spitz durch den Kopf geht, wenn er wieder auf einen Irrläufer stößt oder an eine Straßenecke gerät, die er aus seiner Kindheit kennt. Da trauert Mark Spitz um seine Vergangenheit, die unsere Gegenwart ist. Davon erzählt - Zombies hin oder her - der Sprachkünstler Colson Whitehead, und seine verdichtete Prosa funkelt poetisch wie ein dunkler Stern.
SANDRA KEGEL
Colson Whitehead: "Zone One". Roman.
Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl. Carl Hanser Verlag, München 2014, 304 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der amerikanische Autor Colson Whitehead überrascht mit einem Zombie-Roman. Doch man sollte sich nicht täuschen lassen: "Zone One" ist vor allem ein gewitztes Porträt unserer digitalen Gegenwart.
Dass die Gegenwart ein verrätselter Ort ist, dessen Codes sich nicht mehr aufschließen lassen und die Zombies längst unter uns sind, davon erzählt die Pop-Literatur schon seit längerem. Dass nun aber auch der smarte New Yorker Schriftsteller Colson Whitehead sich unter die Zombie-Autoren begeben hat, überrascht auf den ersten Blick. Auf den zweiten aber schon wieder nicht. Denn dass der 1969 geborene Autor eine Vorliebe für alte, eher obskure Science-Fiction-Filme hat, konnte man schon aus seinem Porträt herauslesen, das er vor Jahren über seine Heimatstadt schrieb. Diese hinreißende, hochliterarische Hommage in dreizehn Kapiteln benannte er nach einem klassischen B-Picture "The colossus of New York".
Auch seine anderen Romane, ob sie nun von einer "Fahrstuhlinspektorin" erzählen oder von der Legende um den schwarzen Vorkämpfer "John Henry Days", samt Technikgeschichte und Klassenkampf, oder, wie zuletzt in "Der letzte Sommer auf Long Island", von jenem kleinen Kaff an der Ostküste, an dem die schwarze New Yorker Mittelschicht ihre Sommerfrische verbringt - alle diese Bücher zeigen immer wieder, wie gern sich dieser Autor zwischen skurriler Phantastik und allegorischer Tiefe bewegt.
Und als vor gut zwei Jahren im "New Yorker" nachzulesen war, wie Colson Whitehead die langen Tage seiner Kindheit an der Upper East Side verbracht hat, klärte das im Nachhinein nicht nur, warum der Mann mit den Rastalocken nach seinem Harvard-Studium zunächst Fernsehkritiker bei der "Village Voice" wurde: Während nämlich seine Schulfreunde nach dem Unterricht sofort hinaus in den Central Park zogen, verbrachte er die Nachmittage lieber zu Hause im Wohnzimmer, wo er sich, auf dem Teppich liegend, Horrorfilme anschaute. Freilich verstand der Viertklässler nicht, was er sah, und war überfordert von all dem Unheimlichen. "Eine psychotische Kindheit - Was man von schlechten Filmen lernen kann" nannte er denn auch den Essay im "New Yorker", und er schrieb "Zone One".
Dass der Roman viel mehr mit dem Genre spielt, als dass er sich seinen Regeln unterwerfen würde, versteht sich von selbst. Das Genretypische jedenfalls, all der Horror, die Gewalt, der Krieg, spielt in "Zone One" nicht die tragende Rolle. Colson Whitehead nimmt stattdessen unsere Gegenwart in den Blick, und zwar aus der Perspektive eines Überlebenden. So liest sich "Zone One" nicht nur als Persiflage auf heute, sondern auch, wie schon "Der Koloss", als eine Art Liebeserklärung an New York. Das zeitdiagnostische Experiment nimmt dabei auch den nichtzombie-affinen Leser für sich ein. Und natürlich handelt es sich bei dieser Versuchsanordnung um eine Verneigung vor Richard Mathesons berühmtem Science-Fiction-Roman "I am Legend" von 1954, der Generationen von Autoren prägte und mehrfach verfilmt wurde, zuletzt 2007 mit Will Smith in der Hauptrolle.
In "Zone One" befinden wir uns im New York nach der Apokalypse. Die meisten Menschen haben die Seuche, die vor Jahren über die Menschheit hereinbrach, nicht überlebt. Nur einige wenige Versprengte gibt es noch. Und wenn sie sich in den vermeintlich sicheren Zonen treffen, dann erzählen sie sich anrührende Geschichten von ihrer "letzten Nacht" vor der Katastrophe. Auch Mark Spitz hat überlebt, und er selbst führt das auf seine Durchschnittlichkeit zurück - ein typischer Zweier-Schüler: "Seine Fähigkeiten lagen im geschickten Durchwursteln", heißt es über ihn, "wobei er niemals glänzte und niemals durchrasselte, sondern jeweils nur genau das tat, was erforderlich war, um über das nächste willkürliche Hindernis des Lebens hinwegzukommen."
Obwohl er nicht schwimmen kann, nennt man ihn seit der Katastrophe wie den berühmten Schwimmer, der für Amerika mehr Goldmedaillen gewann als jeder andere. Mark Spitz ist Teil der "Sweeper"-Einheit, die im Auftrag der fernen Regierung in Buffalo New York wieder aufräumen soll, Block für Block. Die Aufgabe ist deshalb so gefährlich, weil Zombies in den leerstehenden Gebäuden ihr Unwesen treiben und jeden töten, der sich ihnen in den Weg stellt. Sie haben es darauf abgesehen, Menschen durch Bisse zu infizieren. Und wer von den Sweepern nicht schnell genug zum Gegenmittel greifen kann, der hat schon verloren.
Neben den durchweg bösen Skels gibt es eine weitere, harmlose Variante der Untoten, die sogenannten Irrläufer. Dabei handelt es sich um Menschen, die in der Situation wie schockgefroren wurden. Sie können diesen Moment jedenfalls nicht mehr verlassen und erinnern, wie sie da stumm und bewegungslos stehen, wohl nicht zufällig an die von Lava umgossenen Bewohner Pompejis. Mark Spitz ist jedes Mal gerührt, wenn er bei seinem Marsch durch das südliche Manhattan in voller Kampfmontur wieder auf eine dieser lebenden Skulpturen stößt. Im menschenleeren Supermarkt, am Schreibtisch in der verwüsteten Wohnung.
Natürlich ist "Zone One" eine herrliche Satire auf unsere Gegenwart der digitalen Vielfalt, in der Kaffeemaschinen die Uhrzeiten angeben, Wörterbücher nicht mehr aus Papier bestehen und Familienkameras ihre Koordinaten an erdumkreisende Satelliten senden. Auch die Helden dieser Zukunftswelt rücken nach völlig veränderten Definitionen von Tapferkeit und Einfallsreichtum ins Rampenlicht, und wie Politik funktioniert, wenn es keine Medien und keine Zeitungen mehr gibt, auch das lässt sich hier studieren. Was aber diesen Roman in der Tiefe ausmacht, ist seine überraschende Stille. Denn meist passiert fast nichts, sondern wir lesen, was Mark Spitz durch den Kopf geht, wenn er wieder auf einen Irrläufer stößt oder an eine Straßenecke gerät, die er aus seiner Kindheit kennt. Da trauert Mark Spitz um seine Vergangenheit, die unsere Gegenwart ist. Davon erzählt - Zombies hin oder her - der Sprachkünstler Colson Whitehead, und seine verdichtete Prosa funkelt poetisch wie ein dunkler Stern.
SANDRA KEGEL
Colson Whitehead: "Zone One". Roman.
Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl. Carl Hanser Verlag, München 2014, 304 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche ZeitungDie Straßenfeger der Apokalypse
Das New York nach der großen Seuche hat die gleichen Probleme wie das
davor: keine Taxis. „Zone One“, ein Zombie-Totentanz von Colson Whitehead
VON ULRICH BARON
Auch das Töten der Untoten bedarf einer Ordnung. Nachdem die Entsorger sich über aufgeplatzte Leichensäcke beschwert hatten, haben die Sweeper deren „Defenestration“ eingestellt. Sie werfen sie nicht mehr aus den Fenstern, sondern ziehen sie samt Inhalt durchs Treppenhaus nach unten: „Nach wenigen Stockwerken wurde der dumpfe Schlag, mit dem die Köpfe der Skels auf die Stufen bumsten, von einem feuchten, nervenzermürbenden Patschen abgelöst.“
Für Leser, die nicht wie der 1969 geborene Colson Whitehead die Vorschule zahlreicher Horrorfilme genossen haben: Es geht hier um eine Welt, in der eine Seuche den größten Teil der Menschheit in zombiehafte Skel(eton)s verwandelt hat, die nur noch das Ziel kennen, die Unversehrten entweder zu fressen oder durch Bisse zu infizieren. Nach chaotischen Jahren scheint sich das Blatt gewendet zu haben. Von Buffalo aus betreibt die provisorische Regierung der USA das Projekt des „Amerikanischen Phönix“ im südlichen Manhattan, das als „Zone One“, als zombiefreier Bezirk, zur Keimzelle einer neuen Gesellschaft werden soll.
Nachdem Marines den Hauptteil der Drecksarbeit getan haben, arbeitet sich Whiteheads Held Mark Spitz mit einem dreiköpfigen Sweeper-Team von Planquadrat zu Planquadrat. Eigentlich bezeichnet das englische Wort „Sweeper“ einen Straßenfeger, doch hier sind es eher Kammerjäger, die per Kopfschuss nicht nur Skels umbringen, sondern auch „Irrläufer“, die in skurrilen Posen längst vergangenen Lebens dahinvegetieren. Colson Whitehead wäre nicht der anerkannte Autor, der er ist, wenn er das garstige Treiben der Untoten und die Posen der Irrläufer nicht instinktiv als Totentanz inszeniert hätte. Der war in seiner klassischen Form immer auch allegorisches Lehrstück. Wenn Knochenmänner Kaiser, Papst und Bettelmann zum letzten Reigen führten, lautete ihre Botschaft: „Was ihr seid, das waren wir, und was wir sind, das werdet ihr.“
„Wir sehen andere Menschen ohnehin nicht, nur die Monster, die wir aus ihnen machen“, heißt es in „Zone One“, und: „Für Mark Spitz waren die Toten seine Nachbarn, die Menschen, die er tagtäglich, etwa in einem Subwaywaggon, sah, das phantastische Spektrum der Metropole.“ Noch anhand der besudelten Fetzen, die den Skels vom Körper hängen, vermag er deren Dresscode zu entschlüsseln. Noch postum durchschaut er Akte urbaner Camouflage, mit der längst gefeuerte Manager ihren Statusverlust zu tarnen versucht hatten. Und was wäre ein zeitgemäßeres Memento mori als ein erstarrter Internet-Nutzer vor einem toten Monitor? Ein wahrhafter Irrläufer – mitten im Surfen vom Tode umfangen . . .
So kann man „Zone One“ als zeitgemäße Vanitas-Allegorie verstehen, der Zombie-Filme die mittelalterlichen Holzschnitte ersetzt haben. Jeder hat hier Anspruch zumindest auf eine Statistenrolle. Aber ein Roman ist weder Film noch Holzschnitt. Während Whitehead die erzählte Gegenwart auf drei Tage beschränkt, holt er die Jahre seit Einbruch der Seuche durch eine Vielzahl von Rückblenden ein, die in Kurz-, Mittel- und Langversionen immer wieder dieselbe Geschichte von Schock, Flucht, zeitweiliger Zuflucht und Überranntwerden erzählen. Da vermag man vor lauter Aktionen und Reflexionen oft keinen Fortgang der Handlung zu sehen, während der saloppe Sarkasmus des Erzählers einer allegorischen Lesart in die Quere kommt.
„New York im Tode war New York im Leben sehr ähnlich. Beispielsweise war es immer noch schwierig, ein Taxi zu kriegen.“ Dieser Einwurf beschreibt auch das Dilemma dieses Romans, mit dem sich Whitehead in die Phalanx derer einreiht, die den hier oft gebrauchten Begriff der Apokalypse missverstanden haben. Es gibt sogar eine „Postapokalyptische Belastungsstörung (PABS)“, obwohl Apokalypse doch Offenbarung und Vollendung des göttlichen Heilsplans verheißt. Wenn an dem etwas dran ist, sollten zumindest die Rechtgläubigen postapokalyptisch aller Belastungen und Störungen ledig sein.
Ohne Taxi, Offenbarung und Heilsplan aber weiß man nicht, wie es weitergehen soll. Deshalb ist in Cormac McCarthys Endzeitroman „The Road“ die Straße zum Ziel geworden. Deshalb erzählt „Zone One“ immer wieder die Geschichte vom Fall der letzten und endlich auch der allerletzten Bastion, die doch eigentlich die erste einer neuen Zeit hätte werden sollen. Am Ende wird klar, warum der Nichtschwimmer Mark Spitz diesen Spitznamen durch den ganzen Roman mit sich tragen musste: „Irgendwann musst du ja mal schwimmen lernen“, sagt er sich: „Er öffnete die Tür und ging hinaus in das Meer der Toten.“ Geht er aus Scham über diese Schlusspointe?
Schwimmen geht anders, und das Problem des literarischen Zombie-Romans gleicht dem, das Mark Spitz mit einem gefangenen Skel hätte. Damit könne man nur eines machen – „ihm den Gnadenschuss geben“. Man kann die große Verwandlung als satirische Allegorie auf die Eitelkeiten einer von Konsum und Medienhysterie gesteuerten Gesellschaft lesen, auf die Codes ihrer Kleidung, Frisuren und Wohnungen. Whiteheads Sweeper erscheinen als Vorarbeiter einer neuen Gentrifizierung, aber einmal mit der Genreliteratur verwachsen, bleibt sein Roman chimärenhaft: „Die Seuche verwandelte den menschlichen Körper so sehr, dass niemand mehr glaubte, er könne wiederhergestellt werden.“ Welchen ernsthaften Reim man sich auch auf die Hirnzermantschereien in „Zone One“ machen wird; man muss damit rechnen, dass einem ein Skel ein baseballgroßes Stück daraus herausbeißt. Mindestens.
Mark Spitz heißt der Held.
Ein Nichtschwimmer
Ein wilder Zombie-Tsunami, der die stärkste Mauer überschwemmt –
die berühmte Szene aus „World War Z“, dem Horrorfilm von Marc Forster mit Brad Pitt aus dem Jahr 2013 . Foto: MPC/Paramount Pictures
Colson Whitehead: Zone One. Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl. Carl Hanser Verlag, München 2014. 302 Seiten, 19,90 Euro. E-Book 15,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Das New York nach der großen Seuche hat die gleichen Probleme wie das
davor: keine Taxis. „Zone One“, ein Zombie-Totentanz von Colson Whitehead
VON ULRICH BARON
Auch das Töten der Untoten bedarf einer Ordnung. Nachdem die Entsorger sich über aufgeplatzte Leichensäcke beschwert hatten, haben die Sweeper deren „Defenestration“ eingestellt. Sie werfen sie nicht mehr aus den Fenstern, sondern ziehen sie samt Inhalt durchs Treppenhaus nach unten: „Nach wenigen Stockwerken wurde der dumpfe Schlag, mit dem die Köpfe der Skels auf die Stufen bumsten, von einem feuchten, nervenzermürbenden Patschen abgelöst.“
Für Leser, die nicht wie der 1969 geborene Colson Whitehead die Vorschule zahlreicher Horrorfilme genossen haben: Es geht hier um eine Welt, in der eine Seuche den größten Teil der Menschheit in zombiehafte Skel(eton)s verwandelt hat, die nur noch das Ziel kennen, die Unversehrten entweder zu fressen oder durch Bisse zu infizieren. Nach chaotischen Jahren scheint sich das Blatt gewendet zu haben. Von Buffalo aus betreibt die provisorische Regierung der USA das Projekt des „Amerikanischen Phönix“ im südlichen Manhattan, das als „Zone One“, als zombiefreier Bezirk, zur Keimzelle einer neuen Gesellschaft werden soll.
Nachdem Marines den Hauptteil der Drecksarbeit getan haben, arbeitet sich Whiteheads Held Mark Spitz mit einem dreiköpfigen Sweeper-Team von Planquadrat zu Planquadrat. Eigentlich bezeichnet das englische Wort „Sweeper“ einen Straßenfeger, doch hier sind es eher Kammerjäger, die per Kopfschuss nicht nur Skels umbringen, sondern auch „Irrläufer“, die in skurrilen Posen längst vergangenen Lebens dahinvegetieren. Colson Whitehead wäre nicht der anerkannte Autor, der er ist, wenn er das garstige Treiben der Untoten und die Posen der Irrläufer nicht instinktiv als Totentanz inszeniert hätte. Der war in seiner klassischen Form immer auch allegorisches Lehrstück. Wenn Knochenmänner Kaiser, Papst und Bettelmann zum letzten Reigen führten, lautete ihre Botschaft: „Was ihr seid, das waren wir, und was wir sind, das werdet ihr.“
„Wir sehen andere Menschen ohnehin nicht, nur die Monster, die wir aus ihnen machen“, heißt es in „Zone One“, und: „Für Mark Spitz waren die Toten seine Nachbarn, die Menschen, die er tagtäglich, etwa in einem Subwaywaggon, sah, das phantastische Spektrum der Metropole.“ Noch anhand der besudelten Fetzen, die den Skels vom Körper hängen, vermag er deren Dresscode zu entschlüsseln. Noch postum durchschaut er Akte urbaner Camouflage, mit der längst gefeuerte Manager ihren Statusverlust zu tarnen versucht hatten. Und was wäre ein zeitgemäßeres Memento mori als ein erstarrter Internet-Nutzer vor einem toten Monitor? Ein wahrhafter Irrläufer – mitten im Surfen vom Tode umfangen . . .
So kann man „Zone One“ als zeitgemäße Vanitas-Allegorie verstehen, der Zombie-Filme die mittelalterlichen Holzschnitte ersetzt haben. Jeder hat hier Anspruch zumindest auf eine Statistenrolle. Aber ein Roman ist weder Film noch Holzschnitt. Während Whitehead die erzählte Gegenwart auf drei Tage beschränkt, holt er die Jahre seit Einbruch der Seuche durch eine Vielzahl von Rückblenden ein, die in Kurz-, Mittel- und Langversionen immer wieder dieselbe Geschichte von Schock, Flucht, zeitweiliger Zuflucht und Überranntwerden erzählen. Da vermag man vor lauter Aktionen und Reflexionen oft keinen Fortgang der Handlung zu sehen, während der saloppe Sarkasmus des Erzählers einer allegorischen Lesart in die Quere kommt.
„New York im Tode war New York im Leben sehr ähnlich. Beispielsweise war es immer noch schwierig, ein Taxi zu kriegen.“ Dieser Einwurf beschreibt auch das Dilemma dieses Romans, mit dem sich Whitehead in die Phalanx derer einreiht, die den hier oft gebrauchten Begriff der Apokalypse missverstanden haben. Es gibt sogar eine „Postapokalyptische Belastungsstörung (PABS)“, obwohl Apokalypse doch Offenbarung und Vollendung des göttlichen Heilsplans verheißt. Wenn an dem etwas dran ist, sollten zumindest die Rechtgläubigen postapokalyptisch aller Belastungen und Störungen ledig sein.
Ohne Taxi, Offenbarung und Heilsplan aber weiß man nicht, wie es weitergehen soll. Deshalb ist in Cormac McCarthys Endzeitroman „The Road“ die Straße zum Ziel geworden. Deshalb erzählt „Zone One“ immer wieder die Geschichte vom Fall der letzten und endlich auch der allerletzten Bastion, die doch eigentlich die erste einer neuen Zeit hätte werden sollen. Am Ende wird klar, warum der Nichtschwimmer Mark Spitz diesen Spitznamen durch den ganzen Roman mit sich tragen musste: „Irgendwann musst du ja mal schwimmen lernen“, sagt er sich: „Er öffnete die Tür und ging hinaus in das Meer der Toten.“ Geht er aus Scham über diese Schlusspointe?
Schwimmen geht anders, und das Problem des literarischen Zombie-Romans gleicht dem, das Mark Spitz mit einem gefangenen Skel hätte. Damit könne man nur eines machen – „ihm den Gnadenschuss geben“. Man kann die große Verwandlung als satirische Allegorie auf die Eitelkeiten einer von Konsum und Medienhysterie gesteuerten Gesellschaft lesen, auf die Codes ihrer Kleidung, Frisuren und Wohnungen. Whiteheads Sweeper erscheinen als Vorarbeiter einer neuen Gentrifizierung, aber einmal mit der Genreliteratur verwachsen, bleibt sein Roman chimärenhaft: „Die Seuche verwandelte den menschlichen Körper so sehr, dass niemand mehr glaubte, er könne wiederhergestellt werden.“ Welchen ernsthaften Reim man sich auch auf die Hirnzermantschereien in „Zone One“ machen wird; man muss damit rechnen, dass einem ein Skel ein baseballgroßes Stück daraus herausbeißt. Mindestens.
Mark Spitz heißt der Held.
Ein Nichtschwimmer
Ein wilder Zombie-Tsunami, der die stärkste Mauer überschwemmt –
die berühmte Szene aus „World War Z“, dem Horrorfilm von Marc Forster mit Brad Pitt aus dem Jahr 2013 . Foto: MPC/Paramount Pictures
Colson Whitehead: Zone One. Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl. Carl Hanser Verlag, München 2014. 302 Seiten, 19,90 Euro. E-Book 15,99 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
A dark futuristic satire laced with fiendish humour The Times